Im Moment geistert diese Meldung über eine mysteriös auf- und wieder abgetauchte ‘Insel’ auf dem Titan durch die Medien. Soweit ich das sehen kann, ist es aber keine Insel die da auf- und abgetaucht ist, sondern ein Zeichen des nahenden Frühlings auf der Titan-Nordhalbkugel in den Radaraufnahmen von Cassini. Es handelt sich auch sicherlich nicht um eine Insel oder Eisschollen, sondern eher um krisselige, kleinskalige Strukturen im See selbst.

ResearchBlogging.org

Auch wenn der astronomische Frühling (die Tag-und Nachtgleiche) erst im Jahr 2017 erwartet wird, so ist doch der tiefste Winter vorbei, in dem sich Titan’s Nordhalbkugel bei der Ankunft von Cassini im Jahr 2004 befand. (1) Die zusätzliche Sonnen-Wärme sollte sich im Norden vor allem an der Grenze zwischen ‘Küste’ und den Titanseen irgendwann bemerkbar machen. Nur, dass hier die Zeichen des Frühlings anders aussehen als auf der Erde. Es sollten keine abbrechenden schwimmenden Eisschollen zu sehen sein, weil der Feuchtigkeits-Kreislauf auf dem Titan nicht auf Wasser sondern auf Methan beruht. Und Wasser verhält sich in einem entscheidenden Punkt anomal.

Titan Atmosphäre und der Methan-Zyklus der Verdunstung, Wolken- und Seenbildung

Da wir jeden Tag damit konfrontiert werden, ist uns nicht bewusst, wir seltsam es ist, dass festes Wasser (in Form von Eis) auf flüssigem Wasser schwimmt. Die Eise ‘normaler’ Materialien dagegen sinken zu Boden. Methaneis sollte auf dem Titan daher eher auf den Boden der Seen und nicht als Schollen obenauf zu finden sein. (2)

Wie sieht also ein Zeichen des nahenden Frühlings auf Titan aus? Das folgende Video zeigt eine Radar-Aufnahme vom Vorbeiflug Cassinis über Ligeia Mare am 10.7.2013: Ein heller klar 20 km mal 20 km großer abgegrenzter Fleck, der beim nächsten Vorbeiflug über diese Gegend 16 Tage später und beim vorherigen Vorbeiflug in dem Aufnahmemodus am 27.12.2009 nicht zu sehen ist. Ligeia Mare liegt übrigens ziemlich nahe am Nordpol und ist tatsächlich ein See aus Methan mit einer Tiefe von etwa 170m , was sich auf der folgenden verlinkten Karte ganz gut erkennen lässt: Titan-Seen am Nordpol.

Nun, ist es schon etwas blöd nur eine einzige Aufnahme einer Veränderung der Oberflächen- bzw. Seenstruktur zu haben. Einmal ist eigentlich keinmal; vor allem bei einem so unbekanntem Terrain wie dem Titan. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass 3 der 4 Seiten in der Originalveröffentlichung sich nur darum drehen, ein falsches Signal – eine Störung, ein Radarecho, ein Bildartefakt – auszuschließen.

Die Autoren schlussfolgern, dass sie tatsächlich ein vorübergehendes Phänomen auf dem Titan eingefangen haben. Sie können aber nicht genau sagen, was es wirklich gewesen ist. Es lässt sich aber anhand dessen, was wir von dem Titan wissen und anhand dessen, was es nicht sein kann, innerhalb einer gewissen Bandbreite spekulieren. Der dunkle Bereich ist flüssiges Methan und der weiße außen herumragende feststehende Bereich ist festes Material. Zusätzliche Informationen zeigen den Forschern aber, dass der helle “vorübergehend aufgetauchte” Fleck nicht aus demselben Material besteht wie die Küstenlinie. Reflexionswinkel, geben Auskunft über Materialbeschaffenheit und Streuungsparameter sagen etwas über die Oberflächenrauheit aus. Hier gibt es eine ESA-Seite, die ein bisschen mehr erzählt, was sich alles aus so einem Radarsignal an Schlussfolgerungen ziehen lassen.

Die Autoren selbst nennen drei mögliche Ursachen für den hellen Fleck: Wellen, die durch einen Anstieg der Windgeschwindigkeiten auf der Nordhalbkugel angeregt werden. Es könnten Blubberbläschen sein, die vom abschmelzenden Methan oder Ethan vom Grund des Sees emporsteigen oder auch Schwebteilchen, die durch die einsetzende Schmelze vom Ufer in den See getragen worden sind. Es handelt sich also eher um kleinskalige Strukturen. Leider lässt sich nicht ganz so genau aussagen, wie lange das Phänomen andauerte, da die einzige klare Aufnahme von der Region vor dem Fleck von Ende 2009 stammt. Es könnte Monate oder Jahre gedauert haben. Vermutlich sieht man ein bisschen was vom Phänomen in einer Aufnahme vom 23.5.2013, die aber in einem anderen Messmodus gefahren wurde und auch nicht wirklich eindeutig ist, soweit ich es beurteilen kann. Das deutet darauf hin, dass – was immer es auch war- es ein paar Monate anhielt.

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Kommentare (6)

  1. #1 BerndB
    Juni 25, 2014

    Könnte es nicht ein abgesunkener Methanspiegel sein? Dass die Insel knapp unter der Oberfläche lag und jetzt durch verdampfendes Methan aufgetaucht ist?

  2. #2 Ludmila Carone
    Juni 25, 2014

    @BerndB Nein, denn die Oberfläche des Sees selbst ist fast spiegelglatt, deswegen erscheint der See im Radar in jeder Aufnahme so uniform schwarz. Für eine Wasserstandsänderung bräuchtest Du aber Bewegung und Turbulenzen im See, die sofort auffallen würden als helles Gekrissel – so wie der helle Fleck, den wir da gerade sehen. Gerade Wellen sind in der Radarortung auf der Erde gefürchtet, weil die Störungen in eine Radarortung bringen. Deswegen sind ja Wellen eine der ersten Ideen als Erklärung für den Fleck.

    Außerdem würde eine Insel Wellen zusätzlich brechen. Das Szenario passt vorne und hinten nicht, da es nichts sein kann, was mit großen Bewegungen im See verbunden ist.

  3. #3 BerndB
    Juni 26, 2014

    Ok, danke für die Erklärung. Dann ist es vielleicht doch ein Algenteppich 😉

  4. #4 roel
    *****
    Juni 27, 2014

    @ Ludmila Carone

    Ich hatte die Meldungen über die Insel auch gelesen und mich gewundert. Vielen Dank für diese aufschlussreiche Erklärung.

  5. […] wie gewohnt die Lesetipps: Ludmilla klärt bei Hinterm Mond gleich Links auf, was es mit dem Flecken am Titan auf sich hat, und warum Eisschollen in einem Metansee sich anders […]

  6. #6 Alderamin
    Juli 1, 2014

    @Ludmilla

    Schön, mal wieder einen neuen Artikel hier zu lesen 🙂

    Die Bahn ist leicht exzentrisch und von daher verursachen hier – anders als auf der Erde – tatsächlich die Entfernung zur Sonne die Jahreszeiten.

    Aber die Achse des Saturn und die Bahn seiner Monde (und damit wohl auch deren Achse) sind doch rund 30° gegen die Ebene seine Bahn um die Sonne geneigt, wie man im Teleskop am wechselnden Anblick der Ringe über die Jahre unschwer erkennt. Sollte dies denn nicht mehr Effekt ausmachen als die Exzentrizität der Bahn? Oder verstehe ich Dich falsch und sagst hier nur, dass die Exzentrizität zu den Jahreszeiten mit beiträgt?