Voyager 1 krebst nun seit einiger Zeit am Rande unseres Sonnensystems herum. Eine erste Grenze, den Termination-Schock, hat die Sonde 2005 passiert. Hier ist der Sonnenwind so verdünnt (er breitet sich ja immer weiter nach außen hin aus und deckt dabei immer mehr Raum ab) und der Gegendruck durch das interstellare Medium so stark, dass der Sonnenwind sich nicht mehr weiter mit Überschall (400 km/s) bewegen kann. Er bremst abrupt auf 130 km/s ab, schaltet sozusagen schlagartig diverse Gänge runter. In der Wikipedia ist übrigens ein cooles Bild von einem ähnlichen Effekt in einem Spülbecken.
Wobei dieser ‘ruhige’ Sonnenwind immer noch mit 470 000 km/h unterwegs ist, um das mal in eine Einheit umzurechnen, die mensch sich eher vorstellen kann.
Und auch, wenn der Sonnenwind am Terminationschock erfolgreich vom interstellaren Medium abgebremst wurde, so ist die Dichte des interstellaren Mediums noch nicht hoch genug, um den Sonnenwind komplett aufzuhalten. Dieser bewegt sich immer noch stetig von der Sonne weg und bildet die Heliosheath.
Aber jetzt, ziemlich genau 35 Jahre (1) nach dem Start, sollte Voyager-1 in Bereiche vordringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat 🙂 und in denen der noch stärker verdünnte Sonnenwind dem interstellaren Medium nicht mehr viel entgegenzusetzen hat. Da sich unser Sonnensystem samt Sonnenwind- und Magnetfeldblase relativ zu diesem Medium wie ein Schiff durch’s Wasser bewegt, müsste Voyager-1 jetzt langsam ‘sehen’, dass der Sonnenwind nicht mehr stumpf nach außen strömt, sondern ”seitlich” abgelenkt wird – wie Wasser in einer Bugstoßwelle vor einem Schiff.
Bild: NASA,JPL
Aber genau diese Bugstosswelle ist ausgeblieben, wie Robert Decker und seine Kollegen am 6. September in der Nature (2) berichteten. Und es ist nicht so, als ob sie nicht danach gesucht hätten. Sie haben die Raumsonde zwischen März 2011 und Januar 2012 ein paar Mal gedreht, damit das Low-Energy Charged Particle Instrument (LECP), die Ablenkung des Sonnenwindes auch räumlich auflösen kann. Das Ergebnis: Nix ist mit Ablenkung. Keine Bugstoßwelle. Kein weiterer Schock. Nix. Und seit die Sonnenaktivität auf dem aufsteigendem Ast ist, kann ein Schwächeln des Sonnenwindes auch nicht mehr als Ausrede herhalten. Anscheinend ist die Anströmgeschwindigkeit des interstellaren Mediums gar nicht hoch genug, um ne Bugstoßwelle zu erzeugen. Das Sonnensystem ‘gleitet’ demnach eher durch das Weltall, als dass es ‘pflügt’.
Aber es gibt sie, diese Bugstoßwellen; um andere Sterne haben wir sie z.B. schon gesehen:
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was ist bei uns anders? Ich bin mal gespannt, was die Modellierer dazu sagen werden. Aber die werden erst mal einige Zeit mit Rechnen verbringen 😉
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(1) Eine meiner Quellen – ich weiß leider nicht mehr welche – hat mir mal erzählt, dass die Voyager-Sonden gar nicht so lange hätten halten sollen. Angeblich haben sich aber die Ingenieure in zivilem Ungehorsam geübt und die Sonden auf große Langlebigkeit hin konstruiert. Ich weiß allerdings nicht, ob das stimmt und ich hab inzwischen auch den Kontakt zu den möglichen Quellen verloren, so dass ich das leider schlecht nachprüfen kann.
(2) No meridional plasma flow in the heliosheath transition region
Robert B. Decker1, Stamatios M. Krimigis1,2, Edmond C. Roelof1 & Matthew E. Hill1
Nature, 2012,
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