Ich komme wie immer viel zu spät mit der Idee. Florian auf Astrodictum öffnet schon jeden Tag ein Adventstörchen und jetzt sind wir ja schon fast am 2ten Advent. Trotzdem gibt es jetzt die folgenden Tage immer mal einen kurzen Kommentar zu einem der angeblich unzähligen Archive, die eine mittelalterliche Warmzeit belegen. Diese Warmzeit, ihre Ausdehnung und Stärke ist eine sehr umstrittene Sache in der Paläoklimatologie und unzählige Skeptiker-Seiten “belegen” scheinends aus der wissenschaftlichen Literatur heraus, dass diese Warmzeit, irgendwann zwischen dem Tod Karl des Grossen, 814 und der Schlacht bei den Navas de Tolosa, 1212, es eine Epoche gegeben hat, die so offensichtlich viel wärmer war, als es das heute ist.
Bild 1:Paleo-Rekonstruktionen der Nordhemisphäre über die letzten 1000 Jahre aus dem IPCC AR4.
Die folgende Abbildung ist aus dem IPCC und zeigt die verschiedenen Rekonstruktionen der nordhemisphärischen Temperaturen, die soweit zurückreichen. Das folgende ist die sehr gemessene und vorsichtige Zusammenfassung im IPCC:
The evidence currently available indicates that NH mean temperatures during medieval times (950-1100) were indeed warm in a 2-kyr context and even warmer in relation to the less sparse but still limited evidence of widespread average cool conditions in the 17th century (Osborn and Briffa, 2006). However, the evidence is not sufficient to support a conclusion that hemispheric mean temperatures were as warm, or the extent of warm regions as expansive, as those in the 20th century as a whole, during any period in medieval times (Jones et al., 2001; Bradley et al., 2003a,b; Osborn and Briffa, 2006).
PS Die gleichen Autoren (Pollock, Huang) haben sich die tiefen Bohrlöcher nochmal angesehen und kommen zu wesentlich anderen Resultaten. Das LGM ist jetzt NH weit ca -4.5° kaelter (viel besser, aber vielleicht immer noch nicht kalt genug) und das MWP ist da, aber ungefähr 0.5 kälter als es da heute ist. Neben all den Anmerkungen oben und in den anderen Links sei daran erinnert, dass wegen der immer gröberen Auflösung des Temperatursignals in der Verangenheit stärkere T-Variationen in den geglätteten Temperaturenkurven verborgen sein könnten.
Zum Artikel geht’s hier.
H/T Flamme
Wie kommt es also zu dieser Diskrepanz zwischen IPCC Darstellung und Klima-Skeptiker Wahrnehmung? Bevor ich mit einer Serie von Adventsbeiträgen (ob’s zu einem pro Tag reicht, bezweifel ich mal) die Probleme verschiedener Paleo-Rekords ein bisschen diskutiere, nur soviel. Wenn die MWP wirklich wärmer war, als es das globale Klima heute ist, dann wäre das eine sehr schlechte Nachricht. Wir haben eine zwar nicht perfekte, aber doch ganz gute Idee, wie sich das Klimaforcing in den letzten 1000 Jahren geändert hat. Die Sonne hatte ruhigere (Maunder Minimum) und aktivere Phasen (MWP), es gab mal mehr mal weniger vulkanische Aktivität. Wenn diese relativ kleinen Schwankungen so grosse Klimaschwankungen produzieren können, dann steht zu befürchten, dass wir auf einem Planeten mit noch deutlich grösserer Klimasensitivität lebten, als wir bislang gedacht haben. Wenn so kleine natürliche Schwankungen so grosse Schwankungen erzeugen, dann würde das deutlich grössere Forcing des rezenten Anstiegs der Treibhausgase deutlich stärkere Konsequenzen haben. Das nur zu den potentiellen Konsequenzen eines unglaublich warmen MWP.
Bild 2: Zoom aus einer Arbeit von Pollock/Huang/Sheng. Die verwandten Daten wurden von den Autoren als qualitativ nicht ausreichend angesehen. Sogut wie jede Skeptiker Seite auf diesem Planeten zeigt dieses Bild (zB hier).
Gehen wir aber mal durch die verschiedenen Paleo-Rekords und schaun mal nach, was man zu Ihnen sagen kann.
Jetzt erst wieder wurde hier bei mir folgender Link gesetzt, welcher unter anderem eine Graphik von Henry Pollack und Shaopeng Huang aus einem GRL Paper 1997 zeigt. Nordhemisphärische Temperaturen basierend auf Bohrlochtemperaturen. Wieso wurde dieses Resultat nie im IPCC berücksichtigt?
Bild 3: Die volltständige Temperatur Rekonstruktion nach Pollock et al. (der Zoom auf die letzten 1000 Jahre siehe oben). Ein lediglich 1.5°C kälteres glaziales Maximum zeigt, dass es Probleme mir der Qualität der Bohrlochdaten gibt. Die Bohrlöcher gehen teilweise bis zu 2km tief, während in fast allen Temperaturrekonstruktionen nur Tiefen bis 300-400 Meter verwandt werden.
Nun, tatsächlich ist die Figur so nicht aus dem Pollockschen Science-Paper. Tatsächlich ging er dort sogar 20.000 Jahre zurück. Um das zu tun, nahmen sie Bohrlöcher, die 2 km tief sind. Um auf die Temperaturen z.B. in der Graphik oben zu kommen, muss man also die heutigen gemessen Temperaturen (tatsächlich scheinen diese nicht vorzuliegen, sondern nur die abgeleiteten Wärmeflüsse) im Bohrloch per Diffusion auf die damaligen Temperaturen zurückrechnen. Ich will das Problem gar nicht weiter ausbreiten, es wurde schon abschliessend von den beteiligten Wissenschaftlern selbst behandelt. Man kennt einfach die Temperaturen, die verschiedenen die Diffusion bestimmenden Faktoren (Porosität, Art des Gesteins, geothermischer Fluss) in 2km Bohrlöchern nicht präzise genug, um solche Rechnungen über so lange Zeiträume (20.000 Jahre!) durchzuführen. Allein die Temperaturrekonstruktion zu Beginn der Zeitserie für das letzte glaziale Maximum mit einer Temperatur von nur -1.5°C kälter als heute, zeigt, dass der Inversions-Ansatz so eben nicht geht. Niemand in der nicht gerade kleinen Bohrloch-Community benutzt diese Arbeit von 98, man beschränckt sich meist auf ein besser vermessenes Netzwerk von Bohrlöchern, die typischerweise bis maximal 400 Meter Tiefe gehen und einen Rückschluss auf die Temperaturentwicklung seit der frühen kleinen Eiszeit zulassen.
Hier fragt William Connolley den Lead-Autor der Studie.
Hier gibt William noch mehr Informationen.
Hier und hier analysiert Eli Rabbet die tiefen Bohrlöcher ein wenig.
Warum diese Studie auf Skeptiker-seiten immer und auf ewig wieder verwendet wird, obwohl niemand, einschliesslich der Autoren, sie mehr verwendet, und obwohl die Autoren des GRL97 Artikels in Science 98 oder in einem Review 2000 Veröffentlichung ein Jahr später erklärt haben, was man maximal mit diesen Daten machen kann?
Ach, die werden schon ihre Gründe haben. Soviel zum Borhole-Gate.
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