Ich hatte hier schon oft das Thema arktisches Meereis behandelt, vor allem weil es sich dabei um eines der am schnellsten ändernden Klima- und Ökosysteme handelt, ein Umstand, der völlig zu Recht in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Primaklima berichtete wie Meereis vermessen wird (Dicke, Dicke, Albedo) und zeigte, wie 2007 in der Septemberschmelze alle Rekorde brach (hier). Ich hatte ebenfalls erwähnt, dass die Meereismodelle arge Probleme haben den rezenten Trend zu verstehen und nachzubilden (ebenfalls hier).
Bild 1: Vergleich des simulierten Sommermeereises (exakter September Minimum des Meereises) der IPCC Modelle (siehe CMIP3 Webseite) im A1B Scenario mit dem beobachteten Sommermeereis.
Julien Boé, von der University of California, stellte sich jetzt in Nature Geosciences die Frage, wie man aus sicherlich nicht perfekten Modellen trotzdem zu quantitativen Abschätzungen kommen kann. Die Modelle liefern ja nicht nur irgendein Resultat (z.B. verbleibendes Meereis im Jahr 2040) sondern einen ganzen Satz an Verbindungen und Abhängigkeiten zwischen Klimagröszen, die tatsächlich für Klimaforscher wichtiger sind, als eine platte gute Übereinstimmung zwischen einer beobachteten und einer simulierten Grösze.
Sind also die Modelle nicht perfekt (und in der Tat sind sie es nie), dann kann man aber vielleicht doch die simulierten Relationen zwischen bestimmten Klimagröszen in den Modellen heranziehen, um bessere Vorhersagen zu treffen. Tatsächlich gibt es einen wirklich sehr überzeugenden “Prediktor” der zukünftigen Meereisausdehnung und das ist die Meereisdicken-Verteilung von Eis bis 50cm Dicke. So korreliert beispielsweise die simulierte Eisdicke im Zeitraum 1950-1979 mit der jeweilig simulierten Sommermeereisausdehnung von 1979-2007 mit einem r von -0.75. Wenn so etwas im Hindcast (also für die Vergangenheit) funktioniert, kann man es ja auch mal im Forcast versuchen.
Bild 2: Jeder der Punkte entspricht einem der Klimamodelle, die im IPCC Bericht verwandt wurden und deren Resultate hier zu finden sind. Die simulierte Inertie des Systems wird dabei genutzt, um einen Forcast für die Sommer-Meereisausdehnung der Jahre 2021 bis 2040 zu erstellen. Der Trend in den letzten Jahren (79-07) ist bei allen Modellen gut mit der zukünftigen Meereisausdehnung korreliert. Der Vergleich mit den Beobachtungen ergibt als beste Abschätzung für die Zeitspanne von 2021 bis 2040 eine Reduktion um die Hälfte des Wertes von 79-07.
Bild 2 zeigt den von jedem Modell simulierten Trend von 1979-2007 zusammen mit dem Anteil verbleibenden Eises für den Zeitraum 2021-2040. Der optisch ja schon im Bild 1 zu erkennende Zusammenhang ist somit quantifiziert. Die Schnittstelle mit dem tatsächlich beobachteten Trend gibt den besten Schätzer für das verbleibende Meereis 2021-2041, nämlich ungefähr die Hälfte des ursprünglich (79-07) vorhanden Eises. Dehnt man diese Analyse weiter in die Zukunft aus, so ist das wahrscheinlichste Verschwinden des Meereises auf die 80er Jahre des 21ten Jahrhunderts gelegt (mit einer Unsicherheit von ca. ±20 Jahre). Ein Ergebnis was doch deutlich später ausfällt, als so manche Warnung der letzten Jahre.
Diese Art von Daten-geleiteter Analyse von Klimamodellen ist zur Zeit sehr populär und jeder der in Nature/Science Klimamodell-Resultate veröffentlichen will, sollte das brav befolgen. Überflüssig zu sagen, dass das Alles dann obsolet würde, wenn es irgendeinen Faktor gäbe, der in der Zukunft wichtig würde und eben bislang weder in den Modellen enthalten ist, noch in den Daten der letzten Jahre eine Rolle spielte. Die Autoren geben zum Schluss ihre Version des berühmten George Box Zitats (welches auch den Titel meines Posts hergibt):
“All models are wrong, some are useful’ said the famous statistician George Box. We would add that many models – each wrong in a different way – can collectively be as useful as a nearly perfect one, as long as observations exist to guide interpretations of their predictions”
PS Dieses Post wurde unter anderem geschrieben, weil ich gestern meine erste Klimawette abgeschlossen habe. Am Ende eine netten Abends mit einem Antarktisforscher und einem Atmosphärenexperten des JAMSTEC, der die letzten zwei Monate mit der Mirai in der Arktis unterwegs war, passierte es. Meine erste Klimawette. Ein Mazis-Chambertin 2001 wird den Besitzer wechseln, wenn, ja wenn der September 2007 Meereisrekord bis 2015 gebrochen wird. Primaklima hat natürlich, konservativ wie es nunmal ist, gegen meinen lieben Kollegen, begnadeter Experimentalphysiker und Arktisexperte, darauf gesetzt, dass der Rekord in den naechsten 6 Jahren nicht gebrochen wird. Es mögen mir bitte alle, die Daumen drücken.
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