Der zweite Tag hatte einen ganz klaren Höhepunkt, die Verleihung der Bjerknes Medaille an Richard Alley und sein etwa einstündiger Festvortrag. Das Video zum Vortrag findet sich hier. Nun ist es ja nicht jedermanns Sache einen einstündigen englischen Vortrag im Internet anzuschauen (der allerdings lohnt sich, auch die Fragen/Antworten am Ende sind interessant) und so gehe ich nur kurz auf ein paar Punkte ein, geb ein wenig meinen Senf dazu und berichte etwas über die Stimmung beim Vortrag.
Bild 1: Richard Alley bei seinem Bjerknes Vortrag.
Im Video (sehr gute Qualität) bekommt man nicht ganz mit, was im Saal los war. Es waren sicher mehrere tausend Personen anwesend, dichtgestaffelt in dem traditionell bei solchen Vorträgen zu kleinen Saal. An allen Seitenwänden standen die Leute den ganzen Vortrag über. Was man auch auf dem Video nicht mitbekommt ist die aufgekratzte und heitere Stimmung im Saal. Viele sagten mir nach dem Vortrag, dass das nichtmals der beste “Alley” war, den sie bisher so gesehen haben, aber es ist ja wohl jedem beim Betrachten dieses Videos klar: Der Mann kann Wissenschaft vermitteln. Ich wusste auch nicht, dass es eine ganze Reihe Alleys im Internet gibt. Leser “justme” hat hier schon etwas gepostet: Alleys Erklärung zur Plattentektonik und Vulkanismus zu Johnny Cash’s Ring of Fire.
Alley arbeitet nicht selber zu dem Thema seines Vortrags. Er ist Experte der grönländischen und antarktischen Eisschilddynamik, ihrer Konsequenzen für den Meeresspiegel und der Interpretation von Eiskerndaten. Dabei nutzt er meist einfache semi-empirische Modelle und schaut dann nach, ob sich die einfachen Antworten auch in den komplexen mechanistischen Modellen finden lassen. Aber dieser Abstand zum Thema des Vortrags, dem “biggest climate control knob in Earth history”, also zur Rolle des CO2 auf den gaaanz langen Zeitskalen, tut ja meistens eher der Klarheit gut. Mir hat der Vortrag jedenfalls sehr gut gefallen.
Bild 2: CO2 Entwicklung basierend auf unterschiedlichen Proxies und unterschiedlichen Modellen im Vergleich zum Auftauchen von Eisschilden.
Erster Stop: Das ganz grosse Bild. Warum ist das Klima der Erde nie völlig aus den Fugen geraten? Es gab durchaus mehrere Chancen in der Geschichte der Erde in eine absolut lebensfeindliche Umgebung abzugleiten, mal viel zu heiss, mal viel zu kalt. Warum kam es nicht dazu? Die Erde besitzt tatsächlich den einen oder anderen Thermostaten, der ein solches Ablgeiten ins Nirwana immer wieder verhindert hat. Der bekannteste und allgemein ackzeptierte ist der Thermostat des Zwischenspiels zwischen Vulkanismus und Verwitterung. Auf einer Zeitskala von ca. 500.000 Jahren schnappen sich die Vulkane den Ozeanboden mit seinen Karbonat und Silikatsedimenten, kochen ihn kurz durch und setzen dabei grosse Mengen CO2 frei, welches (habe ich das schonmal erwähnt?) ein Treibhausgas ist und die Atmosphäre aufheizt. Das führt zu mehr Niederschlag, auch über den Kontinenten. Das wiederum führt zu mehr Verwitterung von Silikaten (Wollastonit), die beim Verwitterungsprozess CO2 aus der Atmopshäre saugen. Die Endprodukte dieses Verwitterungsprozesses werden in den Ozean gespült und dort von Silikat- und Karbonatbildenden Organismen wieder auf den Ozeanboden deponiert. Diese Schlüsselingredienzen des Ozeanboden brauchen dann nur 500.000 Jahre warten bis sie tektonisch zusammengschoben und erneut den Vulkanen zugeführt werden. Dort entstehen wiederum Kalzium-Silikate unter Freigabe von CO2, womit wir wieder am Anfang wären. Das hat natürlich schon ein Geschmäkle von Gaia. Dieser Feedback Mechanismus wirkt auf einer langen Zeitskala und so bleibt natürlich reichlich Spiel für wilde Klimaschwankungen, wie z.B. die Snowball Earth Vereisungen, auf die ich jetzt aber nicht weiter eingehen will.
Bild 3: CO2 Entwicklung und Ozeantemperaturen während des Känozoikums, der Zeitspanne, in der die Säugetieren das Sagen übernommen haben. Beachtlich besonders die Auflösung des PETM als kleiner scharfer Peak zu Beginn des Eozäns. Deutlich wird auch der langsame und immer wieder kurz unterbrochene übergang vom Hothouse zum Icehouse.
CO2 Rekonstruktionen auf richtig langen Zeitskalen bleiben eine sehr wackelige Angelegenheit und doch wurden in den letzten 10 Jahren unglaublich viele neue Daten hinzugefügt. Bor-Isotope erlauben einen Rückschluss auf den Ph Wert des Ozean und der wiederum eine Rekonstruktion des atmosphärischen CO2. Fossilierte Pflanzen können auf ihre Stomata Anzahl analysiert werden. Pflanzen bilden mehr oder weniger Stomata, je nachdem wie hoch die CO2 Konzentration in der Luft ist. Keine dieser Methoden ist absolut sicher und die von Dana Royer veröffentlichte Zusammenfassung zeigt auch teilweise grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Rekonstruktionen. So belegt die 13C Methode der Paleoböden und die Stomata-Methode ziemliche Unterschiede im Trias und in der Jura (200-250 Ma). Trotzdem wird immer deutlicher, dass auch auf diesen riesigen Zeitskalen das CO2 den Takt bestimmt. Die Zeitabschnitte mit uebereinstimmend niedrigen CO2 Gehalten, das Pleistozän/Pliozän, in dem “wir” (unsere Spezies) gross geworden sind und das Karbon/Perm (350-250Ma) zeigen beide deutliche Zeichen von Abkühlung in einem ansonsten Hothouse-Klima.
Bild 4: Details des PETM. Das 13C Signal und das Karbonat Signal stehen für einen gewaltigen atmosphärischen CO2 Eintrag in den Ozeans, das 18O ist ein Proxy der Ozeantemperaturen. Man beachte die langsame Rückkehr (~100ka) des 13C Signals zu einem prä-PETM Zustand.
Alley ging dann auf den Zeitabschnitt ein, der von den Säugetieren und letztlich unserer Spezies bestimmt wird und für den wir bereits ausgezeichnete Rekonstruktionen der Ozeantemperaturen haben. Seit James Zachos diese auf 18O Wasserisotopen benthischer Foraminiferen basierenden Temperatur-Rekonstruktion veröffentlichte (2001, Science), kann man auf dieser Zeitskala detaillierte und quantitative Klimaphysik betreiben. Sofort fällt natürlich der kleine Peak zu Beginn der Serie auf, das berühmte Paleocene-Eocene-Thermal-Maximum (PETM). Es wird von einem schnellen Abfall des ozeanischen 13C begleitet und man kann annehmen, dass irgendein C-Reservoir abrupt instabil wurde und losfeuerte. Viel diskutiert wurden Methan-Clathrate, hier auf der AGU wurden in anderen Vorträgen aber auch terrestrische organische C-Lager diskutiert. Die freigegebene Menge ist gewaltig (6000GTC) und könnte von uns ohne Hilfe der Natur nur unter einigen Anstrengungen mobilisiert werden (also wirklich bis zum letzten ölhaltigen Sand). Die Emissionsrate allerdings wurde hier deutlich geringer angegeben. Ein Vortrag sprach von ca. 1/10 der anthropogenen Emissionen, allerdings auf 20.000 Jahre verteilt. Trotzdem gibt das PETM Ereignis eine sehr schöne Abschätzung wie lange ein solcher CO2-Peak braucht, bis das atmosphärische CO2 langsam weggepumpt wird. Die typische Zeitskala scheint so zwischen 50.000-100.000 Jahren zu liegen. Was auch immer wir tun, um unseren kleinen CO2-Peak, den zukünftige Geologe messen werden, zu begrenzen oder eben nicht zu begrenzen: das ist die Zeitskala der Entscheidung.
Langsam sinken die CO2 Konzentrationen und so ist es irgendwann so weit, dass die Antarktis kalt genug wird, um einen Eisschild zu beherbergen. Man beachte den Sprung in den Temperaturen im Übergang zwischen dem Eozän und dem Oligozän. Der Übergang vom Hothouse zum Icehouse ist erfolgt. Zwei interessante Bemerkungen Alleys seien noch erwähnt.
Bild 5: In diesem Jahr veröffentlichte Aradhna Tripati eine auf Borisotopen beruhende Rekonstruktion des atmosphärischen CO2. Der Rekord stimmt sehr gut mit den Eiskernmessungen aus der Antarktis (Epica) zusammen.
Die Messungen der Eiskerne werden ja dadurch bestätigt, dass die Kerne in ihrem oberen Teil direkt in die rezenten Messungen übergehen. Das, so sagen die nutters von der dark side, wird durch Manipulation erreicht. Witziger Weise wird nun der EPICA CO2 Rekord der letzten 800.000 Jahre nun auch von “der anderen Seite” bestätigt. Aradna Tripati hat sich vom Miozän zu unserem Pleistozän herangekämpft und ihre auf Bor Isotope beruhende Methode bekommt für den Teil, den auch die antarktischen Eiskerne abdecken, Schwankungen zwischen 180 bis 280ppm hin. Nicht nur haben die Klimawissenschftler also die Eiskerne über die letzten 100 Jahre manipuliert, nein, sie haben sie auch gleich an ihrem unteren Ende irgendwie an die Bor Isotope angepasst. Toll.
Im Übrigen lag also Tripati zufolge das Miozaen irgendwo um die 400ppm, dem heutigen CO2 Wert. Es war mehr als drei Grad wärmer und hatte einen 25 Meter höheren Meeresspiegel. Muss wohl Zufall sein.
Der zweite Punkt bezieht sich auf Alley Abschlussbemerkung. Es gibt in der Erdgeschichte einige Fälle in der das CO2 in der Atmosphäre sich ohne jeden Klimaeinfluss geändert hat. Das habe ich oben für das PETM gezeigt und das mag für die grossen erdgeschichtlichen Übergänge in gewisser Weise gelten. Sie werden letztlich durch vulkanische Aktivität bestimmt, die wiederum durch die Plattentektonik kontrolliert wird. In den letzten paar 100.000 Jahren aber ist es immer das Klima, das das CO2 bestimmt, und dieses wiederum nimmt als Feedback verstärkend auf die Temperaturen Einfluss.
Bild 6: Ursache und Wirkung. Die Zinsen folgen den Schulden, das CO2 folgt der Temperatur und doch und doch haben die Schulden und die Temperaturen viel mit den Zinsen und dem CO2 zu tun.
Die Bemerkungen zu diesem Thema auf Seiten der Skeptiker sind aufs Neues hirnerweichend traurig. Unser nationaler Hausskeptiker, Vincent Courtillot, hat zu seinem “Erweckungserlebnis als Skeptiker” allen Ernstes in einer TV Diskussion folgendes gesagt: Er habe eine Vorlesung zu dem Thema CO2 und Temperaturen vorbereiten und den antarktischen CO2-Temperatur Rekord zeigen wollen. Genau in der Woche sei aber ein Paper (Nicolas Caillon von unserer Arbeitsgruppe am LSCE) herausgekommen, und das habe zu seiner Überraschung gezeigt, dass das CO2 der Temperatur nachhinke und nicht vorlaufe. Er, wie sicher 80% aller Menschen, die den Film Al Gores gesehen hätten, wäre immer überzeugt gewesen, dass das CO2 die Temperatur kontrolliere und nicht umgekehrt. Das Argument lasse ich vielleicht noch für Monsieur Dupont oder Liesschen Müller durchgehen. Für den Direktor des IPG (Institut de Physique du globe) und einem der renomiertesten Geologen Frankreichs, ist das Statement ein unglaublicher Hammer. Das heisst, er hat jahrelang (so alt ist der Vostok CO2 Rekord ja mittlerweile) die CO2 Variationen betrachtet und hat immer gedacht: Ok, das CO2 varriiert also mit einer 100kyr Periode, einer 40kyr Periode und einer 20kyr Periode. Die entsprechen exakt und genau, aber rein zufällig den Variationen der Erdumlaufbahn. Das CO2 geht also als erstes rauf oder runter und ändert dann Temperatur und Erdumlaufbahn. Sagenhaft. NIEMAND, der nur ein Minimum über die vorliegenden CO2 und Temperaturdaten im Eis nachdachte, brauchte jemals das Paper von Nicolas Caillon, um das hinterherhinken des CO2 zu entdecken. Es folgt direkt daraus, dass das CO2 Periodizitäten zeigt, die mit den Milankovitch Zyklen (also den Änderungen der Erbahnparametern) identisch sind.
Alley schliesst mit einer witzigen Analogie zum CO2 Feedback in den letzten 800.000 Jahren, die den Primaklima Lesern natürlich nicht vorenthalten will. Sie gehen zum Weihnachtsshopping und hauen so richtig auf die Kacke. Das Konto ist rettungslos überzogen, und natürlich fängt ihre Kreditkartenfirma sogleich an, kräftig Zinsen zu nehmen. Also werden die Schulden noch grösser. Schuldenmachen läuft also VOR den Zinsen. Was halten Sie also von der Skeptikerdenke, dass daraus folge, dass Zinsen keinerlei Einfluss auf ihren Kontostand und die letztlich verbuchten Schulden haben?
Zitat, Richard Alley.
Alley war auch bei den Fragen, also den Teil, den er nichtvorbereiten konnte, gross in Form. Auf die tatsächlich interessante Frage, ob man nicht die Silikatverwitterung künstlich beschleunigen könnte, um das CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, verwies er auf einige aktuelle Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen. Angesicht der Kosten, der Unsicherheiten und der umweltbelastenden Nebeneffekte solchen Geo-engineerings, verwiess er aber darauf, dass es sicher einfacher sei, das Zeug gar nicht erst in die Atmosphäre zu bringen. Der Saal war kurz vor Standing Ovations.
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