Frank Ochmann ist Physiker, Theologe und obendrein Stern Redakteur. Die grössten Kritiker der Elche, waren früher selber welche. Und so sind es gerade die durch ihre seriöse, nüchterne Berichterstattung immer schon aufgefallenen Illustrierten Stern und Spiegel, die erst den Kölner Dom unter Wasser sahen und jetzt in Sachen Klima gelangweilt abwinken. In diesem Monat winkte bei weitem am wirrsten Frank Ochmann ab und dafür sei ihn der Ehrentitel “Klimaschmock des Monats Oktober” verliehen. Ihm gebührt in dieser neu geschaffenen Kategorie die erste Steinplatte in der Hall of Fame. Glückwunsch.
Bild 1: Das Walhalla des klimakritischen Journalismus ist eröffnet. Die Hall of Fame der Klimaschmocks hier bei Primaklima. Der Monat Oktober ist Frank Ochmann gewidmet.
Was hat der Frank Ochmann also zu melden? Eine Weltsensation für ihn war ein Artikel in Nature Geosciences:
Was Wissenschaftler aus den Niederlanden und Deutschland in Bohrproben aus dem Jahr 2004 an spektakulären Pflanzenresten entdeckt haben, stammt aus einer Warmzeit, die vor rund 53 Millionen Jahren – nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal – tropische Verhältnisse in die Arktis brachte.
Daraus folgert Klimaexperte Ochmann zweierlei:
1) Tropische Verhältnisse am Polarkreis sind das normalste in der Welt.
2) In einem Nebensatz des Originalartikels erwähnen die Autoren, dass Klimamodelle solch hohe Temperaturen nicht reproduzieren können. Sie zeigten während der Polarnacht immer Temperaturen deutlich unter null, während die Palmenüberreste mindestens +8°C anzeigten. Also wieder ein Flopp der Klimamodelle.
Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. Die Klimamodelle “floppen” weil sie nicht in der Lage seien, Wintertemperaturen nördlich von Sibirien im frühen Eozän korrekt zu berechnen. Wenn also die Modelle das nicht können, dann kann doch keiner von mir verlangen, irgendwelche CO2 Emissionen zu reduzieren.
In dieser Weise kurz zusammengefasst klingt Ochmanns Kolumne schon dermaszen meschugge wie sie es tatsächlich auch ist, sodass man gar nicht so recht weiss, ob es nötig ist, da noch ins naturwissenschaftliche Detail zu gehen. Trotzdem ein paar Infos mehr dazu, einfach weil es ganz interessant ist.
Zu 1) Der Frank Ochmann mag Palmen (denn um deren Überreste geht es) für eine tropische Pflanze halten, ein Besuch in Nizza, 2 ½ Flugstunden von seiner Hamburger respektive Hannoveraner Redaktion entfernt, kann ihn aber eines besseren belehren. Es sei denn, er meint, die Cote d’Azur seien die Tropen. Der zur Diskussion stehende Artikel von Appy Sluijs und Kollegen erwähnt das Wort Tropen nicht ein einiges Mal. Ein Detail, nur zur Einstimmung. Was auch immer alles zu diesen sehr warmen Bedingungen im frühen Eozän gefuehrt hat, ein Faktor ist natürlich seit langem bekannt und das ist ein einzigartiger Anstieg und nachfolgender Abfall in der 13C (2-3‰ für das PETM und 1-2‰ für das ETM2 (oder auch Elmo event ), über das Ochmann schrieb) Zusammensetzung organischer Kohlenstoffreste. Diese starken Peaks werden mit einem enormen Anstieg der CO2 Konzentration in Verbindung gebracht, deren Ursache eine ungewöhnlicher Anstieg vulkanischer Aktivität oder auch ein riesiges Ausgasen von Methan-Clathraten sein könnte. Es ist also gerade der Treibhauseffekt dieser Gase (CH4/CO2), der sicher einen ganz wesentlichen Anteil an der damaligen Erwärmung hatte. Beide bekannten “Events”, das berühmte Paleocene-Eocene Thermal Maximum (PETM) als auch das hier diskutierte ETM2 oder Elmo Event dauerten, so schnell und event-haft sie auch auf geologischen Skalen erscheinen mögen, deutlich mehr als 100.000 Jahre an. Wenn Ochmann also unter anderem sagen wollte, dass “tropische” Verhältnisse an den Polen kein Problem für die Umwelt seien, hat er einerseits Recht (nach einigen zehntausend Jahren hat sich immer alles irgendwie eingestellt) und redet natuerlich Blödsinn, wenn er das zu den jetzigen Klimaänderungen in Beziehung setzt. Die Menschheit hat leider nicht die Zeit auf eine biologische Anpassung an abrupte Klimaänderungen gelassen 25.000 Jahre warten zu können.
Bild 2: Eine kleine Anstrengung und schwupp, sama angepasst. Fauna des mittleren Eozäns.
2) Kann man Modellen vertrauen, die nicht in der Lage sind, das Elmo Event vor 53 Millionen Jahren abzubilden? “Floppen” diese Modelle also, wie Ochmann meint? Diese Aussage ist ungefähr so dämlich wie ein Patient, der mit einer Krebsdiagnose konfrontiert behauptet, da könne man ja kein Vertrauen zu haben, schliessliche wäre diese Diagnose ja nicht in der Lage die Haarfarbe seiner Urgrossvaters mitzubestimmen.
Die Kontinentalverteilung war zu dieser Zeit deutlich anders, der Arktische Ozean war eine Art Riesensüsswassersee, der teils anoxisch war, also ohne Tiefenzirkulation auskommen musste, ja selbst die Sonne hatte eine leicht niedrigere Intensität. Was sonst noch alles so anders war? Vieles, insbesondere vieles, was wir schlicht nicht ausreichend wissen, war sehr anders vor 55 Millionen Jahren. Aber unabhängig von all diesen Punkten, die ein ernsthaft arbeitender Wissenschaftsjournalist sicher erwähnenswert gefunden hätte, ist sich Ochmann scheinends nicht darüber im Klaren, dass die erdgeschichtlichen Hothouses (also insbesondere die Oberkreide und eben das frühe Eozän) ein allgemeines Problem unseres Verständnis des Klimas darstellen.
Bild 3: Kann sein, dass man mehr als eine Komponente berücksichtigen muss, um das Klima des Eozäns zu verstehen. Kontinentalverteilung vor 50 Millionen Jahren.
Man weiss schon seit seeehr langem von Krokodilen und Lemuren am Polarkreis, nicht erst seit diesem Paper. Man kennt eine ganze Reihe von Temperaturrekonstruktionen, die auf einen ca. +15°C warmen arktischen Ozean während der Kreidezeit hinweisen.
Ein echter Überblick zum Thema, wie es möglicherweise zu warmen (wenn auch nicht tropischen) Temperaturen in der Nähe der Pole kommen konnte, führt jetzt hier deutlich zu weit und sollte mal in einem zukünftigen Blogg-Beitrag behandelt werden. Es mangelt sicher nicht an Ideen, wie z.B. eine teils sehr exotisch anmutende Wolkenphysik eine ursprüngliche Treibhausgaserwärmung weiter verstärkt haben könnte (siehe hier und hier und hier). Auch sollte man sicher nicht vergessen, dass die bei weitem höchsten Temperaturrekonstruktionen (wie die von Sluijs oben) alle von einem relativ neuen Temperaturproxy, Tex86 (Anzahl der Zyclopentanringe in bestimmten Membranen bestimmter Mikroorganismen). Warten wir einfach mal ab, ob diese sehr neuen Resultate (seit ca 2004 existiert die Tex86 Methode) von anderen Methoden bestätigt werden können. Mit den Klimamodellen aber hat all das im eigentlichen Sinne nichts zu tun, es hat mit unserem begrenzten Verständnis des Klimas und seiner Dynamik überhaupt zu tun.
Kann man von all dem etwas über die rezente Klimaänderung lernen? Kann man also eine Brücke zu den heutigen Problemen schlagen, wie das der Herr Ochmann gerne möchte? Sicher kann man mal festhalten, dass alle Warmzeiten gekennzeichnet sind durch hohe bis teilweise sehr hohe CO2 Werte (bis 15 mal so hoch wie der präindustrielle CO2 Wert von 280ppm). Sicher könnte man festhalten, dass zumindest auf wirklich langen Zeitskalen (also noch jenseits der, auf der wir die sogenannte Gleichgewichts-Klimasensitivität definieren, zur Unterscheidung “verschiedener Gleichgewichtssensitivitäten siehe etwa James Hansen et al. 2008) es Feedbacks geben könnte, die eine urspüngliche Störung noch deutlich weiter erhöhen, als es der IPCC vorschlägt, insbesondere in den Polargebieten. In dem Sinne addieren sich die Nachrichten aus dem Hothouse zur Summe der Unsicherheiten, mit denen wir ohnehin schon leben müssen (immerhin 2°-4°C Erwärmung fuer eine CO2 Verdoppelung, was ja auch schon ein grosser Unsicherheitsbereich ist).
Sicher kann man auch erwähnen, dass die Klimaforschung so vieles nicht weiss. Auch die Medizin kennt noch nicht alle Ursachen von Krebs, trotzdem werden die Hinweise der Krebsforschung auf kerbsverursachende Stoffe normalerweise ernst genommen . Nur die Klimaforschung soll jede Temperatur zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort der Erde verstehen und nachbilden können, bevor sie darauf aufmerksam machen darf, dass Treibhausgase eine wärmende Wirkung auf die Oberfläche eines Planeten haben. Ochmann vertut erst gar keine Zeit mit einer Darstellung der Sicherheiten und Unsicherheiten der Forschung. Er greift sich ein x-beliebiges Paper raus, stellt es ohne jeden Kontext vor, baut ein paar Strohmänner darum herum auf und haut sie dann mit grosser Selbstbefriedigung um: Die Modelle floppen wieder. Was aber wirklich floppt ist ein Wissenschaftsjournalismus beim Stern, der diesen Namen verdient.
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