Ich hatte hier erläutert, wie Gasmessungen im Firn, sei es in Grönland oder in der Antarktis durchgeführt werden. Das ebenfalls bereits gezeigte Schema (Abbildung 1) sollte dabei veranschaulichen, wie die Gase erst im Firn eingeschlossen werden, darin diffundieren und schliesslich in der Eismatrix eingelagert werden. Die je nach Temperatur- und Firnverhältnissen ca 50-70 Meter lange diffusive Säule mischt also Gase unterschiedlicher Alter. Während an der Oberfläche fast nur die atmosphärische Zusammensetzung der letzten paar Jahre zu sehen ist, werden kurz vorm Eiseinschluss in 60 Metern die Konzentrationen vieler Gasalter gemischt. Dieses Diffusions-Modell (wie ich ebenfalls hier erklärt habe) wird mittels bekannter Konzentrationsverläufe atmosphärischer Gase (wie CFCs) “getunt” (das heisst die entsprechenden Diffusionsparameter optimiert) und dann auf Gase angewandt, deren Verlauf in der Vergangenheit nicht so gut bekannt ist. So weit, so gut.

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Abbildung 1: Schema des Gaseinschluss im Eis. Auf eine gut ventilierte Schicht von einigen Metern folgt eine diffusiv-poröse Schicht von teils über 70 Metern, in der die Luft langsam (10-30 Jahre) diffundiert. Für die Grafik Dank an Amaelle Landais.

Das kalibrierte Modell kann aber auch umgekehrt dazu benutzt werden, festzustellen welche Gasalter in jeder Eistiefe eigentlich vorliegen (und nicht nur dazu, wie in Abb.6 hier gezeigt, einen Zusammenhang zwischen einem zeitlichen Konzentrationsverlauf eines Gases und seiner Konzentration im Firn herzustellen). Trudinger et al. fanden z.B für die Firnmessungen an der Law Dome (Antarktis) Bohrstelle DSS eine Altersverteilung wie in Abbildung 2 gezeigt heraus. Qualitativ entspricht also diese berechnete Altersverteilung genau dem, was ich oben andeute. Oben fast nur rezente Gaskonzentrationen, unten eine Mischung verschiedener Alter. An einer Stelle auf dem antarktischen Eis mit einer relativ hohen Ackkumulation kann man also sehr schön zwar nicht einzelne Jahre aber doch nur wenige Dekaden der Gaskonzentration auflösen. So liegt also in einer Tiefe von ungefähr 52 Meter (nicht mehr weit vom vollstaendigen Firnabschluss entfernt) ein Gasgemisch vor, das im wesentlichen dem Zeitintervall 1925-1955 beschreibt.

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Abbildung 2: Altersverteilung der Gase in einer bestimmten Tiefe (von 30-etwas ueber 50 Meter) berechnet mit dem Firn-Diffusions Modell von Trudinger et al , 2002. In einer Tiefe von z.B. 52 Metern ist an der Law Dome Bohrstelle DSS ein Gasgemisch der Jahre 1920-1950 enthalten.

Erinnert man sich an die Diskussion um die angeblichen wilden CO2 Variationen in den 40er Jahren, wie sie vom Biologie-Lehrer E.G.Beck veröffentlicht und an der Uni Bayreuth vorgestellt wurden, so kann man sicher sagen, dass das Fehlen jeder grösseren Schwankung in den Firn-CO2-Messungen (siehe den ersten Beitrag hier, Abb. 6) schon fast ein Beweis sind, dass diese Schwankungen nicht stattgefunden haben können. Die untersten Firnmessungen entsprechen genau der Zeit in der Beck eine Variation von 100ppm in ca 10 Jahren postuliert hatte. Aber sein wir grosszügig (und halten wir das Spiel noch ein wenig am Leben): Die untersten Altersverteilungen hängen doch sehr empfindlich von der Kalibrierung der Diffusionsparameter im oberen Teil der Diffusionssäule ab. Es wäre sicher sicherer, wenn man noch weiter in der Zeit zurückgehen könnte. Leider gibt es praktisch keine Stellen, weder in der Antarktis, noch sonstwo, in der man bei ungefähr gleicher Zeitauflösung für die Gase (also ein/zwei Dekaden) noch weiter in der Zeit zurückgehen könnte. Bleibt nichts anderes als sich die Gaskonzentration IM EIS anzuschauen und damit fangen eine ganze Reihe messtechnischer und theoretischer Probleme an, die ich in folgenden Posts noch behandeln werde. Das Allereinfachste aber ist doch erstmal nachzuschauen, ob die Firn-Gasmessungen mit den Eisgasmessungen übereinstimmen. Das ist zumindest der erste notwendige Test, um später die noch tiefer liegenden Eismessungen auch interpretieren zu können.

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Abbildung 3: Firn und Eis CO2 Messungen im oder nahe dem Übergang der Gase von Firn-Bläschen in die EIsmatrix. Die Messungen stammen von drei Bohrstellen vom antarktischen Law Dome (aus Ehleringer et al., 1996).

Abbildung 3 (Figure 2 aus Etheridge et al., 1996) zeigt den Vergleich der Eis und der Firnmessungen. Innerhalb weniger ppms sind die beiden identisch und der Eis-Firn Übergang an sich scheint also kein Problem darzustellen. Es gibt also eine kontinuierliche CO2 Kurve über die letzten Firnmessungen, die einen Zeitbereich von ca 1920-1950 abdeckten, hinaus. Beim nächsten Mal mehr zu den eigentlichen Eismessungen, den verschiedenen Techniken und den verschiedenen Bohrstellen, an denen bislang CO2 gemessen wurde.

Literatur:

Ehleringer et al., JGR, 1996, Natural and anthropogenic hanges in atmospheric CO2 over
the last 1000 years from air in Antarctic ice and firn.

Trudinger et al., JGR, 2002, Reconstructing atmospheric histories from
measurements of air composition in firn

Diffusionsmodelle:

Trudinger, C. M., I. G. Enting, D. M. Etheridge, R. J. Francey, V. A.
Levchenko, L. P. Steele, D. Raynaud, and L. Arnaud, Modeling air movement
and bubble trapping in firn, J. Geophys. Res., 102, 6747- 6763,
1997.

Schwander, J., B. Stauffer, and A. Sigg, Air mixing in firn and the age of
the air at pore close-off, Ann. Glaciol., 10, 141- 145, 1988.

Kommentare (5)

  1. #1 Wolfgang Flamme
    November 9, 2008

    Schön zusammengestellt und erläutert, wirklich.

    Noch eine Frage zu: “Die untersten Altersverteilungen hängen doch sehr empfindlich von der Kalibrierung der Diffusionsparameter im oberen Teil der Diffusionssäule ab.”

    Ich hatte ja schon erklärt, daß mir in diesen Fragen ein ‘ausgewachsenes’ Diffusionsmodell zum Spielen fehlt, leider… Deshalb die Frage nach dieser Empfindlichkeit und auch der Empfindlichkeit der Diffusion bzgl. der Poreneigenschaften des Firns. Damit Beck sich aus den Widersprüchen wenigstens zum Teil herauswinden könnte, müßte er ja wohl folgendes annehmen:

    a) eine Diffusionsbarriere um ~1950 (zB melt layer), die verhindert hat, daß seine höheren Konzentrationen noch in den darüberliegenden Firnschichten auftauchen,
    b) eine hohe Porosität der darunterliegenden Firnschichten bis etwa 1870 und
    c) darunter nochmal eine Diffusionsbarriere, damit ‘sein’ anderer Peak von vor 1860 nicht in die spätere Schicht verschleppt wird.

    MaW er müßte im Firn einen gegenüber höheren und tieferen Schichten isolierten, porösen Bereich von etwa 1870..1950 behaupten, über den sich seine 1940er Spitze weiträumig verteilt hätte, so daß im Nachhinein keine so außerordentlich hohen Konzentraionen in diesem Bereich festzustellen sind.

    Sehe ich das iw richtig oder mache ich da irgendwo einen logischen Fehler? Welche anderen Erklärungen wären logisch möglich (wenn auch nicht unbedingt wahrscheinlich)?

  2. #2 Georg Hoffmann
    November 12, 2008

    @Flamme
    “a) eine Diffusionsbarriere um ~1950 (zB melt layer), die verhindert hat, daß seine höheren Konzentrationen noch in den darüberliegenden Firnschichten auftauchen,”
    Unmöglich. Ich habe noch keine wirklich vollstaendige Liste aller Firn-Messungen, aber allein NEEM in Groenland und Law Dome in der Antarktis (die sich beide bzgl der CO2 im unteren Firn sehr aehneln, haben nicht den mindesten Grund in der gleichen Tiefe einen vereisten Meltlayer zu haben.
    “b) eine hohe Porosität der darunterliegenden Firnschichten bis etwa 1870 und
    c) darunter nochmal eine Diffusionsbarriere, damit ‘sein’ anderer Peak von vor 1860 nicht in die spätere Schicht verschleppt wird.b) eine hohe Porosität der darunterliegenden Firnschichten bis etwa 1870 und
    c) darunter nochmal eine Diffusionsbarriere, damit ‘sein’ anderer Peak von vor 1860 nicht in die spätere Schicht verschleppt wird.”
    Nu ja. Das und dann noch an jeder Stelle, wo wir gemessen haben… Ist vielleicht alles n bueschen viel, oder? Selbst wenn diese aussergewoehnliche Kombination von Meltlayern und Porositätsänderungen tatsächlich ein globales Phaenomen waere, muesste man nochmal die eigentlichen Diffusionsgleichunge anschauen, um zu sehen, dass das wirklich ausreicht um Becks 100ppm zu verstecken. Alles zusammen genommen: sehr sehr unwahrscheinlich.

  3. #3 Wolfgang Flamme
    November 14, 2008

    Naja, zunächst wollte ich noch gar nicht darüber reden, wie lange sich Occam dann schon nicht mehr rasiert haben müßte, ich wollte erstmal nur wissen, ob meine Schlußfolgerungen rein theoretisch zutreffend sind und ob es prinzipiell noch andere Erklärungsmöglichkeiten gäbe, an die ich nicht gedacht habe.

  4. #4 Eli Rabett
    November 16, 2008

    Dafür brauchen Sie einen Mechanismus, oder sagen Sie einfach, “hier tritt ein Wunder”

  5. #5 Günstige Kasacks
    Oktober 20, 2019

    Vielen Dank für den tollen Artikel.

    https://www.schwestern-kittel.de