Ein Paper (Loulergue et al.) ist in der letzten Wochen in Nature erschienen, welches neue Methan (CH4)-Messungen aus Eiskernen vorstellt und interpretiert. Wie ich hier schonmal gezeigt habe, kann Methan eine wichtige Rolle dabei spielen, uns (das grosse UNS, die Menschheit etc.) Zeit zu kaufen, wenn es darum geht, das Strahlungsforcing der anthropogenen Treibhausgase auf einem bestimmten Niveau zu stabilisieren. Eine paar Informationen zum Thema Methan seien mal vorrausgeschickt, bevor wir zu den Ergebnissen des Papers kommen, zu dem auch wir (LSCE) beigetragen haben.
1) Methan entsteht bei der anaeroben Zersetzung organischen Materials. Das kann in Müllhalden, Kuhdärmen und in Sümpfen passieren. Diese Quellen sind heute entweder natürlich (Sümpfe), anthropogen (Reisanbau) oder natürlich, aber vom Menschen modifiziert (Sümpfe). Vorm Eintritt ins Anthropozän (vor ca. 200 Jahre) und womöglich einige tausend Jahre vorher (Ruddiman) bestand der Methankreislauf aus hauptsächlich zwei Bestandteilen. A) Die Quellen: Tropischen und nordhemisphärischen Feuchtgebieten (verhalten sich heute ca. wie 2 zu 1 zueinander) und deren Produktvität. Beide werden hauptsächlich durch Temperatur und vor allem Niederschlag kontrolliert. B) Die Senken: Methan wird als Resultat der Oxidation durch atmophärische OH Radikale abgebaut, die wiederum ausser durch Methan durch eine Reihe anderer Faktoren kontrolliert werden. Insbesondere die “biogenic volatile organic compounds” (BVOCs) streiten sich mit dem Methan zusammen um die OH Radikale. Ihre Konzentration ist allerdings stark an Klimabedingungen gebunden, die genau so die CH4 Quellen betreffen. Man kann daher von einer positiven Verstärkung der Methan-Emissionen sprechen.
2) Methan ist das zweitwichtigste Treibhausgas, sowohl im Anthropozän als auch unter rein “natürlichen” Bedingungen. Es trug daher in einem Feedbackzyklus zu den natürlichen Klimaschwankungen bei.
Methan kann seit ca. 20 Jahren im Eis gemessen werden. Natürlich geht die technische Entwicklung auch hier immer weiter. Mit neuen melting/refreezing Methoden wird jetzt noch schneller, noch effektiver das Methan extrahiert, um dann mit klassischer Gas-Chromatographie gemessen zu werden. Der EPICA Eiskern von Dome C wurde mit einer Genauigkeit von einigen ppb (parts per billion = 10^9) nun vollständig durchgemessen. Dies ergibt eine Gesamtzahl von ca. 2200 Messungen, die einen Zeitbereich von 800.000 Jahren (=800 kilo Jahre im Paleojargon) abdecken. Ziel ist es natürlich, etwas über den natürlichen Methan-Kreislauf und die dazugehörige atmosphärische Chemie zu lernen. Das kann in der Tat für die Zukunft wichtig werden. Wie reagieren etwa die Permafrostgebiete des Nordens während ausgedehnter Warmphasen?
Mehrere Schlussfolgerungen aus diesen Messungen (siehe Figur 1) sind wichtig.
1) Of course und nicht besonders überraschend: Die heutigen 1780 ppb sind weit weit entfernt von den natürlichen Konzentrationen der Vergangenheit (400-700ppb). Die 1000ppb anthropogenes Methan ensprechen etwas 0.5W/m2 zusätzliches radiatives Forcing (zum Vergleich 1.7W/m2 gehen auf das CO2).
2) Fast alle (auch kleinere) Klimavariationen, die in der antarktischen Temperaturrekonstruktion (abgeleitet von den Wasserisotopen des Eises) auftauchen, finden ein Echo in den entsprechenden Methankonzentrationen (siehe die grosse Ähnlichkeit zwischen der Dome C Temperaturkurve und dem Methan). Jede Erwärmung (z.B. zwischen 750 und 780 Kilojahren), die also einen globalen Charakter hat, hat einen Einfluss auf den Methanzyklus, und zwar im Sinne einer positiven Verstärkung. Schlussfolgerung für die Zukunft: Unabhängig von den direkten Eingriffen des Menschen in den Methanzyklus, wird die vor sich gehende Erwärmung die natürlichen Methanquellen aktivieren.
3) Was kann man zur relativen Wichtigkeit der nördlichen (i.e.Permafrost) relativ zu den tropischen Methanquellen sagen? Loulergue et al. führen dazu eine Spektralanalyse ihrer Methandaten durch. Die natürlichen Klimavariationen im Pleisto/Pliozaen (die letzten 5.5 Millionen Jahren) werden durch die zeitlich variierende Verteilung der Sonneneinstrahlung kontrolliert. Während die hohen Breiten eher durch die sog. Obliquity (die Schräge der Erdachse) beeinflusst sind, sind die niedrigen Breiten eher unter der Kontrolle der Präzession (die jahreszeitliche Verteilung der Einstrahlung). Im Methan findet man beide Signale und beide Signale ungefähr gleich stark. Ich habe nicht wirklich verstanden, warum die Autoren dieser Studie hier meinen, sie hätten gezeigt, dass eher die tropischen Methanquellen zusammen mit den hauptsächlich in den Tropen produzierten BVOCs die dominierende Rolle spielen. Man kann nicht alles verstehen.
4) Allerdings gab es vor zwei Wochen ein anderes Methanpaper mit Eiskerndaten, welches nicht nur das Methan, sondern auch seine isotopische Zusamensetzung gemessen hat (wenn auch nur für die letzten 30.000 Jahre). Das 13C und Deuterium Signal im CH4 erlaubt in der Tat präziser nach nördlichen und tropischen Quellen zu unterscheiden. Ohne auf die Details jetzt einzugehen, deutet die Analyse dieser Messungen auf die Tropen als den Hotspot im natürlichen Methanzyklus hin. Ob das aber auch heute so sein wird, ist nicht klar. Landwirtschaft hat die Regeln der Methanmobilisierung in den Tropen stark geändert und selbst die BVOCs werden jetzt stark direkt vom Menschen beeinflusst.
5) Kurz nach dem Verschwinden der nördlichen Eisschilde kam es mehrmals zum Überschiessen des Methanwerts. Sowohl in der Zwischeneiszeit 19.3 und 9.3, (diese etwas eigenartige Numerierung wurde vor langer Zeit mal von den Paleoozeanographen eingeführt, vergleiche Figur 1), aber auch in unserem Holozaen gibt es Anzeichen eines deutlichen Methanpeaks. Man kann spekulieren, dass es zumindest kurzzeitig mal warm genug war, um eine echte Methanmobilisierung im Permafrost-Boden zu bewirken. Wo liegt dieser Temperaturschwellenwert genau, ab dem der Permafrost Methan ausstösst. Meines Erachtens ist das die wichtigste Unbekannte im Klimaspiel. Es ist zu befürchten, dass wir in 100-200 Jahren die Frage beantworten können.
Weitere Links dazu
Kommentar von Ed Brooks zu den 800.000 Jahren Methan.
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