Wie hält es eigentlich der Fisch mit dem Klimawandel? Aus dem weitgehend fischfreien Bochum stammend (ich kann mich eigentlich nur an Matjes mit Bratkartoffelln in meiner Kindheit erinnern) habe ich mich im Laufe der Jahre immer mehr der Küste genähert und verputze jetzt in schöner Regelmässigkeit Seebarsch, Goldbrasse, Gambas, … Wie sieht es also mit dem Fisch momentan und in der Zukunft aus und spielt der Klimawandel dabei eine Rolle?
Der IPCC gesteht ziemlich klar, wie schwierig es ist, den Einfluss steigender Temperaturen von den vielen anderen Faktoren zu trennen, die das jeweilige regionale Ökosystem beeinflussen und an deren Spitze meist die Fischarten sitzen, die wir bevorzugt konsumieren. Was also sagt der IPCC (Kapitel 4 und 5 im zweiten Teil des AR4) ?
1) Die globale Fangmenge (1% weniger seit 97) und die Fischmenge, die in Fischzuchten “produziert” wird (59% mehr seit 97), nähern sich weiter an (93Mt vs. 82Mt). Das hört sich erstmal nach einer guten Nachricht an, da dadurch ja offensichtlich der stark befischte, manche sagen rettungslos überfischte, Ozean entlastet würde. Leider geht diese stabile (was den natürlichen Fang angeht) , respektive steigende (Fischzucht) Statistik zu einem nicht gerade kleinen Teil auf die Statistiktricks vieler Länder, insbesondere Chinas, zurück. Die betroffenen Länder versuchen so für Investoren attraktiver zu werden. Nicht vergessen: Die Fischerei ist ein Multi-Milliarden Dollar Geschäft. Reg Watson und Daniel Pauly konnten so in einer in Nature veröffentlichten Studie zeigen, dass die FAO Statistiken insbesondere durch China massiv beeinflusst sind, was dann auch dazu führte, dass mittlerweile die FAO in all ihren Statistiken China immer gesondert aufführt.
Bild 1: Weltweite Fiaschfangmenge in Millionen Tonnen. Die ca. 92 Millionen Tonnen im Jahr 2006 entsprechen einem Wert von 91 Milliarden US Dollar.
Selbst wenn man China aus der Statistik herausnimmt, scheint die Lage über die letzten 10 Jahre betrachtet doch gar nicht so schlecht. Die Fischzucht scheint den wachsenden Proteinbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung durchaus decken zu können. Doch auch da muss man vorsichtig sein. Fischzucht wird insbesondere von wertvollen carnivoren Fischen betrieben (Lachs, Goldbrassen, etc.) und da die leider nicht mit Mais oder anderen Land-Agrarprodukten grosszuziehen sind, zumindest dann nicht, wenn man noch einen Lachs haben will, der entfernt nach Lachs schmeckt, müssen sie mit Fischmehl und Fischöl grossgezogen werden. Dass heisst, dass man sich unten in der Nahrungspyramide an “minderwertigen” Fisch bedient, um höherwertigen zu produzieren. Die Techniken um diese Biomasse aus dem tiefen Ozean herauszubekommen sind bekannt und oft kritisiert worden. Ungefähr drei Kilo von dem, was früher Abfallfisch gewesen wäre, geht auf die Produktion von einem Kilo Qualitätsfisch für den Erstweltteller.
Davon ab, bleibt die Fischzucht ein risikoreiches Geschäft. Momentan gibt es eine höchst letale Infektion (Infectious Salmon Anemia, ISA) beim zweitgrössten Lachs-Produzenten Chile, die möglicherweise ein Keulen (sagt man das bei Fisch?) der gesamten Bestände erforderlich macht. Der Umsatz der Chilenischen Lachzucht beträgt etwa 2 Milliarden Dollar pro Jahr. Sie meinen, dass sei weit weg von Ihnen? Na dann schauen Sie mal in den nächsten Wochen im Kühlregal auf den Preis von Lachs.
Kurz, es gibt einige Anzeichen, dass die obigen IPCC/FAO Zahlen kaschieren, dass in Wirklichkeit die Fangmenge bereits deutlich zurückgeht und insbesondere höherwertiger Fisch allgemein im Rückgang ist. Dies natürlich alles auf dem Hintergrund von Hightech-Fischtechniken, wie es sie nie zuvor in der Geschichte gegeben hat. Mit Radar und akustischen Techniken ausgestatte Boote mit fast unbegrenzter Motorstärke, häufig unterstützt von einer begleitenden Luftarmada, ausgestattet mit kilometerlangen Schleppnetzen: Und doch gibt es deutliche Anzeichen, dass der globale Fang zurückgeht.
2) Hat die Klimaerwärmung etwas damit zu tun? Höchstwahrscheinlich nicht oder nicht viel. Bestimmte direkte menschliche Einflüsse, wie die Erniedrigung des globalen ozeanischen Ph Wertes (ca. -0.1 Ph seit der industriellen Revolution), eine Folge des von der Atmosphäre in den Ozean gemischten Kohlendoxids, oder verstärkter Nährstoffeintrag über die Flüsse habe da ein deutlich grösseres Gefahrenpotential. Obendrein werden im IPCC Bericht auch einige möglicherweise positive Konsequenzen höherer Temperaturen genannt: Wachsende eisfreie Regionen, die als “neue” Lebensräume zur Verfügung stehen und längere Wachstumsphasen. Forellen etwa reagieren mit besserem Wachstum auf höhere Wintertemperaturen. Die Prognose der direkte Konsequenzen höhere Temperaturen sind also eher durchmischt und keineswegs alarmierend.
3) Indirekte Konsequenzen des Klimawandels sind hingegen höchst unklar, und das bereits auf physikalischer Ebene. Wir wissen aus längeren Beobachtungsreihen, dass etwa tropischer Thunfisch (skipjack und yellowfin) stark von ENSO Variationen betroffen sind. Der Nordpazifik steht unter dem Einfluss dekadischer und recht abrupter Zirkulationsschwankungen (Pacific Decadal Oscillation, PDO). Letzteres wurde nicht etwa von einem Klimatologen, sondern von Nathan Mantua, einem Fischereiexperten, der sich mit den Fangquoten von Alaskalachs beschäftigte, herausgefunden. Wie werden sich diese natürlichen Oszillationen im verstärkten Treibhaus ändern? Die Modelle geben darauf recht unterschiedliche Antworten und ich denke, “Wir wissen es nicht genau” kommt der Zusammenfassung des IPCC am nächsten.
4) Bleibt also insbesondere der direktest mögliche Einfluss des Menschen auf die Fischbestände zu betrachten: Die Fischerei. Es gibt eine ganze Reihe von Anzeichen, dass wir hier alle Limits gesprengt haben. Die Zahl der auf die rote Liste zu setzenden Fischarten wird laufend länger. Letzten Sommer etwa wurde ein Mittelmeerfangverbot für red tuna von der EU ausgesprochen. Der momentane Bestand wird noch auf 6% der ursprünglichen Bestände geschätzt. Einzelne besonders grosse und prachtvolle Exemplare werden auf der Tokyoter Fischbörse zu mehreren 10.000 Euro gehandelt, so dass man sich schon denken kann, wie sehr solche Verbote greifen werden.
Bild 2: Globaler Artenverlust in marinen Ökosystemen. Diamant Symbol: Kollaps von Arten. Dreiecke: Aufsummierte Kollapse. Kollaps ist dabei definiert als das unterschreiten von 10% der maximal Fangmenge bestimmter Fisch- oder Wirbellosen-Taxa. Die Farben, in der eingelassenen Weltkarte, geben die Artenvielfalt in den verschiedenen Gewässern an.
Im Jahre 2006 kam es dann zu dem Diktum, was bislang die Fachwelt heftig bewegt. Boris Worm, ein mariner Ökosystemexperte der Dalhousie Universität Halifax, veröffentlichte mit einem dutzend Kollegen eine Studie in Science, die sich mit dem Zusammenhang zwischen mariner Bio-diversität und der Fähigkeit dieser Ökosysteme beschäftigt, auf Störungen, Stress oder Überfischung zu reagieren und sich zu erholen. Von kleinskaligen experimentellen Studien bis hin zu riesigen marinen Ökosysteme fanden sie einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Diversität und Robustheit der Systeme. Die eigentliche Aufruhr, die dieses Paper aber verursachte lag darin, dass es eine Abschätzung lieferte, wann es zum globalen Kollaps des kommerziellen Fischfangs und der sie unterhaltenden Ökosysteme kommen würde. 50 Jahre Daten zu schwinden Fisch Taxa weltweit extrapolierte Worm auf das Jahr 2048, dem Jahr, in dem es in den globalen Ozeanen keinen Fisch, den wir gemeinhin so verzehren, mehr zu fangen gäbe.
Der Artikel löste den sogenannte Fischerei-Krieg der Wissenschaftler aus. Schon in der nächsten Science Ausgabe hagelte es eine Reihe von Kommentaren. Einer etwa war von Ray W. Hilborn, Fischerei-Experte aus Seattle, verfasst und began mit den schönen Worten: “Such a projection (gemeint ist der Kollaps der globalen Fischerei im Jahr 2048) is fallacious an inappropriate to appear in a scientific journal.” Die meiste Kritik entzündete sich dabei, für mich überraschend, an Worms Definition davon, wann man von Kollaps sprechen darf. Worm definierte Kollaps das Unterschreiten von 10% der Alltime-Maximums-Fangmenge. Diese Definition basiert auf der Idee, dass man annimmt, dass es einen linearen Zusammenhang zwischen Fangmenge und Bestand gäbe. Ich finde diese Annahmen ehrlichgesagt recht harmlos und logisch, aber wie gesagt, seit Worms Paper tobt der Fischerei Krieg.
Die Antwort auf all diese Entwicklungen scheint relativ klar: “Sustainable Fishery” und ich setzte hier mal einen Link auf eine Liste von Fischen, die man im Restaurant oder beim Händler meiden sollte. (Ich habe leider keine solche Liste in Deutsch gefunden. Kann da vielleicht jemand helfen?) Jedoch bezweifeln einige Experten selbst solche gutgemeinten Konzepte. So meinte Daniel Pauly in einem Interview in La Recherche, dass das ganze Konzept eines Schutzes Fischart für Fischart nicht fruchten würde. Nur ein allumfassender Schutz ganzer Ökosysteme könne solche Arten wie den Kabeljau oder den Roten Thunfisch noch retten. Er sieht den Ozean auf eine Reise in Richtung Präkambrium: Von einem nährstoffarmen System dominiert von den grossen Fischarten zu einem nährstoffreichen System dominiert von Algen und Mollusken. Jeremy Jackson vom Scripps fasste diese Zukunftsvision kurz und treffend mit dem Ausdruck “the rise of slime” zusammen.
Und das meinen wohl auch die hoch-intelligenten Delphine bei Arthur Dent:
So long, and thanks for all the fish
So sad that it should come to this
We tried to warn you all, but, oh, dear
You may not share out intellect
Which might explain your disrespect
For all the natural wonders that grow around you
So long, so long, and thanks for all the fish! The world’s about to be destroyed
There’s no point getting all annoyed
Lie back and let the planet dissolve around you
Despite those nets of tuna fleets
We thought that most of you were sweet
Especially tiny tots and your pregnant women
So long, so long, so long, so long, so long!
So long, so long, so long, so long, so long!
So long, so long, and thanks for all the fish!
If I had just one last wish
I would like a tasty fish!
If we could just change one thing
We would all have learnt to sing!
Come one and all
Man and mammal
Side by side
In life’s great gene pool!
So long, so long, so long, so long, so long
So long, so long, so long, so long
So long, so long and thanks for all the fish!
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