Die ungeduldigen Leserzuschriften gehen schon in die hunderte. Ganz klar: Der abschliessende Meereisteil wird bald kommen. Kurz aber eingeschoben sei ein kurzes Kapitel zum Thema PDO. Was ist die PDO? Die Pazific Decadal Oscillation. Erstes Problem: Es ist keine Oszillation. Oder genauer, wir haben bei weitem nicht genug Daten im nördlichen Pazifik, um zu entscheiden, ob eine solche “Oszillation”, also eine periodische Schwingung, wirklich existiert. Siehe dazu auch dieses exzellente Post von Tamino.
Nathan Mantua und Steven Hare (Univ. of Washington, JISAO) kamen in den 90er Jahren zu dem Schluss, dass relativ grosse ökologische und klimatische Schwankungen im Nordpazifikraum zusammenhängen und häufig synchron vor sich gehen. Die ökologischen Schwankungen beziehen sich in Mantuas erster Publikation auf Fangquoten von verschiedenen Alaska-Lachsarten, die mit dem warmen Wasser an der amerikanischen Pazifikküste mal rauf und mal runter gehen. Später wurden eine ganze Reihe Schwankungen von verschiedenen klimatischen/ökologischen Grössen identifiziert, die sich alle irgendwie im Konzert bewegen: 1925, 1947, 1977 soll es so zu sogenannten “Regimeshifts” im Pazifik gekommen sein. Soweit klingt alles ein bisschen nach der uns Europäern besser bekannten Nordatlantischen Oszillation (NAO), die einer Oszillation des sogenannten polaren Vortex entspricht und in ihrem Auf und Ab für schwankende Temperaturtrends in polaren relativ zu mittleren Breiten sorgt. Der erste Unterschied findet sich aber schon in der Definition des entsprechenden Index, einmal für die NAO und einmal für die PDO. Die NAO ist definiert als der Druckunterschied zwischen dem Island Tief und dem Azoren Hoch. Temperaturschwankungen, die der NAO zugerechnet werden (also z.B. besonders warme und feuchte Winter in Skandinavien und Mitteleuropa während der NAO High Phase) sind daher eine dynamische Konsequenz dieser atmosphärischen Schwankungen. Sie müssen zuerst einmal analysiert und identifiziert werden und liegen nicht in der Konstruktion des Index selbst verborgen.
Bei der PDO ist das ein wenig anders. Per Definition entspricht der PDO Index dem zeitlichen Verlauf des vorherrschenden niederfrequenten (also typischerweise dekadischen) Temperaturmusters im Zentral- und Nord-Pazifik. Solche Muster erhält man mathematisch durch eine sogenannte EOF (Empirical Orthogonal Function) oder auch PCA (Principal Component) Analyse, die im wesentlichen den “Noise” in Zeitserien nach Mustern und Wichtigkeit ordnet. Nach dieser Definition ist schonmal eines absolut klar. All die Texte, die im Internet zirkulieren und verkünden, dass die PDO die Temperaturen global und/oder besonders in den USA beeinflussen, verkaufen etwas Offensichtliches und Unvermeidbares als Nachricht. Die PDO entspricht nunmal einfach der Temperatur in einem riesigen Teil des globalen Ozeans und wenn sie also keinen Einfluss auf die globale Temperatur hätte, dann wäre wohl etwas grundfalsch gelaufen.
Grafik 1: PDO assoziertes Muster von Ozeanoberflächentemperaturen und Druck.
Die erste Grafik ist Mantuas Original Paper zur PDO entnommen und zeigt das PDO Temperaturmuster und das entsprechenden Muster der Druckschwankungen. Im tropischen Pazifik hat es fatale Ähnlichkeit mit ENSO, El Niño – Southern Oscillation, der bei weitem wichtigsten inter-annualen natürlichen Klimaschwankung. Daher gibt es auch eine ganze Reihe Forscher, die der PDO ihre Existenz als eigenständiges Phänomen abstreiten wollen (arme PDO) und sagen, das Ganze sei lediglich die dekadische Variabilität des ENSO Phänomens und hätte keine eigenständige Dynamik. Eine andere Schule verweist auf das starke Signal im Nordpazifik, a priori in keinerlei Zusammenhang mit ENSO.
Wie kann man solche Fragen entscheiden? Die Datenlage ist nicht grandios und reicht nur etwas mehr als 100 Jahre in die Vergangenheit zurück. Die erste Schlussfolgerung wurde zu Beginn bereits erwähnt: Die PDO ist keine Oszillation mit einer bestimmten Frequenz, sie hat lediglich eine typische Zeitskala von vielleicht 20 Jahren. Will man mehr wissen, könnte man in globalen Klimamodellen nachschauen und sie über sehr lange Zeiten integrieren. Das erhöht die Qualität der Statistik deutlich und erlaubt vielleicht auch, nach weiteren Zusammenhängen zwischen PDO und anderen Grössen (ENSO oder die arktische Oszillation etwa) nachzuschauen. Eine Forschergruppe am Hadley Center hat genau dies getan und die Resultate einer ca. 1000 Jahre Simulation betrachtet.
Grafik 2: Wichtigstes dekadisches Muster der Meerestemperaturen, einmal berechnet mit den beobachteten GISST3 Daten, einmal mit den simulierten Daten des HADCM3 Modells. Nach Collins et al., Clim.Dyn 2001.
Grafik 2 zeigt das vorherrschende dekadische Temperaturmuster im tropischen Pazifik, einmal basierend auf den Meeresoberflächendaten und einmal basierend auf den Modellergebnissen. Eine gewisse Ähnlichkeit (eine Art ausgeschmiertes ENSO Muster) ist sicher da und die Autoren schlussfolgern daher, dass das Model ein bisschen PDO haben mag. Die Zeitserienanalyse dieses Musters bestätigt, was ich bereits erwähnte: Man kann keine echte Oszillation im Modell ausmachen, es existiert kein Frequenz-Peak, der deutlich genug aus einem roten Rauschen hervorträte. Dehnt man dann die gleiche Analyse auf den eigentlichen Nord-Pazifik (Grafik 3) aus, gibt es wieder eine Ähnlichkeit des Modells mit den Beobachtungen. Man beachte insbesondere die Temperaturanomalien längs der amerikanischen Westküste.
Grafik 3: Wichtige Meerestemperaturen in den pazifischen Extratropen. Berechnung wie in Grafik 2. Nach Collins et al., Clim.Dyn 2001.
Diese Muster variieren stark im Einklang mit dem entsprechenden zentralpazifischen Muster aus der Grafik 2 zusammen und ergeben eine Art gesamtpazifisches dekadisches ENSO Muster. Von hier ab wird die Geschichte dann langsam kompliziert und ich verweise für die Interessierten auf das Original PDF. Die Autoren fanden ein weiteres Muster in den Beobachtungen und im Modell, welches der Grafik 3 relativ ähnlich ist. Dieses Muster hat keinen zeitlichen Zusammenhang mit dem dekadischen ENSO (Grafik 2) und erscheint als eine Art unabhängig existierende PDO-ähnliche Struktur. Es wurde keinerlei dynamischer Zusammenhang zwischen dekadischem ENSO und diesem Muster gefunden. Die PDO erscheint eher wie aus zwei unabhängigen dekadischen Variabilitäten zusammengesetzt.
Dekadische und multi-dekadische Variabilität bleibt weiter ein schwieriges Thema, nicht nur in den Modellen. Wenn auch die simulierten Muster und typischen Zeitkonstanten sich mehr und mehr den Beobachtungen annähern, bleiben noch grosze Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen. In der jüngsten Diskussion (hier, hier und hier) um die Temperaturentwicklung der nächsten Jahre spielen diese Modellunterschiede bei der Beschreibung der dekadischen Variabilität die entscheidende Rolle, an der längerfristigen Entwicklung, die durch das Strahlungsforcing der anthropogenen Treibhausgase bestimmt ist, ändert das natürlich nichts.
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