Vor kurzem war ich zu einer Panel Diskussion zum Thema “Klimaflüchtlinge” nach Bobigny geladen worden. Dort fand ein viertägiges, ja wie soll man sagen, Festival/Austellung/Meeting zum Thema Ökologie/nachhaltige Ökonomie/etc. mit dem Namen Terren-en-Tête statt. Bevor es mit der Diskussion los ging, war ich nur kurz in einem der Austellungszelte, in der eine wilde Mischung aus NGOs, Jugendverbänden, Schulen, ein paar Forschungseinrichtungen wie das INRA, aber auch meinethalben der Verband der Wärmekopplungshersteller ihre Stände bezogen hatten. Es war ziemlich gut besucht, nicht zuletzt weil alle Schulen aus dem Umfeld dorthin geschlört wurden.
Eine französische Spezialität , die mich immer wieder verwundert, ist die schier grenzenlose zumindest institutionelle Toleranz bei solchen Veranstaltungen. Da steht der Greenpeace-Stand (gegen CO2 Sequestrierung, gegen Biotreibstoffe, gegen Kernenergie, pro Sparen, Sparen,Sparen) direkt neben dem ADEME Stand (ADEME ist hier verantwortlich für Endlagerung und propagiert ganz stark (auch durch Forschungsprojekte mit unseren und ähnlichen Labors) die Kernkraft als Lösung des CO2 Problems. Soweit ich weiss, ist alles ganz friedlich ausgegangen, aber man stelle sich einmal eine solche Kombination (Greenpeace hier und Siemens Kernkraft dort) in Deutschland vor.
Bild 1:Überschwemmungsopfer in Bangladesh
Ein paar Worte zur Diskussion: Klimaflüchtling ist die Fortschreibung des Begriffs “environmental refugee”, welcher in den 70ern vom Worldwatch Institut eingeführt wurde. Der erste “offizielle” Text, der diesen Begriff “environmental erfugee” erklärt und weiter verwendet ist ein Positionspaper des United Nations Environment Programme (E.El-Hinnawi, 1980). Das eigentliche Thema “Klimaflüchtlinge”, also eine Art Weiterentwicklung des “environmental refugee” wurde wohl von einer französischen Reporter Gruppe ARGOS eingeführt, die um dieses Thema eine Mischung aus Video-,Photo- und herkömmlichen Reportagen gestartet hat (hier ist deren Webseite mit vielen wirklich guten Fotos zum Thema, Aude Roux, einer der Mitbegründer von ARGOS war ebenfalls bei der Diskussion anwesend). Alles in allem bin ich mir nicht sicher, inwieweit ein solcher Begriff politisch oder praktisch den betroffenen “Klimaflüchtlingen” hilft oder inwieweit man ihn überhaupt sauber definieren kann. Die UNO kennt bislang praktisch nur Flüchtlinge aus mehr oder minder “politisch/sozialen” Motiven und hat in ihrer Charta entsprechende Schutzmassnahmen vorgesehen (“forced migration”). Schon dabei gibt es jedesmal ein Riesen-Hickhack und die UNHCR muss sich mächtig ins Zeug legen, grössere “Migrationsströme” gegenüber den Staaten, die am meisten betroffen sind, anerkennen zu lassen.
Der Stempel “Klima-Flüchtling” hätte weitreichende rechtliche Konsequenzen und gerade in den USA, dem Land, in dem sogar davor gewarnt werden muss, dass der Kaffee möglicherweise heiss ist, könnte leicht jemand daraufkommen, die Verantwortlichen für solche “Environmental Migrations” zu verklagen. Jim Hansen scheint tatsächlich schon einmal in diese Richtung gedacht haben. So sehr ich den Betroffenen sicher wünsche, dass Ihnen auch finanziell geholfen wird, habe ich doch den Eindruck, dass solche Änderungen internationalen Rechts nicht hilfreich sind und gerade in den USA wieder allergische Reaktionen hervorrufen würden.
Ein weiteres Problem, auf das ich auch bei der Diskussion aufmerksam gemacht habe, ist, wie man die heillos komplizierte Ursachen-Wirkungskette, die zur Flucht der Betroffenen führte, auseinanderdividieren will. Die Flüchtlinge im Darfour sind 1) Opfer ethnisch/religiöser Konflike, die 2) von einer skrupellosen Zentral-Regierung angefeuert wurden. Die vermeintlich ethnisch/religiösen Konflikte kaschieren aber zumindest teilweise 3) einen Konflikt zwischen Farmern und Hirten, die wiederum 4) deshalb verschärft auftreten, weil das verfügbare Wasser in der Region knapper geworden ist. Insbesondere dieser Punkt würde die Flüchtlinge im Sudan somit zumindestens teilweise zu “Environmental Refugees” machen. Ich möchte da kein Gutachten schreiben, was am Ende darüber entscheidet, wie und in welcher Form den Opfern, die ihre Heimat verloren haben, nun geholfen wird.
Bild 2: Flüchtlingslager in Darfour.
Zur Zeit schätzt die UNHCR ungefähr 24 Millionen Menschen als “Environmental Refugees” ein, die meisten als Folge von Desertifizierung von vormals Agrarflächen und von zunehmenden Überschwemmungen, wie im Brahmaputra Delta in Bagladesh. Mehrere Studien (Myers 2002, 2005 und andere) gehen von einer baldigen (2010) Verdoppelung ihrer Anzahl und von bis zu 200 Millionen solcher Flüchtlinge bis zum Jahr 2050 aus. Ich habe in einer dieser Studien mal hereingeschaut und kann ohne Zweifel nicht Fundiertes dazu sagen. Für einen Naturwissenschaftler scheinen diese Studien aus sehr subjektive Abschätzungen zu bestehen, die aber möglicherweise auf sehr viel praktischer Erfahrung, also schlichter Empirie, basieren.
Mehr Informationen zum Thema gibt es insbesondere in dem gründlich recherchierten Wiki-Artikel “climate refugee” und in den folgenden Quellen:
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