Ich dachte mir, ein paar Impressionen, aus dem Klimaforscher-Alltag wären mal ganz nett. In den Jahren 2000/2001 konnte ich zweimal an Eisbohrungen in Südamerika teilnehmen. Meine Verbindung zu dem Thema Klimaschwankungen in Südamerika war bis dahin eher lose, aber ich hatte im selben Jahr in Zusammenarbeit mit dem französischen wissenschaftlichen Auslandsdienst , IRD, die Betreuung einer Doktorarbeit übernommen, die die Interpretation der Wasserisotopen in den Anden zum Ziel setzte. Mein damaliger Doktorand, Edson Ramirez, stammt aus La Paz, Hauptstadt von Bolivien und hatte dort bereits mit dem IRD zusammengearbeitet. Mittlerweile ist er an der Universität La Paz tätig und hat es sogar mit Familienfotos zur BBC und USA Today geschafft.
Bild 1: Der Chimborazo zu Humboldts Zeiten gemalt von Georg Weitsch (1810)
Wir sahen uns ein bisschen in Konkurenz zum berühmten Lonnie Thompson, der mit tropischen Eiskernen schon vor langer Zeit begonnen und viel Furore gemacht hatte. Mit einer unglaublichen Energie und, ich glaube Lonnie wäre mit dem Ausdruck einverstanden, Starrköpfigkeit hat er in den 90ern bewiesen, dass es möglich ist Eis von den höchsten Gipfeln der Welt herunterzuholen. Ein Dutzend Science Artikel zeugen von dem wissenschaftlichen Durchbruch, den seine Arbeiten bedeuteten.
Bild 2: Der Aufstieg zum Chimbo.
Unser Ziel war der mythische Berg der Deutschen in den Anden, der Chimborazo. Alexander von Humboldt hatte 1802 den suizidär anmutenden, tollkühnen Versuch unternommen diesen 6310 Meter hohen Anden-Riesen zu besteigen, und zwar ohne irgendwelche relevante Bergausrüstung, zumindest nach heutigen Standards.
Bild 3: Der Abendschatten des Chimbo.
Die Szene ist fantastisch beschrieben in Daniel Kehlmanns Roman “Die Vermessung der Welt”. Für echte Bergprofis hat der Berg heute keine grossen Herausforderungen mehr und der Friedhof der Berghütte ist wohl hauptsächlich mit Touristen bestückt, die es zu wild getrieben haben.
Bild 4: Der Tungurahua bricht aus. Nur 40 km vom Chimborazo entfernt wirft sein Ascheregen ein schwarzes Tuch ueber den Chimborazo. Die Sage will, dass der Tungurahua eine Sie ist und dies aus brennender Eifersucht täte.
Davon gibt es allerdings einen ganzen Haufen. Man feiert gerne durch in Quito, um dann im Morgengrauen am Chimborazo aufzutauchen und “mal schnell” hochzuhatzen. Hat sich halt viel geändert seit Humboldts Zeiten.
Bild 5: Die Penitentes verstellen den Weg und verwandeln den Gipfel des Chimborazo in ein Labyrinth.
Das erste Mal, als ich dort war, hatte deutlich mehr Abenteuer enthalten als beim zweiten Mal. Alles schien mir als Outsider überraschend improvisiert. Im letzten Moment tauchte zum Beispiel ein französischer IRD Kollege auf, der gerade drei Monate im ecuadorianischen Dschungel verbracht hatte, um Pflanzen für ein grosses Genetikprojekt zu sammeln.
Bild 6: Unsere Zelte verschwinden fast zwischen all den Penitentes.
Spontan wollte er von 100Meter im Amazonasbecken auf 6000 Meter hoch, was nicht ganz so gut ging. In der ersten Nacht, noch praktisch bei der Berghütte, spuckte er Blut und Erbrochenes in unserem Zelt herum. Nicht weiter tragisch für mich, da ich völlig erschöpft von all dem nichts mitbekommen habe.
Bild 7: Das Bohrzelt, eine Spezialanfertigung.
Die Fotos insbesondere oben auf dem Chimborazo sind von Edson (bei der zweiten Tiefenbohrung) und zeigen die ganze Schönheit der Andenriesen. Abends fällt der Schatten des Bergs weit auf das Amazonasbecken. Die Eislandschaft dort oben ist bestimmt von den sogenannten Penitentes, Eiszapfen die teils bis zu zwei/drei Meter hoch werden. Wie die Sünder im Fegefeuer (Penitentes) stehen sie starr in der Sonne und können sich nicht rühren. Wir mussten uns teils mit Äxten den Weg freihauen und eine freie Stelle schaffen, um die Zelte, insbesondere das grosze Bohrzelt aufzubauen.
Bild 8:Das-Chimbo-Team beim Bohren.
Die gebohrten Eiskerne haben eine Länge von ca. einem Meter und sind in schützende Plastikfolie verpackt. Sie mussten mühsam, in Rucksäcken verpackt nach unten geschafft werden, und zwar schnell. Denn die tropische Sonne erwärmt die Eizsproben in kürzester Zeit, wenn man erstmal vom Gletscher herunter ist.
Bild-9:Einfache-Messungen werden vor Ort durchgeführt. Danach wird das Eis für den Transport vorbereitet.
So rasch wie möglich müssen die Eisproben daher in geeignete Kühlbehälter auf Trockeneis gelegt werden. Danach geht es im LKW ins Gefrierhaus am Flughafen und anschliessend über Paris in unser Partnerlabor, dem LGGE, nach Grenoble.
Bild 10: Endlich sicher verpackt. Vom Gletscher bis zu den Kühlbehältern mussten wir im Sturmschritt laufen, um dem Eis keine Chance zu geben, sich zu erwärmen.
Bild 11: Trotz aller Eile, ein Posingfoto muss sein.
Da gerade Weihnachtszeit ist, eine Buchempfehlung: Bernhard Francou, der Leiter der Expedition und begnadeter Bergsteiger, hat einen sehr schönen Bildband mit Fotos von seinen verschiedenen privaten und wissenschaftlichen Bergtouren in den Anden veröffentlicht. Leider bislang nur in Französisch, aber ein Muss für jeden Andenliebhaber!
Bild 12: Ein Gruppenfoto darf wie bei jeder Butterfahrt auch nicht fehlen. Ich bin der einzige, der mal in die Kamera guckt.
Bild 13: Rauschende Ballnacht nach erfolgreicher Operation. Bernard Francou lässt anstossen.
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