Josef H. Reichholf ist Professor für Zoologie an der Ludwig Maximilians Universität und/oder an der TU München, so genau konnte ich das nicht rauskriegen (kann jemand seine HomePage an diesen Instituten finden?). Er arbeitet ferner als Hauptkonservator an der Zoologischen Staatssammlung München. In den letzten Jahren gab er eine grosze Zahl von allgemeinwissenschaftlichen Vorträgen im weitesten Sinne zum Thema Umwelt und veröffentlichte zunehmend Texte, die ich mal als universalwissenschaftlich/philosophisch qualifizieren möchte. Zoologie ist es jedenfalls nicht. Aber anscheinend dehnt er seine Expertise in letzter Zeit weiter aus und so wurde er in der FAZ bereits so vorgestellt: “Ein Gespräch mit dem Biologen und Klimahistoriker über die Vorzüge warmer Klimaphasen.”
Klimahistoriker also.
Bild1: Professor Reichholf, Biologe und Klimahistoriker gemäss FAZ.
Ich werde in Kürze hier auf primaklima sein letztes Buch “Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends”, erschienen bei Fischer, auf seine klimarelevanten Teile abklopfen. Hier aber nur ein paar Anmerkungen zu einigen Folien zum Thema Klimawandel, die Professor Reichholf bei einem Vortrag in der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft aufgelegt hat. Reichholf teilte sich bei seinem Vortrag beim zehnten Hayek Tag in Freiburg (26./27. Juni 2008) die Aufmerksamkeit des Auditoriums zum Thema Umweltschutz und Klimawandel mit Edgar Gärtner und Michael Mirsch. Offensichtlich waren die Organisatoren sehr um Ausgewogenheit bemüht. Alle drei Redner habe den erfrischend originellen Ansatz, dass Umweltschutz uns an den Rand des Ruins in einer totalitären Gesellschaft (als wenn eins von beiden nicht schon genug wäre !) führen wird. In den Worten Reichholfs:
“Prominente Vertreter des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)
haben extreme Ideologien geäußert, wie die Notwendigkeit einer diktatorischen
Weltregierung und ‚gleiche CO2-Rationen pro Kopf für alle Menschen’. Der in
Gang gekommene Kreuzzug gegen den Klimawandel stellt ähnlich wie im
Spätmittelalter eine pseudo-religiöse Weltuntergangs-Wahnvorstellung dar; die
politisch bereits praktizierten Methoden entsprechen einem ‚Ablasshandel’ und
‚Flagellanten’ bahnen den Weg in ein neues Mittelalter.”
Es ist daher auch nicht überraschend, dass bei einer solchen Bedrohung (diktatorische Weltregierung, Gang ins Mittelalter) der Versuch, die Wissenschaft zum Thema Klimawandel zu betrachten, nur dekoratives Beiwerk sein kann. Wer politisch meint einer totalitären Bedrohung gegenüberzustehen, der wird sich nicht mehr die Zeit nehmen, die wissenschaftlichen Belege zu betrachten. Reichholf zeigt zuerst die Kurve der globalen Erwärmung vom CRU Datensatz, die ich auch hier schon öfters gezeigt habe. Pfeile auf der Y-Achse weisen auf die winzigen, winzigen Temperatur-Variationen hin, die dort zu beobachten sind: 0.6°C Erwärmung, ein Nichts. Wie kann man sehen, dass es sich um eine irrelevante Temperatursteigerung handelt? Der nächste Graph zeigt Ergebnisse des GRIP Eisbohrkerns (eine auf einem Isotopen-Proxie basierende Temperaturrekonstruktion) die mit im Vergleich zur globalen Kurve riesigen Variationen in den letzten 20.000 Jahren aufweist. Der erwünschte Eindruck ist klar: Was in den letzten Jahre passierte ist doch nur ein Fliegendreck.
Was ist daran alles falsch und bewusst irreführend? 1) Er vergleicht einen globalen Datensatz mit einem lokalen. Letzterer muss schon aus rein mathematischen Gründen stärker schwanken als der Mittelwert. 2) Der nördliche Nordatlantik ist in unzähligen Studien als eine Achilles Ferse des Klima-Systems beschrieben worden. Relativ abrupte Änderungen der Tiefenwasserproduktion im Nordatlantik führen zu sehr schnellen und sehr grossen regionalen Klimaänderungen. Reichholf vergleicht die globale Erwärmung des letzten Jahrhunderts also nicht nur mit irgendeinem regionalen Rekord, sondern mit demjenigen Rekord, der auf Erden wohl am stärksten schwankt. 3) Die Zeitskala ist völlig verschieden. Was Reichholf, ohne es zu erwähnen, darstellt, ist, dass Klimaschwankungen sich wie rotes Rauschen darstellen, d.h. je länger die betrachtete Zeitskala, umso grösser die Schwankungen.
Tatsächlich, wenn man denn die rezente globale Erwärmung mit grossen Schwankungen der Vergangenheit vergleichen will, war es zum letzten glazialen Maximum etwa 5°C global kälter, womit die mittlerweile beobachtete Erwärmung des 20ten Jhd. von +0.76°C (nicht 0.6°C wie Reichholf sagt, siehe IPCC) schon nicht mehr ganz so winzig erscheinen. Ganz zu schweigen von den prognostizierten 2°C-4°C Erwärmung bis 2100.
Graphik 1: Prof Reichholfs statistische Analyse der Hohenpeissenberg Temperaturzeitreihe: Kein statistisch signifikanter Trend. Siehe hier.
Und dann zum krönenden Abschluss zeigt Reichholf die obige Graphik (Graphik 1) mit der Überschrift “Kein Erwärmungstrend im Sommer”. Sie zeigt die Sommer Temperaturen in Hohenpeissenberg (Allgäu, hmm, besser bayerisches Obeland) seit 1780. Keine signifikante Erwärmung. In der wohl einzigen von ihm selbst erstellten Abbildung eine Explosion von strawmen und red herrings. Redet man von global warming, was hat das mit Hohenpeissenberg zu tun? Warum Sommer-Temperaturen? Die Treibhausgase wirken das ganze Jahr über und positive Feedbacks (Schnee-Albedo) werden eher im Winter vermutet (IPCC). Aber vor allem: Warum Signifikanz von einem Erwärmungstrend seit 1780 suchen? Alle IPCC Berichte sprechen von einem aus dem Rauschen der natürlichen Klimaforcings (Sonne, Vulkane, interne Variabilität) herausragenden Signal seit ungefähr den 1970er Jahren.
Wie eigenartig diese Reichholfsche Darstellungsweise ist, wird in den beiden folgenden Graphen klar. Zuerst mal das, was jeder schon weiss. Mittel- und Westeuropa ist seit einigen Dekaden über dem Langzeit-Niveau der gesamten Messperiode. Das gilt für alle verfügbaren langen Zeitserien wie DeBilt oder Central England.
Graphik 2: Hohenpeissenberg Jahresmitteltemperatur seit 1780 geglättet mit multi-dekadischem Filter.
Ferner kann man auch mal in halbwegs sinnvoller Weise nach klimatischen Trends suchen. Klimatische Trends sind recht gut definiert über ein Zeitintervall von 30 Jahren, doch meistens sind auch schon 20 Jahrestrends relativ stabil. Ich habe daher mal für die Hohenpeissenberg Sommer- und Jahresmittelwerte die 30-jährigen Trends ausgerechnet. Sieht man von der Zeit 1780-1810 ab, ist der Trend der letzten Jahrzehnte für Sommer wie Jahresmittel der grösste der gesamten Zeitserie. Die Unsicherheit des Trends ist in Graphik 3 mit eingezeichnet und man kann, wenn man es denn wirklich genau machen will, ausrechnen, mit welcher Signifikanz der Trend der letzten 30 Jahre vom nächstgrösseren Trend (irgendwann in den 90er Jahren des 19ten Jhd) verschieden ist.
Graphik 3: 30 Jahrestrends (Sommer und Jahresmittel) berechnet für Hohenpeissenberg (Y-achse entspricht dem dekadischen Trend). Die Error Bars geben die zweifache Standardabweichung (2 sigma) an.
Selbstverständlich beweist dies nicht, dass in Hohenpeissenberg nun global warming tobt, aber es ist zumindest eine halbwegs sinnvolle Art und Weise sich eine solche Zeitserie anzuschauen. Wer noch einen Schritt weitergehen will, könnte sich auch noch anschauen, wie zuverlässig die ersten Messungen (bis 1820) der zentraleuropäischen Stationen sind (nämlich nicht besonders). Reichholf jedenfalls wollte weder eine einfache Analyse (die eben zeigt, dass wir momentan die grössten je gemessenen Erwärmungstrends (Graphik 3) bei den höchsten Absoluttemperaturen (Graphik 2) in Westeuropa und eben auch in Hohenpeissenberg erleben) noch eine detaillierte. Er hat weder einen Blick in die einschlägige Literatur geworfen, noch hat er selbst auch nur eine oberflächliche Zeitserienanalyse auf Vordiplomsniveau durchgeführt.
Bleibt abschliessend die Frage, was die Hayek Gesellschaft antreibt, drei Dozenten zum Thema Klimawandel und Umweltschutz einzuladen, von denen keiner je zum Thema gearbeitet oder gar wissenschaftlich veröffentlicht hat, und es dann damit gut sein zu lassen. Wie heisst es im Résumé der Veranstaltung doch so schön: “Eine echte Herausforderung waren die Thesen des Symposiums zum Thema „Umweltpolitik und Freiheit, das sich kritisch mit der derzeitigen Klimahysterie auseinandersetzte.” “ Eine Herausforderung mit viel Freiheit eben.
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