Sein wir ehrlich. Niemand wird in den Krieg ziehen oder emigrieren, weil die Biodiversität seines Landes durch global warming bedroht ist. Wahrscheinlich (aber das ist schon ein wenig unsicherer) wird auch niemand, zu solchen Verzweiflungstaten greifen, wenn ein Teil seiner Küstenstädte in den Fluten des steigenden Meeresspiegels untergeht. Aber wann könnte es bei den Menschen denn nun bei den möglichen Folgen des Klimawandels wirklich an die Substanz gehen ? Klar, bei dem, was letztlich auch jetzt schon das grösste Problem der Menschheit darstellt : Beim Hunger.
Bild 1: Missernte in Mali.
Eine jüngst in Science erschienene Studie des Klimaforscher David Battisti und der Agrarexpertin Rosamund Naylor beschäftigt sich mit dieser potentiell drängendsten Konsequenz des Klimawandels. Dabei muss man wissen, dass die Nahrungsmittel-Produktion lange überhaupt nicht auf der Liste der möglichen Probleme stand, oder doch zumindest nicht weit oben. Grund dafür ist , dass der direkte Einfluss steigender CO2 Konzentrationen auf die Pflanzenproduktivität weit stärker und positiver angenommen wurde. Für Pflanzen ist das CO2 Grundnahrunsmittel und ein Anstieg der atmosphärischen CO2 Konzentration wirkt auf Pflanzen erstmal wie Wachstumsdoping. Dies passiert nicht nur durch den direkten Einfluss des CO2 auf die pflanzliche Photosynthese, sondern auch durch den positiven Einfluss des CO2 auf den Wasserhaushalt von Pflanzen, die zumindest über einen Teil des Jahres unter Wasserstress stehen. Soweit, so erfreulich: Bliebe alles, alles so wie es ist und nur das CO2 stiege an, könnte die Welt ziemlich optimistisch in die Zukunft schauen. Aber da war doch noch was? Richtig, mit dem CO2 wird sich auch das Klima ändern und dann wird die Sachen für Pflanzen schon deutlich komplizierter.
Bild 2: Ein FACE Experiment der Universität Illinois. über die grünen Leitungen wird den umrandeten Sojapflanzen permanent ein Umgebungs-CO2 von 550 ppm vorgegaukelt. Während der Rest des Sojafeldes bei normalen 380ppm heranwächst, leben die Pflanzen, die ansonsten unter absolut gleichen Umgebungsbedingungen aufwachsen, unter den CO2 Bedingungen des Ende des 21ten Jahhunderts. Nach Long et al.
Der Stand des Wissens, zumindest soweit es mich angeht, ist in einem Science Paper von 2006 zusammengefasst (Long et al., siehe auch David Schimel comment). Die Autoren untersuchten landwirtschaftlich genutze Stellen innerhalb des FACE (Free-Air CO2 Enrichment) Programs. In diesem multi-nationalen Programm werden “Stichproben” in Form einiger Hektar Land typischer Biome ausgewählt und innerhalb des ausgewählten Gebiets wird eine “Insel” in ein künstliches CO2 Trauma versetzt, will heissen man täuscht den Pflanzen innerhalb eines einige Quadratmeter grossen Bereichs die CO2 Zusammensetzung einer künftigen Erde vor. Long et al. kamen zu dem Schluss, dass der Effekt des höheren CO2 Gehalts nicht ganz so positiv ausfallen wird, als es bis dato Labor Studien suggerierten. Während also bisher Modelle für 2050 eine ungefähre Balance zwischen den positiven Faktoren (höhere CO2 Konzentration) und den negativen Faktoren (Hitzewellen und Wasserstress), wiess das Long Paper auf das Risoko hin, den CO2 Effekt zu üeberschätzen. Die meisten Studien basierten auf Laborexperimenten oder Experimenten, die in oben offenen, aber zu den Seiten durch Folien abgegrenzten Arealen durchgeführt wurden. In beiden Fällen, so Long et al., würde durch das Experiment auf viele Art in die Umgebung der Pflanze eingegriffen, nicht nur durch Erhöhung der CO2 Konzentration. Wie auf Bild 2 und 3 zu sehen ist, sind FACE Studien besser angelegt, den Pflanzen “natürliche” Bedingungen vorzutäuschen.
Bild 3: Die gleiche Fläche wie in Bild 2 dargestellt in einem Wärmebild. Das Innere der Fläche mit einem künstlichen CO2 Gehalt von 550ppm ist signifikant um einige zehntel Grad wärmer als die Fläche unter Normalbedingungen. Ist dies etwa ein direkter Beweis des Treibhauseffekts? Natürlich nicht, dazu braucht man die ganze Troposphäre. Vielmehr führt ein hôherer CO2 Gehalt dazu, dass die Pflanzen ihre Stomata schliessen (es kommt ja auch so genug CO2 herein) und somit weniger Wasser den Pflanzen entweicht. Man spricht von niedrigerer Blatt-Konduktivität. Da weniger verdampft, wird auch weniger durch Verdampfung gekühlt und die Blatttemperatur geht hoch.Nach Long et al.
Von daher, um ehrlich zu sein, war ich doch schon sehr überrascht, das Paper von Battisti/Naylor zu den Folgen des Klimawandels für die weltweite Nahrungsmittelproduktion in Science, also in einem der renomiertesten Wissenschaftsjournals, zu finden. Es beschreibt anekdotisch drei grosse Nahrungsmittel-Krisen: Europa nach dem Rekord Sommer 2003, der Sahel in den 70/80er Jahren und die Ukraine/Sowjetunion in den frühen 70ern. Einiges interessante ist dort zu finden. So fiel 2003 die Futtermittel- und Maisproduktion in Frankreich und Italien um zwischen 20-40% unter den Vorjahreswerten. Auch war der Eintritt der Sowjetunion in den globalen Argarmarkt 1972 nicht etwa in erster Linie “kommunistischer Misswirtschaft” (in meiner Erinnerung, die allerdings sehr wage ist, wurde zu dieser Zeit doch immer behauptet, die “Sowjets” können sich dank sozialistischen Wirtschaftens nichtmals selbst ernähren) geschuldet, sondern hauptsächlich einer Abfolge von Rekordsommern in der Ukraine. Der neue Kunde Sowjetunion trieb in den Jahren 72-74 den globalen Weizenpreis von 60$ auf über 200$ pro Tonne hoch.
Grafik 1: Berechnete Wahrscheinlichkeit (Resultat von 22 IPCC Klimamodellen im A1B (ebenfalls nur wahrscheinlich) Szenarion), dass im Zeitraum 2040-2060 die lokale Mitteltemperatur den Extremwert der Zeit von 1900-2006 überschreiten wird. Die Analyse wurde für die jeweilige regionale Wachstumssaison durchgeführt.
Battisti/Noyer zeigen anschliessend, die Wahrscheinlichkeit, dass in der näheren und ferneren Zukunft die bisherigen Rekordtemperaturen während der Wachstumsperiode überschritten werden. Wie man in Grafik 1 und 2 gut erkennen kann, ist das insbesondere für die Tropen/Subtropen, die eine relativ kleine jahreszeitliche Variabilität haben, fast eine Gewissheit. Im Text ist diese Information nicht wirklich zu finden, aber ich glaube es handelt sich um das A1B Szenario (so lese ich zumindest Fussnote 21, wobei ich es etwas merkwürdig finde, dass diese wichtige Information in den Fussnoten verbuddelt wurde), also ein gemässigt optimistisches Emissionsszenario. Aus mir nicht vollständig eingängigen Gründen handelt es sich beim A1B um den gefühlten Favoriten und dem wahrscheinlichsten Szenario nach Expertenmeinung.
Grafik 2: Das Gleiche wie in Grafik 1, nur für das Zeitintervall 2080-2100. Es fällt auf, dass die Wahrscheinlichkeit der Überschreitung des heutigen Maximalwertes durch den zukünftigen Mittelwert besonders hoch in den Tropen/Subtropen ist. Das liegt natürlich an den relativ gedämpften Schwankungen von Jahr zu Jahr dort, die nicht so riesige Extremwerte hervorbringen.
Das Paper endet fast mit einem Appel. In einer nicht mehr so fernen Zukunft werden global und (das ist ja gerade der Charakter einer globalen Erwärmung) fast synchron die Rekordtemperaturen zur Wachstumszeit der meisten Grundnahrungsmittel wie Reis, Weizen, Gerste, Mais überschreiten. Es wird zunehmend schwieriger werde, die Defizite in einer Region mit Missernten mit den guten Erträgen in einer anderen zu kompensieren. Battisti/Noyer rufen daher meiner Meinung nach völlig zu Recht zur frühzeitigen Anpassung an diese Risiken auf: Entwicklung einer dynamischeren Landwirtschaft, die schnell auf Krisenjahre reagieren kann, Entwicklung von besseren und effektiveren Bewässerungssystemen und schliesslich auch, dem einen oder anderen mag das nicht gefallen, die Entwicklung genetisch besser gerüsteter Pflanzenarten, die auch extremer Hitze und längeren Dürreperioden widerstehen.
So sehr ich da auch mit den Autoren einer Meinung bin, so sehr hat es mich doch gewundert dieses “common sense” Paper in Science zu finden. Nicht genug damit, es wurde fast überall diskutiert, auch in der Tagespresse und in vielen online Diensten grosser Wochenzeitschriften. Tatsächlich ist nicht nur das Wissen, um das Risiko von Heatwaves und Rekordtemperaturen für Ernteerträge nicht besonders neu, sondern auch die Analyse von Grafik 1 und 2 findet sich fast genauso im IPCC (Grafik 2.19 f im AR4 zeigt praktisch das Gleiche explizit für “growing seasons”).
Was lehrt uns das? 1) Von allen Risiken des Klimawandels ist dasjenige für die Welternährung, das, was man bei weitem am ernstesten zu nehman hat. Die Wette, die wir (i.e. die Menschheit) im Moment eingehen, nämlich dass der Düngeeffekt des erhöhten CO2 Gehalts den potentiell schädlichen Einfluss von zunehmenden Wetterextremen kompensieren wird, ist sogar verdammt riskant. 2) Manchmal reicht es auch, wenn man Bekanntes gut und spannend aufschreibt, um ein Science Paper mit globalem Presse-Echo (hier und hier und hier und hier) durchzubekommen.
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