Lesen “Klimaskeptiker” ein wissenschaftliches Paper und loben es danach, so gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Paper ist von eher fragwürdiger Qualität (kommt vor, selbst bei peer reviewten Arbeiten) oder sie haben es nicht verstanden und loben, weil eines ihrer Pawlowschen Schlüsselwörter gefallen ist. Und des Skeptikers Lieblingswort ist natürlich die Sonne. Wann immer vom Einfluss der Sonne aufs Klima zu hören ist, läuft den üblichen Verdächtigen also die Spucke zusammen und jetzt war es mal wieder soweit (hier bei Watts lohnt es sich übrigens immer mal einen Blick in die Kommentare zu werfen, um eine Vorstellung von den Möglichkeiten gedanklicher Trägheit zu bekommen! oder hier). Was ist also geschehen?
Bild1: Monatliche Sonnenflecken und HadCRU globale Temperaturen.
Die Sonne variiert auf vielen Zeitskalen in ihrer Intensität. Am bekantesten und am besten untersucht ist dabei der 11 Jahres Sonnenflecken-zyklus. Es sind meist nicht genau 11 Jahre (eher zwischen 10-12) und es ist auch kein Zyklus im Sinne einer regelmässigen Sinus-Schwingung (siehe Bild 1). Letzteres scheint erstmal nicht so wichtig, aber wer sich aus der Schule daran erinnert, dass ein relativ zackiges Treppenmuster zerlegt und dargestellt werden kann durch Sinus und Cosinus Funktionen (Fourier-Zerlegung), der kann ahnen, dass durch ein solch eher zackiges, solares Signal allerlei Frequenzen angeregt werden können und nicht nur ein 11 Jahressignal. Das nur vorne weg und nebenbei.
Sieht man denn etwas von diesem 11 Jahreszyklus in den Beobachtungen? Nun, das meiste sieht man wohl in der Stratosphäre. So kommt es wegen der relativ grossen UV Schwankungen im Sonnenspektrum, die ebenfalls mit dem 11 Jahreszyklus einher gehen, zu einer verstärkten Produktion von Ozon in der Stratosphäre (etwa +3% mehr Ozon), somit verstärkter UV Absorption und letztlich Erwärmung (bis +2K in der oberen Stratosphäre). Aber kommt auch etwas am Boden, wo wir leben und unsere Thermometer aufgestellt haben, an?
Bild 2: Sonnenflecken und globale Temperaturen (HadCRU) über die letzten ca. 100 Jahre. Die Monatswerte aus Bild 1 wurden per Wavelet Analyse in einen niederfrequenten Anteil getrennt, der das 11 Jahressignal unterstreicht (siehe hier). Obwohl es auch Situationen ausser Phase gibt, scheinen die meisten Sonnenmaxima mit zweiter Ordnungsmaxima der Temperatur zusammenzufallen. Der Einfluss der Maxima wird auf ca. 0.1K geschätzt.
Bild 1 (welches ich schon einmal hier gezeigt habe) zeigt den 11 Jahreszyklus, hier bestimmt durch die Sonnenfleckenanzahl (das ist eine recht unkritische Annahme, denn irgendwie korreliert bei der Sonne alles mit allem: siehe hier) , und die globalen Temperaturen nach HadCRU. In der Tat, manchmal scheinen die kleineren Peaks in der Temperaturen mit Maxima/Minima der Sonnenflecken zusammenzufallen, und manchmal nicht. Schauen wir also nochmal genauer hin. Ich hatte vor einiger Zeit bereits eine Wavelet-Zerlegung der beiden Signale gezeigt (Bild 2). Man kann noch deutlicher sehen, dass der Sonnenzyklus möglicherweise an der dekadischen Variabilität der Temperaturen beteiligt ist. Gerade in der zweiten Hälfte des 20ten Jhd scheinen Sonnenflecken und Temperaturen auf der entsprechenden Zeitskala, also ca 11 Jahre, zu korrelieren, doch davor zu Beginn des 20ten Jhd findet man auch genau das Gegenteil. Sei es wie es sei, führt man eine saubere multivariate Regression durch, die auch die anderen Klimafaktoren (Aerosole, Vulkane, Treibhausgase, etc.) berücksichtigt, so gehen die Klimaforscher davon aus, dass die variable 11 jährige Sonnenaktivität die globalen Temperaturen ca. ±0.1K beeinflussen.
Bild 3: Die von Satelliten aus beobachtete Variation der Solarkonstante (Total Solar Irradiance) über die vergangenen 30 Jahre hinweg. Kein messbarer Trend, aber eine Amplitude des 11 Jahreszyklus von ungefähr 1W/m2.
Aber wie? Das Dumme ist nämlich, dass die Variationen der abgestrahlten Energie der Sonne, die Total Solar Irradiance (Bild 3) einfach nicht ein ausreichendes Forcing zu liefern scheinen. Von Peak zu Peak sehen wir eine Variation der Solarkonstante von ca. 1W/m2, das macht als Forcing am Oberrand der Atmosphäre 0.175W/m2 (wir sprechen von TOA, Top Of the Atmosphere, Forcing: TSI/4 {für die Geometrie der Erde} *0.7 {Erdalbedo}=0.175) . 0.1-0.2 W/m2: das ist deutlich zu wenig (Faktor 3-4) für unsere Klimamodelle. Es müssen also Mechanismen im Spiel sein, die sehr spezifisch ein solares Signal verstärken und aus der Stratosphäre in die Troposphäre bringen, zumindest wenn man mal an die solaren ±0.1C (Bild 2) glaubt und daran, dass die obige Analyse eines solaren 11 Jahressignal in den globalen Temperaturen hinreichend robust ist.
Gerald Meehl und einer der Veteranen der Atmosphärenforschung, Harry van Loon (hier ein schönes Interview, dass Hans von Storch mit van Loon geführt hat), beide vom NCAR in Boulder, Colorado, arbeiten seit einiger Zeit an diesem Problem. Zuerst galt es überhaupt ein Muster von Zirkulations- und Druckanomalien ausfidnig zu machen, welche irgendwie mit der Sonnenaktivität korrelieren. Sodann müsste ein solcher rein statistischer Zusammenhang interpretiert werden, d.h. man muss die Mechanismen beschreiben können, die von dem spezifischen solaren Forcing zu diesen Mustern in den Wind- und Druckfeldern führte . Und schliesslich müsste man testen, ob diese Mechanismen in unseren Klimamodellen wirken und wir also diesen Einfluss der Sonne nachbilden können.
1) Das Target
Bei der Analyse der verfügbaren Daten fiel van Loon und Meehl auf, dass bei den meisten Sonnenaktivitätsmaxima (tatsächlich gibt es soviele nicht, um statistische Analysen mit Klimadaten zu betreiben. Van Loon und Meehl betrachten 11 solcher Maxima) die subtropischen Hochdruckgebiete im Pazifik leicht verstärkt ausfallen, infolgedessen die Passatwinde starker ausfallen und entsprechend mehr kaltes Wasser aus tieferen Ozeanschichten nach oben pumpen können. Das resultierende Temperatursignal sieht in etwas auf wie La Niña, die Kaltphase der grossen pazifischen Klimaoszillation ENSO, El Niño Southern Oscillation (siehe Bild 4 unten).
Erste Überraschung also: Die die Aktivitätsmaxima begleitenden Zirkulations- und Temperaturmuster ähneln dem typischen KALTmuster der ENSO Oszillation (I.e. La Niña). Die resultierende Erwärmung (die oben erwähnten +0.1K) ergäbe sich gerade dadurch, dass dieses markante Kaltmuster längs des Äquators (siehe Bild 4) gerade von grossflächigen aber weniger deutlichen Warmmustern in den Extra-tropen kompensiert würde.
Zweite kleine Überraschung: Nur die Maxima tun überhaupt irgendetwas. Die Minima zeigen keinerlei gemeinsames Muster, weder in den Ozeantemperaturen, noch in den Windfeldern, noch im Bodendruck, insbesondere sind sie NICHT das Gegenteil der Maxima. Sonnenaktivitätsminima verschwinden einfach in der Klimatologie und werden in den Analysen von Meehl und van Loon auch nicht weiter betrachtet.
2) Der Mechanismus
In ihrem in der letzten Woche in Science erschienenen Artikel beschreiben Gerald Meehl und Kollegen insbesondere zwei Mechanismen, die sie schön griffig den “bottom-up” und den “top-down” Mechanismus nennen.
Der “bottum-up” Mechanismus findet an der Ozeanoberfläche statt. Die
verstärkte Einstrahlung (TSI) in den relativ wolkenlosen Subtropen, führe zu verstärkter Verdampfung. Die somit feuchtere Luft wird mit der allgemeinen Zirkulation zu den Gebieten aufsteigender Luft in den inneren Tropen transportiert (die sogenannte ITCZ, InterTropical Convergence Zone) und intensiviert so den gesamten hydrologischen Zyklus im tropischen Pazifik. Das bedeutet eben verstärkte Passatwinde (auf grund der stärkeren Vertikalbewegung in den Tropen, siehe oben) aber auch verstärktes Absinken trockener Luft in den Suptropen (der absteigende Ast der ITCZ). So gibt es dann eben noch weniger Wolken in den Subtropen, somit noch mehr Verdampfung, die noch mehr Wasserdampf dem ganzen Mechanismus zur Verfügung stellen. All diese Prozesse und Abläufe sind im Grunde gut bekannt, denn es sind die gleichen Prozesse, die ein erstmal angestossenes La Niña Ereigniss ebenfalls verstärken und als multi-annuelles Ereignis am Leben halten.
Der “Top-down” Mechanismus, der von der UV-Ozon Wechselwirkung lebt. Die dadurch erwärmte Stratosphäre ändert die Temperaturgradienten an der Tropopause und erzeugt komplizierte Wellenwechselwirkungen, die in ihrer Summe genau wie der “bottom-up” Mechanismus die ITCZ intensivieren und wie bei einem Niña Ereigniss die tropische Konvergenzzelle verbreitert.
Bild 4: Aus Meehl et al. Science 09. Temperatur- und Niederschlags-Muster welches mit dem Solaren Maximum assoziert ist. Oben die Beobachtungen (a/b), dann in einer Modelversion, welche nur den bottom-up Mechanismus darstellen kann (c/d), dann nur den top-down Mechanismus (e/f) und dann alles zusammen (g/h). Die Übebereinstimmung zwischen den Beobachtungen und dem voll gekoppelten Modell ist zwar nicht perfekt, geht aber in die gemeinsame Richtung eines Pazifischen Kalt-Ereignisses (La Niña).
3) Das Modell
Der vorgeschlagene Mechanismus ist ohne Zweifel kompliziert, die Statistik des gesuchten “Musters” ist sehr knapp (schliesslich gibt es nur 11 Sonnenmaxima und mindestens eines der Sonnenmaxima war ein “normales” Niña Ereigniss). Warum wurde dann Meehls Paper in Science angenommen? Nun es gelang ihm und seinen Kollegen die beschriebenen Mechanismen in einem Klimamodell zu identifizieren. Sie bauten eine Beschreibung der Ozonchemie in eine Version der in Boulder verfügbaren Klimamodelle ein und testeten dann stufenweise den Einfluss der Sonne. Erst nur Stratosphärenchemie und ihre Strahlungsrückwirkung (“top-down”) in einer Modelversion ohne voll gekoppelten Ozean (also ohne den “bottom-up” Anteil), dann umgekehrt eine Version ohne Ozonchemie aber mit gekoppelten Ozean und schliesslich alles zusammen. Nur in der voll gekoppelten Version kommt man ungefähr an die beobachtete Amplitude des Sonnensignals heran (siehe Bild 4). Nur die Kombination beider Mechanismen und ihr sich gegenseitig verstärkender Effekt geht in die richtige Richtung. So berechneten die Autoren ein Oberflächenforcing von va 1W/m2 im tropischen Pazifik und ca. +0.06K globaler Erwärmung bei einem Sonnenmaximum.
Ein paar Anmerkungen meinerseits:
1) Ich finde es seltsam, dass man nur ein Signal bei den Maxima findet und keines für die Minima. Die typischen Niño/Niña Prozesse im Pazifik kann man verstärken und man kann sie auch abschwächen. Warum kann das ein Minimum der Sonnenaktivität nicht?
2) Bevor diese Erklärung von der Community allgemein ackzeptiert würde, müssten die beiden Prozesse (“bottom-up”, “top-down”) in anderen Modellen ebenfalls gefunden werden. Die Chancen dafür sind nicht unbedingt glänzend, denn ein wichtiger Teil der sich selbstverstärkenden Erwärmung des suptropischen Pazifiks ist gerade die Reaktion der tief-liegenden Wolken. Genau die aber reagieren ziemlich unterschiedlich in den verschiedenen Modellen. Schaun wer mal.
3) Ein wichtiger Baustein in der Argumentation von Meehl und van Loon ist gerade, dass sie gezeigt haben, dass die beobachteten Maximamuster (siehe Bild 4) KEINE Niña Ereignisse sind, obwohl sie doch verdammt so aussehen. Sie meinen, dass das Sonnenmuster stabiler ist und länger andauert als ein Niña-Ereigniss und dass ausserdem, das stratosphärische Windfeld auf Grund der Ozonwechselwirkung und somit Erwärmung unterschiedlich aussähe. Hmm, der Punkt ist ok, aber sagen wir mal, da sollte man vielleicht noch dran arbeiten. Es bleibt für mich noch die Gefahr, dass man einfach “zufällig” Kaltereignisse im Pazifik mit den Sonnenmaxima herausgepickt hat und einem Muster hinterherjagt, das gar keines ist.
4) Abschliessend, und die lieben Skeptiker? Ich hab keine Ahnung, was die nun wieder in diesem Paper gelesen haben. Viele schienen super-zufrieden mit dem Paper zu sein, nach dem Motto: jetzt ist der Einfluss der Sonne von den Klimaforschern zugegeben oder etwas in der Art. Ich hoffe, ich konnte klar machen, dass die Klimaforschung seit langem den Einfluss der Sonne hinterherjagt, dass es eine Verstärkung des 11 Jahressignals der Sonne gibt, die sicher noch nicht abschliessend verstanden ist, und dass mit den neuen Arbeiten von Meehl und Kollegen man jetzt einen Ansatzpunkt hat, der erklären könnte, wie dieses winzige Sonnensignal es überhaupt bis in die untere Troposphäre schaffen kann.
Und ansonsten, wie schon dutzende Male erklärt, es gibt seit Dekaden keinen Trend in der Sonnenaktivität. Keinen Trend, kein Beitrag zur globalen Erwärmung. Oder in den Worten Gerald Meehls:
This response (die hier diskutierten Mechanismen, GH) also cannot be used to explain recent global warming because the 11-year cycle has not shown a measurable trend ober the past 30 years.
Literatur zum Thema:
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