Die wilden Schwankungen, die das CO2 nach den Arbeiten des Biologie-Lehrers E.G.Beck in den 30er Jahren gemacht haben soll, sind ja mittlerweile geadelt durch seinen offiziellen Kolloquiumsvortrag an der Universität Bayreuth. Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, was ich von dieser “Theorie”, die allgemein bei deutschen Klimaskeptikern auf grosse Begeisterung stösst, halte. Professor Hartmut Franck, der Beck an die Universität Bayreuth eingeladen hatte und weitestgehend von seinen Hypothese überzeugt ist, hatte mir gegenüber insbesondere Zweifel an der Aussagekraft der Gasmessungen aus den Eiskernen, geäussert. Zur Erinnerung: Beck behauptet, es hätte z.B. in den 30/40er Jahren CO2 Background Schwankungen in der Grössenordnung von 100ppm gegeben, die durch mysteriöse Ausgasungen im Nordatlantik verursacht worden seien.
Abbildung 1: CO2 Background nach E.G. Beck erlangt durch Mittelung einfach aller Messungen, die er so finden konnte.
Dies ist im Widerspruch zu allerlei, was wir so über den Ozean und den Kohlenstoffzyklus so wissen, aber es ist insbesondere explizit im Widerspruch zu Eiskern CO2-Messungen, die dieses Zeitintervall (also die gesamte Phase der frühen Industrialisierung bis hin zum Jahre 1958, dem Jahr, in dem Keeling die Messungen auf Mauna Loa und am Südpol aufgenommen hat) sehr gut abdecken.
Schritt für Schritt werde ich mich um dieses Problem im folgenden kümmern und heute insbesondere darüber berichten, was eigentlich mit den atmosphärischen Gasen passiert, bevor sie in die Eismatrix übergehen und was man zum Übergang der Gase ins Eis sagen kann. Dazu muss man sich den Prozess der Gaseinschliessung ins Eis einmal vor Augen führen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Schema des Gaseinschluss im Eis. Auf eine gut ventilierte Schicht von einigen Metern folgt eine diffusiv-poröse Schicht von teils über 70 Metern, in der die Luft langsam (10-30 Jahre) diffundiert. Für die Grafik Dank an Amaelle Landais.
Auf eine wenige Meter dicke Schicht, in der die Konzentration der verschiedenen Gase praktisch konstant und identisch mit der Atmosphäre ist, folgt eine Schicht von einigen dutzend Metern, in der die Gase sich je nach ihrem Gewicht gravimetrisch trennen und die Gasmoleküle durch den Firn diffundieren. Da der Firn nicht über die ganze Länge die gleiche Temperatur hat, (was insbesondere bei schnellen Klimaänderungen wichtig ist) kommt noch eine Trennung der Gase je nach dem Temperaturgradienten im Firn hinzu. Es handelt sich also um eine diffusive Säule in der die Gase ca. 10-30 Jahre brauchen, um ans Ende der Säule zu diffundieren und dann schliesslich für sehr sehr (bis zu einige 100.000 Jahre im Falle der Antarktis) im Eis eingeschlossen zu werden. Das Eis in dieser Abschlusstiefe hat nun aber je nachdem wieviel Schnee jedes Jahr an der jeweiligen Stelle ackumuliert ein ganz anderes Alter als die bis in die entsprechende Tiefe bei ca. 70 Metern diffundierenden Gase. Das Eisalter variiert bei Hochackumulations-Gegenden (wie Law Dome) zwischen 200 Jahren bis zu einigen 1000 Jahren in Niedrig-Ackumulationsgebieten (wie Vostok oder Dome C).
Abbildung 3: Ein sogenannter Bladder mit dem das im Firn diffundierende Gas aus der jeweiligen Schicht gepumpt wird. Für das Foto Dank an Jakob Schwander, Uni Bern.
Die klassischen Eismessungen, die z.B. Al Gore in seinem Film “An unconvenient Truth” zeigt, beziehen sich auf CO2 Konzentrationen und entsprechende atmosphärische Temperaturen IM EIS. Man kann aber auch die entsprechenden CO2, CH4, N2O, SF6, CFC12 (kurz alle Gase, die sich gut im Firn halten) IM FIRN messen.
Abbildung 4: Herunterlassen eines Bladder in die amerikanische Firn Bohrung in NEEM (Grönland) Für das Foto Dank an Jakob Schwander, Uni Bern.
In der Tat ist das heute eine Standardprozedur, wie sie bei fast allen Eisbohrungen mittlerweile durchgeführt wird. Abbildungen 3 und 4 zeigen die in das Bohrloch eingeführte Pump-Apparatur, die an der Grönländischen Bohrstelle NEEM in diesem Jahr benutzt wurde (Dank an Jakob Schwander für die Photos). Sie wird in das Loch heruntergelassen und dort so stark aufgeblasen, dass kein weiter Austausch mit der Atmosphäre stattfinden kann. Danach beginnt man vorsichtig Gas aus der umliegenden Firnschicht zu pumpen und ,während man früher noch die hochgepumpte Firn-Luft in entsprechende Auffangvorrichtungen gefüllt hat, um sie später im Labor zu messen, wird heute (Abbildung 5) direkt vor Ort per Infrarot-Spektrometrie gemessen.
Abbildung 5: Gasmessungen an der NEEM Bohrstelle. Das vom Bladder hochgepumpte Gas wird direkt per IR Spektrometrie gemessen. Für das Foto Dank an Jakob Schwander, Uni Bern.
In Abbildung 6 kann man einige alte Firn-Messungen von der Law Dome Bohrstelle DSS (die die in NEEM in zwei Bohrlöchern, einem europäischen und einem amerikanischen von Jakob Schwander gemessen wurden, müssen noch ein letztes Mal gecheckt werden, sehen aber im Prinzip ganz ähnlich aus) verschiedener Gase zusammen mit den von einem Diffusionsmodell für diese Gase berechneten Tiefen-gradienten sehen. Diese Resultate erlauben mehrere Schlussfolgerungen:
Abbildung 6: Messungen verschiedener atmosphärischer Gase und ihrer Isotope und zum Vergleich das Resultat eines Firn-Diffusions-Modell angetrieben mit dem jeweiligen atmosphärischen Konzentrationsverlauf der letzten Dekaden. Trudinger et al. JGR, 2002.
1) Jeder Messpunkt enthält Moleküle, die teils jünger und teils älter sind, also eine Art Altersprofil haben. Beim CO2 ist der unterste Messwert ca. 310ppm, einem Niveau kurz bevor Keeling 1958 angefangen hat zu messen. Auch dieser Wert hat sein Altersprofil und entspricht somit (auch) dem Wert der frühen 50/späten 40er Jahren.
2) Das Diffusionsmodell ist ausgesprochen erfolgreich. Es gibt ziemlich unterschiedliche Gasprofile wieder: Vom 14C atomaren Bombensignal bis zum industriell produzierten SF6. Es ist nicht nur physikalisch sauber formuliert, sondern somit vielfach unter unterschiedlichen Bedingungen getestet.
3) Um dieses CO2 Profil zu erhalten, wurde das Diffusionsmodel mit den beobachteten CO2 Background Konzentrationen (Keeling) gefüttert. Die Firn-Messungen und die Keeling Messungen bestätigen also einander gegenseitig. Was auch immer an Problemen (die z.B. Prof.Franck und andere sehen) mit dem CO2 im Eis passieren möge, es kann NICHT im Firn passiert sein und somit auch nicht in den letzten ca. 50-60 Jahren.
4) Diese Aussage ist sogar für Grönland richtig. Grönländisches Eis hat, wie ich noch berichten werde, Probleme das CO2 Signal auf Dauer zu speichern. Aber zumindest im Firn ist es bis in eine Tiefe von ca 75 Metern (und somit genau wie bei der obigen Law Dome Messung über die letzten 50-60 Jahre) ohne Probleme aufbewahrt.
Im nächsten Post zum Thema “CO2 Historie und das Eis” werde ich über den Übergang der Gase ins Eis und die verschiedenen Kerne, die eine Rekonstruktion der atmosphärischen CO2 Historie erlauben, berichten.
Kommentare (16)