Am Freitag letzter Woche hat mich eine Journalistin des französischen Wissenschaftsblatts Science&Vie angerufen. Was ich denn von dieser Geschichte von den Rieseneisblöcken hielte, die so vom Himmel fielen? Ist da was dran? Ich erstmal: Röchelröchel, was, wie, worum gehts? Dunkel erinnerte ich mich, dass es auf den Feldern nahe des Charles de Gaulles Airport, hier in Paris, angeblich ab und an vereiste Kotblöcke aus den landenden 747s herunterregnet. Schon das ist mir nie ganz klar geworden, denn die Flugzeugklos, die ich bisher benutzte, haben ja kein Loch im Boden wie bisweilen immer noch bei der DB. Aber jetzt Rieseneisblöcke?

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Bild 1: Die Guardia Civil, modische Kopfbedeckung und hochmoderne Crime Scene Investigation.

Genau, diesmal reden wir von schönen sauberen Eisblöcken, die an einem wolkenfreien Tag mit einem Gewicht zwischen 1kg bis 100kg plötzlich so herunterdonnern. Und was hat das mit der Guardia Civil des Titels zu tun? Nun, diejenigen, die dieses Phänomen bislang wirklich mal untersucht haben, waren eine Gruppe von Astro-Biologen eines Instituts in der Nähe Madrids, weshalb in Spanien die ganze Geschichte mit den vom Himmel fallenden Eisblöcken eine gewissen Popularität hat. Als es dann das nächste Mal Rumms gemacht hat, und zwar in Mejorada del Campo, glücklicherweise ebenfalls in der Provinz Madrid gelegen (El Mundo berichtete), da wurde die Sache eben dem forensischen Labor der Guardia Civil übergeben, die den Eisblock sofort festnahm und anfing den Fall zu dokumentieren. Ein 10-20 Kilo Block war diesmal auf das Dach einer Lagerhalle gedonnert und hatte ein 1 Meter Loch in die Decke gerissen. Die Arbeiter in der Halle verständigten die Guardia Civil, welche unter anderem Bild 2 von neben der Beule auf dem Dach verbliebenen Eisstücken schossen. Mit aller kriminalistischer Gründlichkeit wurde das Eis verpackt und in verschiedenen Instituten auf allerlei Spurenstoffe untersucht. So kam es dann zu einer Veröffentlichung, die doch tatsächlich Forensiker, Astro-Biologen und Isotopen Geochemiker auf einem Paper vereint.

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Bild 2: Das Corpus Delicti in Mejorada del Campo, ein 1 Meter Loch in der Lagerhallendecke mit den Resten einer 10 Kilo Eisbombe.

Was haben die Autoren gefunden? Der PH Wert der Megacryometeors (eine Namensschöpfung die auf einen der spanischen Astro-Biologen, Jesùs Martìnez-Frìas, zurückgeht)liegt zwischen 7 und 7.8 und ist somit fast neutral, verglichen zu normalen Regen, der eher bei 6 liegt. Alle im Regen so dominierenden Anionen sind vorhanden, was erstmal auf einen “normalen” (was heisst das schon bei einem paar Kilo schweren “Hagelkorn”) Bildungsprozess deutet. Die Isotopenanalyse des Wassers ist erstmal typisch für Spanien. Das ist auch der Grund, warum die Science et Vie-Journalistin mich angerufen hatte. Ich arbeite viel mit den Wasserisotopen. Wasser hat neben dem “normalen” Wasser, H2160, zwei intensiv genutzte stabile Isotope, das H2180 und das HD180 (D=Deuterium).
Kurz, der Absturz des Inhalts eines Airliner-Klos kann sicher ausgeschossen werden, selbst eventuell am Leitwerk oder anderswo, noch beim Start, angesammeltes Wasser, welches dann in der Höhe eingefroren wäre, kann so gut wie sicher ausgeschlossen werden. Die Guardia Civil hat alle Flugrouten gecheckt und es gab 24 Stunden um das Ereignis herum keine Flugbewegungen in der Nähe von Mejorada del Campo. Wir verbleiben mit mehreren Kilo schweren Eisbrocken, die, und jetzt kommts, von einem strahlendblauen Himmel gefallen sind.

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Bild 4: Ein anderer Megacryometeorit, diesmal auf einem Feld bei Soria, zwischen Madrid und Zaragoza gelegen.

Natürlich haben die Spanier nach Erklärungen gesucht und sie konnten eine kleine Serie von Megacryometeorit-Abstürzen über Spanien im Januar 2000 mit einigen etwas verdächtigen Ondulationen der Tropopause assoziieren. Nach NOAA Reanalysedaten beulte sich die Tropopause mehrere Kilometer nach unten aus, wobei ein drastischer Ozonschwund in der unteren Stratosphäre zu einem verstärkten Einfall von UV Strahlung geführt haben könnte. Letztere könnte dann auch ohne Wolken zu einer starken Ionisierung und somit Kondensationskeimen geführt haben. Alles natürlich, und auch so berichtet: wilde Spekulationen. Ein Sturm- und Hagel-Experte, der nach der Glaubwürdikeit der Megcryometeoriten-Theorie der Spanier gefragt wurde, antwortete mit dem schönen Satz:”I don’t like to claim that anything is absolutely impossible, but this comes awfully close”.

Und da wir ja schonmal beim spekulieren sind, haben die spanischen Astro-Biologen gleich noch Einen draufgelegt. Der Klimawandel und die steigenden Treibhausgaskonzentrationen gehen ja mit einer zunehmenden Befeuchtung und Abkuehlung der Stratosphäre einher, zwei Faktoren, die, nach Meinung der Spanier, die Bildung solcher Megacryometeoriten noch weiter begünstigen würde. Gibt es also bald ein neues Chapter im IPCC? Bis dahin ist wohl noch ein langer Forschungsweg.

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Bild 5: Jesus Martinez-Frias vom Centro de Astrobiologia nahe Madrid analysiert einen Einschlagskrater.

Was uns bleibt, ist die verwunderliche Tatsache von Kilo schweren Eisbrocken, die aus blauen Himmel einfach mal so einschlagen, nicht nur in Spanien, sondern an vielen sehr weit auseinander gelegenen Teilen der Welt. Ich habe mir mal die Isotopenwerte angeschaut. Die meisten sind, wie ich oben ja sagte, ganz typisch für Spanien. Einige sind etwas negativer als normal, eher typisch für die mittlere, wenn nicht höhere Troposphäre, was ja auch mit einem natürlichen Entstehungsprozess übereinstimmt. Wenn jemand die Eisbrocken gefakt hätte, dann hätte er oder sie es zumindest mit viel Liebe zum Detail gemacht, denn solche Werte sind nicht ganz leicht selber zu produzieren. Was mich aber etwas stutzig macht, ist, wie oft die Eisbrocken dann doch auf Hallen, Autos oder vor die Füssen von irgendjemanden (ein 15 jähriges Mädchen in Toledo wurde wohl nur haarscharf verfehlt) fallen. Rechnet man von diesen bemerkten Ereignissen auf die tatsächlichen Ereignisse hoch, indem man mal bewohnte zu existierender Fläche hochrechnet, dann wird aus dem Kuriosum auf einmal fast ein Massenereignis. Tja, I don’t like to claim that anything is absolutely impossible, but this comes awfully close.
Die spanischen Astro Biologen haben hier eine schöne Webseite mit allen Artikeln, Photos und mehr aufgebaut. Zum Einstieg auch den dortigen Science Artikel zum Thema lesen.

Kommentare (16)

  1. #1 Biene
    März 18, 2009

    Moin,
    das ist doch jetzt ein gefakter Bericht, ja? Wenn nicht, behaupte ich mal, dass es sich um einen Fall für die X-Files handelt 😉

  2. #2 Georg Hoffmann
    März 18, 2009

    @Biene
    Was soll ich sagen. Die Namen Mulder und Scully sind mir niergends begegnet. Ich denke, dass muss definitiv in die Rubrik “grosse Raetsel” sortiert werden.
    Hat eigentlich irgendjemand eine Idee (ich denke hier ist wirklich alles erlaubt) zu dem Thema?

  3. #3 Kai Möller
    März 19, 2009

    Hey – ist das die Aufforderung zu einem wilden Zusammenwerfen ausgefallener Ideen? Klasse. Dann werfe ich mal was in den Raum:
    1: Gefrieren von an Wetterballons kondensiertem Wasser (vielleicht kann das ja irgendwo auf den Apparaten zusammenlaufen),
    2: Segelflieger,
    3: Schneeballschlacht der Eisriesen oder
    4: die gleichen Typen, die auch für die Kornkreise verantwortlich sind. Das steht im verlinkten Artikel und ist so schwierig und unwahrscheinlich, dass es einfach wahr sein muss.
    5: 4-5 Leute haben sich das nach vielen vielen Flaschen Wein ausgedacht, Fotos gemacht und schauen, ob alle auf ihre erfundenen Artikel reinfallen.

  4. #4 Wolfgang Flamme
    März 19, 2009

    “Die Guardia Civil hat alle Flugrouten gecheckt und es gab 24 Stunden um das Ereignis herum keine Flugbewegungen in der Nähe von Mejorada del Campo.”

    Mhmmm, das da oben links im Bild …

    https://maps.google.com/maps?f=q&source=s_q&hl=en&geocode=&q=Mejorada+del+Campo&sll=40.403301,-3.55957&sspn=0.19608,0.243073&ie=UTF8&ll=40.438717,-3.534164&spn=0.097989,0.121536&t=h&z=13&iwloc=addr

    … ist das hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Flughafen_Madrid-Barajas

    Die wunderbaren Wetterbedingungen am 14.03.2007:
    https://www.wunderground.com/history/airport/LEMD/2007/3/14/DailyHistory.html?req_city=NA&req_state=NA&req_statename=NA

    Also ich denke mal, wenn der Flughafen da nicht gerade bestreikt wurde (wozu ich nichts habe finden können), dann hat zu der Zeit ganz normaler Flugverkehr geherrscht.

    Und wenn die dann wirklich was von “24 h um das Ereignis herum” schreiben, kann man wohl nicht allzuviel von der Arbeit erwarten. Wollten die ernsthaft sichergehen, daß der Brocken nicht von einem Flugzeug stammt, das erst am nächsten Tag vorbeifliegt … oder rechneten sie damit, daß Eisblöcke einen Tag lang in der Atmosphäre levitieren?

  5. #5 Wolfgang Flamme
    März 19, 2009

    Sry, hatte mich um einen Tag vertan, weil ich zuerst zum 14.03.07 (Datum des Zeitungsberichts) und erst dann zum 13.03.07 recherchiert hatte. Ändert aber von der Aussage nix.

  6. #6 Georg Hoffmann
    März 20, 2009

    Gutes Auge, Wolfgang. Ich hatte nicht bemerkt, dass Mejorada so nah an Barajas dran liegt. Tatsächlich habe ich zwei Artikel oben beim Schreiben vermischt. Es gibt einen Bericht ueber einen 2kg Brocken in Tocina in der Sierra von Sevilla im Jahr 2000, der das mit den Luftbewegungen sagt. Der ist immerhin um die 50km von Sevilla Airport entfernt:

    https://maps.google.fr/maps?q=tocina+andalucia&oe=utf-8&rls=org.mozilla:fr:official&client=firefox-a&um=1&ie=UTF-8&split=0&gl=fr&ei=yBTDSe-KF6KHjAfB_eCqCw&sa=X&oi=geocode_result&resnum=3&ct=title

    Ausserdem behaupten die Spanier noch, dass es gut dokumentierte Faelle aus dem 19ten Jhd vor Beginn der zivilen Luftfahrt gegeben haette.

    Das mit den 24 Stunden hat wohl auch damit zu tun, dass es die Idee gibt, dass Kondensstreifen irgendwie daran beteiligt waeren.

  7. #7 Georg Hoffmann
    März 20, 2009

    @Kai Moeller
    Ich glaube nur 4 scheint mir unwahrscheinlich. 1 und 2 sind interessant, wobei 10 kg fuer nen Wetterballon auch schon viel Holz sind, oder?

  8. #8 Kai Möller
    März 20, 2009

    Die Kornkreistheorie dürfte wohl organisatorische unmöglich sein. Es sein denn, es wären die gleichen Leute, die auch die Mondlandung gefälscht haben (muss ich jetzt wohl vorlichtshalber als nicht enrstgemeint kennzeichnen).
    Was Wetterballone müsste das wohl schon wirklich ein GROSSER Wetterballon sein um 10 Kg zusätzlich zu schaffen. Ginge bestenfalls wenn er gerade eh am sinken ist und in der Abwärtsbewegung noch alles mögliche an Wasser mitnimmt. Allerdings platzen die DInger glaube ich irgendwann. Fälle aus dem 19 Jahrhundert lassen sich so natürlich schlecht erklären…

  9. #9 Georg Hoffmann
    März 20, 2009

    @Kai Moeller

    Was Wetterballone müsste das wohl schon wirklich ein GROSSER Wetterballon sein um 10 Kg zusätzlich zu schaffen. Ginge bestenfalls wenn er gerade eh am sinken ist und in der Abwärtsbewegung noch alles mögliche an Wasser mitnimmt. Allerdings platzen die DInger glaube ich irgendwann. Fälle aus dem 19 Jahrhundert lassen sich so natürlich schlecht erklären…

    Die Ballons steigen auf und dehnen sich bei niedrigerem Druck in der Hoehe immer weiter aus bis sie meist erst in der Stratosphaere platzen. Allerdings haben sie dann einen Fallschirm, der Fall ein bisschen daempft.
    Nehmen wir an ein Ballon steigt auf, aus unverstandenen Gruenden sammelt sich sehr viel Eis an einer Stellen, das Eis bricht weg und der Fallschirm kommt wo ganz anders runter. Das Eis waere immerhin unter “Hagelbedingungen” gebildet, Isotope und Chemie entspraechen dem regen der Region.
    Was mir gefaellt ist insbesondere, dass die Ballons auf keinem Radar auftauchen. Jetzt muesste man nur noch die Radiosonden Stationen in Spanien finden und schauen ob da irgendein Schema drin ist. Madrid und Sevilla muessten aber eine haben. Ich guck mal.

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