Gerhard Schulze ist Soziologe und Professor für empirische Sozialforschung an der Universität Bamberg. Er hat es aus dem Stand und ohne jede Probleme zum Klimaschmock des Monats November, wenn nicht des Jahres geschafft, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass der Dezember noch etwas zulegen kann. Normalerweise macht er wohl das, was man von Soziologen erwartet, nämlich meinethalben Bücher schreiben mit solchen Titeln wie: “Jenseits von Babylon. Über die Wiedergewinnung von Intersubjektivitat. ”
Er schrieb nun ein Essay in der “Welt”, welches zum Dümmsten gehört, was je zum Klimawandel geschrieben wurde, und die Konkurrenz ist wahrlich hart. Schon mit der kurzen Zusammenfassung stösst er sich kraftvoll ab ins Lala-Land zwischen Esoterik und Worthülsen-Rhetorik:
Hinter dem Klima-Streit steckt nur eine fixe Idee. Vieles spricht dafür, dass alles bleibt, wie es immer war. Denn die Erde ist ein sich selbst regulierendes System
Watt ist dat? Was stellt sich ein Professor für Soziologie unter einem “selbstregelnden System” vor? Ich will es gar nicht wissen. Ein brennender Wald ist auch ein sich “selbstregelndes System”. Vielleicht soll es im Sinne Richard Lindzens bedeuten, dass die Erde von stark negativen Feedbacks kontrolliert ist? Ach was, es ist einfach so ein dahin geplapperter Wohlfühl-Ausdruck ohne Sinn und Bedeutung, denn schliesslich, kurz danach, fährt Schulze ja fort über die ewig klimaschwankende Erde zu schwadronieren. Also entweder Hü (alles bleibt sowieso wie es ist und regelt selbst) oder Hott (die Erde ist ewig im Wandel und 3°C Erwärmung pro Jhd ist einfach business as usual).
Bild 1: Eingezogen ins Lala-Land deutschen Klima-Journalismus ist im Monat November Professor Schulze mit seinem Coming Out als bohrender Nachfrager zu einem Thema, an dem er nicht im mindesten interssiert ist. Der Titel “Klimaschmock des Monats November” daher an Soziologie-Professor Gerhard Schulze.
Es geht dem Professor Schulze im Folgenden um einen Begriff von Normalität. Wie könne man ein Klima schützen, wenn man keine Vorstellung vom “normalen Klima” hätte? Schon die Frage des Essay “Was ist eigentlich normal?” soll eigentlich bedeuten: “Hier wollen einige Fanatiker im wilden Garten des Herrn die schönen und ungezämt spriessenden Klima-Rosen beschneiden”. Man sieht ihn geradezu in der Rolle der Maud im Hippiefilm “Harold and Maude” die bedrohte “Klima-Anormalität” schützen. Kein Wort davon, dass eine globale 3°Grad Erwärmung uns in 100 Jahren mal kurz in das erdgeschichtliche frühe Pliozän oder spate Miozän katapultiert. Auch ein Professor für Soziologie kann erkennen, dass das nicht “normal” ist und eventuell ein wenig Stress für Tier-, Pflanzen- und Menschenwelt darstellt.
Danach, flugs ein paar Strohmänner aufstellen und nicht vergessen sich beim einfachen Leser, der doch immer von den Experten gegängelt wird, anzubiedern. Wieso darf der Soziologe Klimaforschung betreiben?
Will er als ahnungsloser Laie etwa abstreiten, dass die Malediven im Meer versinken, die Polkappen schmelzen und die ganze Welt sich langsam in einen Glutofen verwandelt? Wenn wir nicht endlich etwas tun, werden Monsterwellen New York unter sich begraben, da sind besorgte Filmemacher und Experten sich einig.
Grotesk. Man nenne mir einen einzigen Experten, einen einzigen Klimaforscher, der mit dem Film Roland Emmerichs übereinstimmte. Aus dem völligen Desinteresse und Unkenntnis, was in der Klimaforschung eigentlich diskutiert wird, eine Tugend machen, zeichnet das den Soziologen aus?
Und hier schliesslich der Höhepunkt von Schulzes Verständnis der Klimaforschung:
Jeder einigermaßen kluge Kopf kann sich an einem Wochenende mit dem Hauptargument der Klimaschützer vertraut machen. In den letzten 150 Jahren hat sich der CO2-Gehalt der Luft von 0,028 auf 0,038 Prozent erhöht, also um etwa 0,01 Prozent der Atmosphäre. Auf die Frage, warum eine so winzige Menge Bedeutung haben soll, gibt uns die Chaostheorie eine fast schon volkstümliche, wegen ihrer Poesie allseits beliebte Antwort: Weil der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Taifun auslösen kann.
Jeder einigermaszen kluge Kopf, eben. Warum setzt Schulze die CO2 Menge in der Atmosphäre nicht gleich zur Masse des Universums in Verbindung? Dann wird die Prozentzahl noch kleiner. Weder die Chaostheorie (dieser Name für das Studium nicht-linearer gekoppelter Differentialgleichungen hat mehr Schaden in den Köpfen mancher Geisteswissenschaftler angerichtet als das gesamte Oeuvre Roland Emmerichs am rechten Verständnis intergalaktischer Reisen) noch die Klimawissenschaften haben jemals den berühmten Schmetterling Ed Lorenz’ als Erklärung dafür herangezogen. Mehr als 99% der Atmosphärischen Gase sind im Infraroten (IR) transparent. Da die gesamte Energieabgabe der Erde über die Abstrahlung im IR geregelt wird und da das CO2 etwa 20% dieser Abgabe kontrolliert (für die Details siehe etwa hier oder hier), entsprechen der ~35% Anstieg des CO2 seit der industriellen Revolution zumindest mal in einer Milchmädchen/Soziologie-Professoralen Rechnung einem Anstieg des Treibhauseffekt der Erde im Prozentbereich (der Anstieg des CO2 hat einen logarithmischen Effekt auf das Strahlungsforcing, daher sind es nicht 35% von den ca. 20% sondern weniger).
Ferner steht Lorenz’ Bild mit dem Schlag des Schmetterling gerade eben für den chaotischen, also nicht vorhersagbaren Charakter des Wetters. Die Klimaforschung behauptet aber gerade das Gegenteil, nämlich dass die Änderung einer wichtigen Einflussgrösse einen berechenbaren Einfluss auf die Energiebilanz der Erde haben wird. Schulzes Schmetterling ist also a) völlig daneben und b) hat nicht das Geringste mit irgendeinem Konzept des Klimawandels einerseits oder der Chaostheorie andererseits zu tun.
Das Klimageschehen ist komplex und weitgehend unerforscht. Das ist jedem bekannt, der sich mit der Materie beschäftigt.
“Weitgehend unerforscht” und irgendwie “komplex”, sicher doch. Mit so Sätzen werden einem normalerweise Wünschelruten und Energie-Amulette verkauft. Aber so ist es halt, wenn man bei den Naturwissenschaften immer geschwänzt hat in der Schule.
Höhepunkt dieses naturwissenschaftlichen Coming-Out (“Proud to have no fucking clue what these scientists are talking about “) gesteht Schulze dann ein, dass es da ein paar Dinge gäbe, die er noch nicht richtig verstanden hat (es gibt mehr, glaubt mir):
Erstens: Wir verursachen den Klimawandel, also können wir ihn auch wieder abstellen. Was ist in diesem Fall mit den anderen Faktoren, die eine Rolle spielen? Auch sie sind, um im Bild zu bleiben, Schmetterlinge, die mit den Flügeln schlagen. Halten die alle still, nur weil wir die Welt retten wollen?
Noe, tun sie nicht. Die Sonne wird weiter in ihrer Intensität schwanken, Vulkane weiter eruptieren und es wird immer eine Anstrengung sein, auf einem Planeten mit bald an die 10 Milliarden Menschen, sich auf natürliche Klimaschwankungen einzustellen. Ist das ein Grund dafür, diese Erde in 100 Jahren erdklimatisch um ein paar Millionen Jahre zurückzukatapultieren? Was ein Nonsense!
Zweitens: Wer die Klimaerwärmung seit Beginn der Industrialisierung pathologisch nennt, muss eine Vorstellung davon haben, was normal ist. Was ist ein normales Klima? Diese Frage muss offenbleiben, denn normal ist nur eines: Das Klima ändert sich fortwährend. Seit Jahrmillionen, auch ohne menschengemachtes CO2. ?
Der gleiche Punkt wie oben, aber nochmal dümmer formuliert.
Der von den Klimaschützern erwartete dramatische, unheilvolle, katastrophale Klimawandel beruht auf Prognosen, Computersimulationen und einer selektiven Auswahl von CO2-Messwerten, wie Kritiker ebenfalls beklagen. ?
Beck lässt schön Grüszen. Schulze steht hier schon mit beiden Füssen mitten im Sumpf vollständiger Woodoo-Wissenschaften. In einem Wimpernschalg hat er den Abstand von: “Das werd auch ich mal als einfacher Soziologe fragen dürfen”, zu: “Ich weiss, dass Klimamodellen Mumpitz sind und CO2 Daten falsch ausgewertet werden” durchmessen.
Mithilfe solcher spekulativen Daten wird dann zum Beispiel vorausgesagt, dass die Malediven demnächst im Meer versinken. Aktuell sind sie jedoch nicht vom Untergang bedroht, da der Meeresspiegel viel geringfügiger ansteigt als vorausgesagt
Bild 2: Professor Schulze meint, der Meeresspiegel steigt geringfügiger, ach was “viel geringfügiger”, als vorrausgesagt. Oberer Rand, Unterer Rand der Vorraussagen, wer weiss das schon so genau.
Falsch. Siehe Bild 2.
Der Klimawandel macht eine Pause, einfach so, und wir haben nichts dazu beigetragen. Konsequenzen? Kursänderungen? Nein. Man soll nicht auf die paar Skeptiker hören, die betreiben bloß Augenwischerei.
Stimmt. Augenwischerei. Einfach nur einmal, nur ein einziges Mal, könnte Professor Schulze sich mit den wahrlich leicht verfügbaren Fakten abgeben.
Wir sind die Geldgeber, und wir sind das Volk. Und je mehr auf dem Spiel steht, je mehr man uns abverlangt, desto mehr sind alle Beteiligten, also Wissenschaftler, Politiker und ihre Wähler zum Diskurs verpflichtet.
Wie nennt man nochmal jemanden, der immer so tut, als habe er Fragen, und weder an den Antworten interessiert ist, noch in irgendeiner wenigstens oberflächlicher Weise zuhört? Autist? Keine Ahnung, es muss ein Wort dafür geben. Vorerst ist Schulze mal der “Klimaschmock des Monats November”.
Es bedarf ein Leben eine Reputation aufzubauen, es reichen fünf Minuten, um sie wieder zu zerstören. Professor Schulze hat seine fünf Minuten gut genutzt.
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