Der Spiegel (in der Druckausgabe) hat ein Interview mit Mojib Latif (Leibniz Institut Kiel) und Jochem Marotzke (Direktor am MPI für Meteorologie, Hamburg) geführt, um herauszubekommen, was um alles in der Welt klimatisch gerade los ist. Schluss mit global warming? Seit einer Dekade gibt es keine globalen Rekordtemperaturen mehr, das ist doch nicht normal.
Zitat der Spiegel:
Erst vor wenigen Wochen hat das britische Hadley-Zentrum für Klimawandel die Aufregung mit seinen neuesten Berechnungen zur globalen Durchschnittstemperatur angefacht: Von 1999 bis 2008 hat sich die Welt demnach nur um 0,07 Grad Celsius erwärmt – und nicht um jene 0,2 Grad Celsius, von der noch der Uno- Weltklimarat IPCC ausgeht. Rechne man zudem die beiden natürlichen Klimaereignisse El Niño und La Niña heraus, so ergebe sich sogar nur ein Temperaturtrend von 0,0 Grad Celsius, konstatieren die britischen Experten – also Stillstand.
Also der IPCC hätte eine Vorhersage von 0.2°C pro Dekade gemacht und nun ist es null. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.
Auch Prof. Marotzke ist ratlos:
„Es ist nicht zu leugnen, dass dies in unserer Gemeinde eins der heißesten Themen ist”, sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Der Klimamodellierer gibt offen zu: „Wir wissen nicht so recht, warum sich diese Stagnation gerade abspielt.”
Ich kann jetzt, zugegeben, nicht sagen, dass das für mich und die Leute, mit denen ich spreche, das nun gerade das heisseste Thema ist (eher das hier), aber in jedem Fall sind alle ratlos.
Grafik 1: Das Ende der globalen Erwärmung? Die globalen Temperaturen vom Hadley Center/CRU und der Trend von 1998 an.
In Grafik 1 habe ich die Situation mal abgebildet. Wie ein braver Klimaskeptiker habe ich rein zufällig das Jahr des Super-El Niños 1998 gewählt und schwupp bekomme ich sogar einen leicht negativen Trend. Es ist also wahr! Das haben die Modelle nicht vorhergesehen, berichtet der Spiegel und ich hänge daher mal eine beliebige Simulation im pessimistischsten Szenario A2 des Instituts von Prof Marotzke mit dran (Grafik 2). Denn das müsste ja bestätigen, dass die Modelle, das nicht vorhergesagt haben.
Was ich erläutern will, ist natürlich, dass der IPCC KEINE Vorhersage von 1998 bis heute gemacht hat. Die konkreten atmosphärischen und ozeanischen Bedingungen des Jahres sind gar nicht hinreichend bekannt, um solche Ausagen zu machen. Das ist in der Tat der Gegenstand aktueller Forschung, ob und wenn wie man so etwas wohl machen könnte.
In den Scenario-Rechnungen seines Instituts kann Jochem Marotzke leicht auch weitere Beispiele für Null dekadische und längere (bis ca 15.Jahre) Trends auch in der Zukunft finden. Obendrein ist in diesen Rechnungen eine Suche nach dem “Warum” (
Grafik 2: Zur Grafik 1 wurde noch ein beliebig ausgewählter Lauf des MPI Klimodells im IPCC Scenario A2 angehangen. Der Lauf wurde der CMIP3 Datenbank entnommen. Man findet leicht Episoden mit Null Trend, länger sogar noch als die zwischen 1998-2009.
Auch fehlt mir nachwievor völlig das Verständnis fürs Problem. Träfe exakt das Scenario A2 des IPCC ein und würde gerade diese Similation des MPI Modells die klimatische Zukunft beschreiben, dann würde in dieser Modellwelt ein virtueller Spiegel Redakteur einen virtuellen Professor Latif und einen virtuellen Prof Marotzke in der Zukunft treffen und wieder würden Sie verzweifelt die Köpfe schütteln: Was ist nur los im Jahre 2035? Warum stoppte die globale Erwärmung nur?
Ich halte das nachwievor für die Suche nach der Nicht-lösung eines Nicht-problems (hier habe ich das Gleiche vor einiger Zeit schon etwas ausführlicher gezeigt). Nochmal, um es ganz klar zu machen: Ich denke nicht, dass das MPI Model in irgendeiner Weise der Wahrheit näher ist als die anderen Modelle, oder dass es besonders toll bei der Simulation dekadischer Variabilität ist (per Auge schätze ich mal, dass El Niño in der Amplitude und Frequenz zu regelmässig im Modell ausfallen, was tendenziell zu einer unterschätzten dekadischen Variabilität führen könnte). Mein Punkt ist, dass die ganze Diskussion von Grund auf daran leidet, dass niemand sich beim Kritisieren der Modelle dieselben und ihre Simulationen überhaupt noch anschaut. Unter der VORRAUSSETZUNG, dass die Modelle richtig liegen, gilt, dass wir uns in den nächsten Jahren (bis ca. 2050) selbst bei starken Anstieg der Treibhausgase (wie im A2 Szenario) in einer klimatischen Situation wie heute (also eine Stagnation der Temperaturen über einen gewissen Zeitraum) befinden MÜSSEN. Ich habe es schon vermisst, dass irgendeiner der Befragten, diesen einfach Umstand dem Spiegel mal mitgeteilt hätte. Aber vielleicht haben Sie ja und der Artikel, den man hier jetzt auch auf Englisch nachlesen kann (das Original ist in der Druckversion des Spiegels), war da nicht so vollständig? Man weiss so wenig.
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