Schon geht’s weiter mit der Primaklima Serie zum Thema Sonne und Klima. Ich habe bereits hier mehrmals die Zusammenhänge zwischen der Sonnenaktivität und dem Klima betrachtet (hier,hier und hier). Dabei mussten wir immer wieder feststellen, dass manche besonders forsch und nicht in wissenschaftlicher Form, sondern in “grauer Literatur”, veröffentlichte Behauptungen über den Sonne/Klima Zusammenhang stark übertrieben sind. Heute soll es einfach nur um das interessante Thema gehen, woher wir eigentlich zuverlässige Informationen über die Sonnenaktivität in der Vergangenheit und insbesondere vor den eigentlichen “modernen” (wann auch immer die Moderne genau anfängt) Messungen haben? Vereinfacht gilt, dass die durch magnetische Wirbel erzeugten Flecken (siehe Bild 1) durch sie umgebende hellere Regionen überkompensiert werden. Daher: Je mehr Flecken umso aktiver die Sonne.
Bild 1: Sonnenflecken mit eine Strahlungstemperatur von “nur” 4000°K im Vergleich zur Grösze der Erde. Nach Wikipedia.
Ferner ist festzuhalten, dass die sogenannten Sonnenflecken in der Tat ein sehr guter und relativ einfach zu beobachtender Indikator für Sonnenaktivität ist. Ihre Anzahl steht in direktem Verhältnis zum magnetischen Fluss der Sonne und zu Variationen der “Solarkonstante” (Variationen der Konstante, so ist das eben), gemessen als Total Solar Irradiance (TSI). Wir wissen auch, dass es bisweilen interessante Ausnahmen gibt. So werden ab und an sogenannte “White-light Flares” auf der Sonne beobachtet, die stark im gamma und Röntgen Bereich Strahlen und die nicht in direktem Zusammenhang mit den Sonnenflecken stehen.
Die NASA und das Royal Observatory of Belgium stellen Sonnenfleckenzahlen ab ca. 1740 zur Verfügung, einem Zeitpunkt, ab dem bereits standardmässig mit Teleskopen gearbeitet wurde und meist mehrere Beobachter voneinander unabhängig die Sonnenfleckenzahlen notierten. Tatsächlich gab es aber bereits vor der Erfindung des Teleskops durch den holländischen Brillenmacher Hans Lippershey, irgendwann am Ende des 16ten Jahrhunderts, bereits Beobachtungen der Sonnenflecken. Einmal gibt es Beobachtungen mit dem blossen Auge (nicht selber ausprobieren, bitte), wenn es die Umstände zuliessen (bei Sonnenuntergang, bei Nebel oder bestimmten Wolkentypen). Solche Beobachtungen gehen bis in die Antike zurück, lassen sich aber praktisch nicht zu einer echten Rekonstruktion der Sonnenfleckenzahl nutzen (siehe aber hier).
Bild 2: Zeichungen verschiedener historischer Camera Obscura Observatorien zur Beobachtung von Venus und Merkur Durchgängen, Sonnenfinsternissen und Sonnenflecken. a) 1544 b) 1561 und c) 1607 von Johann Kepler.
Nach J.M. Vaquero 2007.
Sunspot Beobachtungen systematischer Art gab es aber lange vor der europäischen Astronomie in China und Japan. Das Ziel dieser Messungen war aber eher astrologischer Natur und Form und Zahl der Sonnenflecken war den Hofastrologen ein Mittel, um Politik am kaiserlichen Hof zu betreiben. Hinzu kommt eine bisweilen sehr blumige Sprache, mit der die Sonnenflecken beschrieben wurden:
“1830327 299 FEB 17 / MAR 18 (HUIDI/YUANKANG/9/1/-) CHINA
“WITHIN THE SUN THERE WAS SOMETHING LIKE A NUMBER OF FLYING SWALLOWS. THEY VANISHED AFTER SEVERAL DAYS. THIS PORTENT WAS INTERPRETED BY WANG YIN AS A PRESAGE OF THE ABDICATION AND DEATH OF THE TWO EMPERORS MIN AND HUAI”.
[“JIN-SHU, ZHI”; “SONG-SHU, ZHI”; HIRAYAMA (1889); ANCIENT SUNSPOTS
RECORDS RESEARCH GROUP (1977); CLARK & STEPHENSON (1978); XU (1983);
YAU & STEPHENSON (1988)/10]”
Überflüssig zu erwähnen, dass derjenige, der Vorteile von einer Abdankung des Kaisers Min oder Huai hat, vielleicht ein paar Schwalben (swallows) mehr auf der Sonne sieht.
Bild 3: Zeichnung von während einer Sonnenfinsternis beobachteten Sonnenflecken angefertigt von unbekannten Jesuiten in Lyon im Jahre 1726. Nach J.M. Vaquero 2007.
Aber auch vor der Erfindung des Teleskops gab es qualitative hochwertige Sonnenbeobachtungen mittels der Camera Obscura Technik (siehe Bild2). Diese wurden allerdings hauptsächlich zur Beobachtung von Merkur und Venusdurchgängen oder auch von teilweisen oder vollständigen Sonnenfinsternissen benutzt. So liefen die Sonnenflecken-Beobachtungen eher so nebenbei mit (siehe Bild 3). Es gibt also aus einer Vielzahl von Gründen (teilweise einfach wegen des Wetters, ich hätte diesen Winter glaube ich, keinen einzigen Sonnenflecken beobachten können. Es war andauernd bewölkt hier in Paris) keine wirklich kontinuierlichen Beobachtungen. Mit einem enormen Aufwand an historischer Forschung haben Hoyt und Schatten in den 90er Jahren dann das bis dahin bestehende Datum der ersten vertrauenswürdigen Sonnenfleckenbeobachtungen von der Mitte des 18ten Jahrhunderts bis ins frühe 17te Jahrhundert verschoben (siehe Grafik 4). Nun kann man also “direkt” aus den Sonnenfleckenzahlen die bekannten längeren Minima der Sonnenaktivität ablesen, auser dem Dalton Minimum im 19ten Jahrhundert eben auch das berühmte Maunder Minimum zwischen 1650 und 1710.
Grafik 4: Sonnenflecken nach NASA (oben) und Hoyt/Schatten 1998 (Mitte) und ihre Differenz (unten).
In einem jüngst erschienen Paper von Dr. Jose Manuel Vaquero, der mir einige der Details selbst erläuterte, wird sehr schön beschrieben, warum man die Resultate dieser beachtlichen Arbeit von Hoyt und Schatten immer mit der nötigen Vorsicht betrachten sollte. Immerhin ist die quantitative Analyse von über 400 Jahren alten Beobachtungen nicht ohne. Vaquero fand z.B. kleinere und grössere Problem im Zusammenhang mit dem jeweiligen Kalender (die katholischen Länder übernahmen ja schnell den Gregorianischen Kalender, während die Protestanten, England vorneweg, sich tapfer gegen dieses papistische Teufelswerk wehrten. Drum ja auch häufig der falsche gleiche Todestag von Cervantes, der Gregorianisch starb, und Shakespeare, der noch Julianisch hinschied. ) oder mit der verwandten Methodologie. Insbesondere taucht das Problem auf, wann man von Sonnenflecken-gruppen spricht und wie diese absolut in Sonnenflecken umgerechnet werden.
Grafik 5: Differenz der beiden Sonnenflecken Rekonstruktionen von Hoyt/Schatten (1998) und NASA. Man beachte insbesondere den “lost cycle” um 1780 herum und die Tendenz im Unterschied der beiden Rekonstruktionen.
In Grafik 4 habe ich mal die eher moderne Sonnenflecken-Rekonstruktion der NASA mit der von Hoyt und Schatten verglichen. Berechnet man den Unterschied zwischen beiden (siehe die “Vergrösserung” in Grafik 5), so fallen drei Dinge besonders auf. Erstens die fast riesige Differenz zwischen den beiden Rekonstruktion um 1780 herum. Es handelt sich praktisch um einen vollständigen Sonnenzyklus von 11 Jahren. Ohne die Details der benutzten Archive und Beobachtungen zu kennen, ist es schwer, etwas Fundiertes zu sagen. Vaquero spekuliert über diesen sogenannten “lost cycle” und bringt die grosse mehrjährige Eruption des Laki auf Island ins Spiel, welcher es für die europäischen Astronomen schwierig machte, die Sonne korrekt zu beobachten. Zweitens gibt eine systematische Diskrepanz bei den Sonnenflecken-Maxima. Hoyt und Schatten sehen systematisch weniger Sonnenflecken in den Maxima (weswegen man in Grafik 5 noch den 11 Jährigen Zyklus erkennen kann) und drittens verschwindet diese Unterschätzung der Minima im Laufe der Zeit, weswegen es obendrein einen Trend im Unterschied zwischen NASA und Hoyt/Schatten gibt. Sei es drum, dies sind jedenfalls die Sonnenfleckenrekonstruktionen, die ich in einem kommenden Post verwenden werde. Ein Wort der Warnung: Man vergesse nie die Unsicherheiten und tatsächlich sehr interessanten Probleme, die solche historischen Analysen immer beeinhalten.
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