Wir haben ja hier auf ScienceBlogs eine Serie über den Nobelpreis und seinen Träger. Es handelt sich um ein Langzeitprojekt, bei dem alle (noch lebenden) Preisträger porträtiert und unter anderem zu einer Art Pirelli Kalender für Intellektuelle zusammengefasst werden sollen. Ich selbst kann jetzt so direkt nicht viel mit einem Kalender mit Nobelpreis-Trägern anfangen, aber Gott, wer bin ich schon. In La Recherche, dem grössten französischen Wissenschafts-Journal, welches sich an ein breites Publikum wendet, gab es letzten Monat ein Nobelpreis-Spezial, wobei ich dort einen Artikel über die dunkle Seite des Planeten Nobel besonders interessant fand.
Hier hatte ich schon einmal meine Überzeugung kundgetan, dass Wissenschaftler ein ganz normales « Produkt » ihrer Gesellschaft sind, mit allen Stärken und Schwächen. Das zeigt sich in der Tat auch auf Nobelpreis-Niveau und La Recherche gab einige überraschende und einige den meisten hier bekannte Beispiele.
Fritz Haber, 2ter von links, bei der Vorbereitung eines Giftgasangriffs.
Bekannt ist sicher die Rolle, die Fritz Haber im ersten Weltkrieg bei der Entwicklung und Organisation der deutschen Giftgas-Produktion hatte. Er selbst war massgeblich an der industriellen Produktion von Senfgas (oder Yperite wie es die Franzosen nach der Schlacht bei Ypres, in der es erstmals zum Einsatz kam, nennen) beteiligt. Sein Nationalismus war bis zum Kriegsende ungebrochen, ja er plante sogar für die Zeit nach dem Krieg seine waffentechnischen Arbeiten am damaligen Kaiser Wilhelm Institut fortzuführen. Doch trotz alledem und obwohl er offiziell auf die Liste der deutschen Kriegsverbrecher von den Alliierten gesetzt wurde, wurde ihm 1918 zum Kriegsende der Nobelpreis für Chemie unter anderen für die Entwicklung der Ammoniak-Synthese im sogenannten Haber-Bosch Verfahren verliehen. Den Zeitpunkt der Nobelpreisvergabe an ihn kann man wohl nur als etwas unglücklich bezeichnen.
Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen. Zitat Lorenz 1938: Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist
Doch die Liste der Nobelpreis-Träger mit fragwürdigen Ansichten und fragwürdigen sonstigen Meriten ist noch deutlich länger. Konrad Lorenz, Alexis Carrel oder Charles Richet (alle Medizin Nobelpreis) haben deutlich rassistische Ansichten vertreten und sich für eine eliminatorische Eugenik eingesetzt. Doch nicht nur bei den Medizinern ist’s bisweilen zappenduster, auch bei den Physikern und Biologen gibt’s genug böse Überraschungen. William Shockley (Nobelpreis für Physik für seine Beteiligung an der Transistorentwicklung) hat sich mit rassistischen Äusserungen zur Intelligenz der « Schwarzen » hervorgetan und zur Hebung der allgemeinen Intelligenz seine Spermien der Nachwelt schockgefrieren lassen (das erinnert schon ziemlich stark an die Figur des General Ripper in Dr. Strangelove).
Bekannt sind sicher auch die anti-semitischen Ausbrüche der beiden deutschen Experimentalphysiker und Nobelpreisträgern Philipp Lenard und Johannes Stark, die sich im Kampf um Macht und Posten aufs Engste an den Nationalsozialismus anschmiegten.
Und doch und doch, schaut man in das Testament Alfred Nobels (was natürlich nicht ich, sondern La Recherche getan hat), dann wird darin ausdrücklich betont, dass mit diesem Preis nicht die allgemeine Persönlichkeit ausgezeichnet werden sollte, sondern die singuläre Entdeckung und ihr Entdecker. Wäre es nämlich so, dass das allgemein Gute, Schöne und Geniale ausgezeichnet würde, hätte Richard Feynman und Albert Einstein sicher jeder 5 Nobelpreise abräumen müssen. Von daher habe ich keinerlei Probleme mit einem Physik Nobelpreis für jemanden, mit dessen politischen oder sonstigen Vorstellungen ich nun nicht gerade übereinstimme. Von den oben genannten hätte ich wahrscheinlich nur Haber seinen Preis nicht gegeben, und zwar hauptsächlich weil er zum Zeitpunkt der Übergabe als Kriegsverbrecher aufgelistet war.
Eine andere Frage ist natürlich, ob das Kommitee sich jemals schon richtig verhauen hat und den Preis für fragwürdige, gefälschte oder falsch interpretierte Experimente vergeben hat. Allgemein gelten da wohl nur zwei Preise als etwas verdächtig, eine sehr gute Quote, die wohl hauptsächlich daher rührt, dass man in Stockholm gern ein paar Dekaden ins Land ziehen lässt, um sicher zu gehen, dass man da nicht aufs falsche Pferd gesetzt hat. Diese Strategie liess ja dann auch Donald Cram (Chemie Nobelpreis 1987) sagen, dass die wichtigste Eigenschaft eines Nobelpreisträgers seine Langlebigkeit ist.
Zurück zu den beiden Nobelflops : die beiden etwas verdächtigen Preise sind beide in der Medizin vergeben worden und zwar einmal 1927 an Johannes Fibiger, der wohl meinte die erste durch externe Infektion (Fadenwürmer) verursachte Form von Krebs gefunden zu haben. Sein Versuchsanalyse aber übersah, dass die karzinogen gepuschten Ratten ausser an der Fadenwürmer-Infektion auch an Vitamin A Mangel litten. Der zweite Fall ist der des Portigiesen Antonio Moniz, der erste der « erfolgreich » Lobotomien (also die Trennung des Cortex vom Thalamus) im Falle schwerer Psychose einsetzte.
Antonio Caetano de Abreu Freire Egas Moniz: “for his discovery of the therapeutic value of leucotomy in certain psychoses”
Allein das Resultat der Operation war häufig schlimmer als die ursprüngliche Erkrankung. 50.000 Lobotomie Operationen wurden danach bis in die 60er Jahre durchgeführt, eine Vereinigung der Familien der Opfer dieser Behandlungsweise forderte energisch die Aberkennung des Preises an Moniz.
Nun ja und meine ganz persönliche Entäuschung unter den Nobelpreisträgern ist sicher Ivar Giaever (1973, Physik Nobelpreis für Tunneleffekte in Supraleitern), der sich mehrmals bei Diskussionen als « Klimaskeptiker » betätigte. Keine Schande und nicht weiter tragisch. Nur seine Argumente sind dabei so offensichtlich aus dem Internet zusammengegoogelt und so ohne eigene Überlegung, die meinethalben auch falsch sein kann, aber doch wenigstens neu und originell und irgendwie “Nobel-like” sein sollte, dass ich schon ziemlich enttäuscht war. So oder so, alles nur allzu menschlich und vertraut, vertrauter und näher als es das schwedische Zeremonie und der Fan-Klub der Nobelpreisträger in Lindau es vielleicht manchmal erscheinen lassen.
PS. Und zum Schluss mein Nobel Lieblingsvideo. Das Nobel Banquet im Zeitraffer, entweder hier oder direkt für den Realplayer.
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