Der Winter 2008/09 war anscheinend der gefühlt kälteste seit die Spezies Homo ein Sensorium für Temperaturen entwickelt hat. So jedenfalls die üblichen Klimaskeptikergesänge: Es war im letzten Winter so kalt, dass die Vögel gefroren ins Wasser fielen, (falls sie denn überhaupt noch fliegen konnten vor lauter Verhungern), dass sich Extremkälte an Extremkälte reihte, die Kanäle über geschätzt 50.000 km zugefroren waren, die Eisschilde sich unbarmherzig in den Mittelmeerraum schoben und, was auch immer möglicherweise an Erwärmung jemals dagewesen war, vom Väterchen Frost unbarmherzig ausgelöscht wurde. Soweit die Sicht aus der widewidewie-sie-mir-gefällt-Ecke des Klimaskeptikertums.
Bild 1: Verteilung der globalen Winter (DJF) Temperaturen nach GISS Datensatz, normiert auf die Zeit 50-80, und der Winter 2008/09.
Alle anderen mögen sich denn fragen, was man denn objektiv zum Winter 2009 sagen kann. Ich und die meisten anderen Klimaforscher (auch andere deutsche Klimaforscher) habe schon oft ausgedrückt, dass es sich bei solch kurzen Zeitabschnitten um kurzzeitige Variabilität handelt, Wetter, wenn man so will. Wetter ist für die Frage, Camping oder nicht, Regenschirm oder nicht, etc. definiert als die atmosphärische Variabilität über einige Tage. Mehr oder weniger sinnvolle Wetter-Vorhersagen gestützt auf numerische Modelle sind in mittleren Breiten über 6-8 Tagen möglich. Das Europäische Zentrum für mittelfristige Vorhersagen (ECMWF) in Reading macht beispielsweise standardmässig Vorhersagen über 10 Tagen, wobei die einkommenden meteorologischen Informationen laufend in das Modell gefüttert werden.
Bild 2: Verteilung der hemisphärischen Winter (DJF) Temperaturen nach GISS Datensatz, normiert auf die Zeit 50-80, und der Winter 2008/09.
Letztlich ist diese Wetter-Definition anthropogen, wenn man auch theoretische-mathematische Gründen angeben kann, warum ein zehn Tages-Horizont die obere Grenze der meteorogischen Vorhersage darstellt. Sie ist den Bedürfnissen des Menschen angepasst. Aus Sicht des Ozeans aber ist “Wetter” eher atmosphärische Variabilität von einigen dutzend Tagen hin zu vielen Monaten. Für die Eisschilde ist es ozeanische Variabilität über viele dutzende von Jahren. Letztlich ist “Wetter” also davon abhängig auf welches System es wirkt. Auf der Zeitskala des anthropogenen Klimawandels, der auf einer multidekadischen Skala abläuft, jedenfalls ist so etwas wie der Winter 08/09 eben “Wetter”.
Bild 3: Verteilung der globalen Winter (DJF) Temperaturen nach HadCRU Datensatz , normiert auf die Zeit 50-80, und der Winter 2008/09.
Nun gut, und wie kann man diesen Winter dann einordnen? Ich habe mal die beiden globalen Datensätze GISS und HADCru genommen und einfach den Winter 08/09 mit den vorherigen Wintern in einem Häufigkeitsdiagramm verglichen. Bild 1 und 3 geben seine Position einmal im GISS und einmal im HadCRU Datensatz an. Öhh, nun ja, ganz sooo aussergewöhnlich kalt, war dieser Winter anscheinend doch nicht.
Bild 4: Verteilung der hemisphärischen Winter (DJF) Temperaturen nach GISS Datensatz, normiert auf die Zeit 50-80, und der Winter 2008/09.
Vielleicht war es eher die Nordhemisphäre? Bild 2 und 4 zeigen dann das gleiche wie 1 und 3, aber nach Hemisphären aufgeteilt. Auch da kann man nichts Ungewöhnliches am Winter 08/09 entdecken. In beiden Hemisphären belegte dieser Winter ungefähr gleiche Plätze.
Bild 5: Verteilung der globalen Winter (DJF) Temperaturen nach GISS Datensatz, normiert auf die Zeit 50-80, und die letzten zehn Winter.
Ja, noch schlimmer: Nichtmals im Rahmen der letzten zehn Jahre scheint dieser Winter besonders aus der Reihe zu tanzen (siehe Bild 5).
Na gut, dann aber immerhin Deutschland. Kommt, das war doch nun wirklich ein harter Winter, oder? Ich habe mal 4 Wetter-Stationen genommen, die Deutschland ungefähr einrahmen (De Bilt in Holland, Potsdam Hohenpeissenberg und das Zugspitze Observatorium) und für diese Stationen die gleiche Darstellung gewählt, wie für die Hemisphären. Jetzt wird schon eher was draus. Der Winter 08/09 liegt in Deutschland somit ganz leicht unter dem Mittel der Jahre 1960-1990. Deutlich wird in Bild 5 aber auch wie viel Platz da noch nach unten ist. Dieser Winter war auch für Deutschland meilenweit davon entfernt, Rekorde zu brechen und der einzig denkbare Grund, warum wir (mich eingeschlossen) diesen Winter als lang und hart empfunden haben, ist einfach der, dass wir nicht mehr wissen, was lange und harte Winter eigentlich sind. Unser schwaches Klimagedächtnis kann sich gerade noch an die letzten paar Jahre erinnern und da gab es eben nichts, was diesem Durchschnittswinter 08/09 entsprochen hätte.
Bild 6 : 4 Langzeit-Stationen in und nahe Deutschland: De Bilt, Hohenpeissenberg, Potsdam, Zugspite. Die Verteilung der Wintertemperaturen der jeweiligen Station und der Winter 08/09. Die Temperaturen stammen von der GISS Datenbank und wurden auf die Zeit 60-90 normiert.
Mal von solchen eher psychologischen Faktoren abgesehen, bleibt die Frage, was denn nun den Winter 08/09 in Westeuropa und Deutschland im Speziellen kontrolliert hat. Erster Kandidat ist gerade bei Winterklima-schwankungen immer die NAO, die Nord-Atlantische Oszillation, zu nennen. Steht der NAO index eher hoch, so besteht ein starker Druckgegensatz zwischen den mittleren (Azoren) und hohen Breiten (Island) im Atlantikraum. Die Winde haben dann einen starke zonale Komponente und bringen Europa unter den Einfluss maritimer, feuchter und eben auch relativ warmer Luft. Steht der NAO index aber eher auf negativen Vorzeichen, so wird dieser Wärmetransport behindert und wir können leicht unter den EInfluss nördlicher oder östlicher und somit kalte Wetterlagen geraten. Bild 7 veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Bild 7: Die beiden Phasen der Nord Atlantischen Oszillation (NAO) und ihre Konsequenzen für das Winterklima um den Nordatlantik herum. Vielen Links und Informationen zur NAO hier bei der University of Washington.
Bild 8 bestätigt diese Hypothese. Für die vier Deutschland Stationen (De Bilt wird mal kurz eingemeindet) gibt es einen recht guten Zusammenhang zwischen NAO und Wintertemperaturen. Und auch hier bestätigt sich nochmals, was ich zuvor gesagt habe. Die NAO war in der Tat leicht negativ in diesem Winter, alles im allem liegt aber der letzte Winter auch in dieser Darstellung ziemlich genau in der Mitte der Punktwolke. Keine riesigen Teperaturschwankungen und auch keine besonderen Abweichungen in der NAO. Das einzig ungewöhnliche an diesem Winter war, dass es nicht erneut ein Pseudo-Herbst war und es tatsächlich mal gefroren hat in Deutschland.
Bild 8: Die Winter (diesmal DJFM) NAO erklaert einen guten Teil der Wintervariabilität in Westeuropa (hier die 4 obigen Deutschland-Stationen). NAO und Wintertemperaturen 2008/09 liegen ziemlich in der Mitte der Punktwolke.
Persönlich finde ich es wirklich überraschend, wie sehr der letzte Winter ein ganz normaler Winter war. Selbst in meiner Lebenszeit, waren die Mehrzahl der Winter ähnlich wie 2008/09 oder härter, doch das, woran ich mich wirklich erinnern kann, und was ich jetzt mal als meinen “Normalwinter” führe, sind eben die letzten paar sehr warmen Jahre.
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