Just in case: Der unten stehende Artikel wurde vom “Godfather des Klimabloggings” Eli ins Englische übersetzt. Zu lesen hier.
In der letzten Januar-Ausgabe von Science kam ein Paper von der ehemaligen IPCC Working Group I Vize-Direktorin Susan Solomon und Mitarbeitern zum Einfluss stratosphärischen Wasserdampfs (SWD) heraus. Es wurde mehrere Male sehr sinnvoll kommentiert (hier und hier ) und ich komme später noch dazu, wann und warum es meist nicht so sinnvoll kommentiert wurde. Wie üblich ist die letztere Art von Kommentaren weit in der Überzahl.
Nun gut: Wasserdampf in der Atmosphäre. Jedem ist klar, bei einem Aufstieg zu höheren Luftschichten kühlt die Luft ab und muss daher trockener werden. Gäbe es kein Wasser auf Erden aber alle anderen Treibhausgase, so wären wir mit einem Temperaturgradienten von ungefähr ~10°C/km konfrontiert (man spricht vom trocken-adiabatischen Gradienten , so aber kondensiert die angehobene Luft und setzt dabei Wärme frei, was den tatsächlich beobachten Gradienten auf ~6.5°C/km herabsetzt (der feucht-adiabatische Gradient). Ich bin mir nicht ganz sicher, was genau die Troposphäre definiert , aber ein entscheidendes Merkmal ist eben die Gültigkeit des feucht-adiabatischen Anstiegs, der in Höhen bis etwa 10-12km gilt.
Bild 1: Radiosonden Profile der Konzentration des Wasserdampfs gemessen von Georges Durry und Mitarbeitern von der Universität Reims mit eine IR Laserabsorptionsspektrometer.
Was passiert aber eigentlich mit dem Wasser oberhalb der Troposphäre? Gibt’s da überhaupt noch Wasser, wenn ja wieviel und ist das von irgendeiner Bedeutung? Die Kollegen der Universität Reims haben mal einen Ballon aufsteigen lassen und ein Laser-Spektrometer mit drangehangen (das kann man natürlich auch mit klassischen Hygrometern machen), um das herauszubekommen. Achtung, die Konzentrationsachse in Bild 1 ist logarithmisch. Die Konzentration von Wasserdampf sinkt also von ca. 10.000 ppm auf ca. 3 ppm auf 15km Höhe ab, so gut wie nichts. Dann aber steigt der Wasserdampfgehalt seltsamerweise wieder an.
Bild 2: Schema der Prozesse, die einen Austausch zwischen Stratosphäre und Troposphäre bewirken. Entnommen der Heidelberger Doktorarbeit von Frank Weidner.
Nun, in der Stratosphäre hat der Wasserdampf zwei Quellen, einmal natürlich der Transport durch die Tropopause, der Grenzschicht zwischen Tropo- und Stratosphäre, hindurch (siehe Bild 2 ). Hört sich leicht an, ist es aber nicht. Der Transport erfolgt hauptsächlich in den Tropen in teils sehr abrupten kurzfristigen Ereignissen, wie etwa sehr intensiver Konvektion, die bisweilen auf über 15km hochschiesst, oder in sogenannten Tropopausenfaltungen, in denen stratosphärische und darunterliegende troposphärische Luft sich innig umschlingen und austauschen. Bild 3 zeigt ein Beispiel solch einer Absenkung der Tropopause längs einer Frontalzone im Nordatlantik. Da wo sehr trockene stratosphärische Luft in die Troposphäre gemischt wird, wird es plötzlich dunkel, d.h. trocken, auf dem Satellitenbild. Allgemein wird angenommen, dass der meiste Wasserdampf durch die tropische Tropopause, also der kältesten Stelle der Troposphäre, in die Stratosphäre gelangt.
Die zweite Quelle des Wasserdampf ist die photo-chemische Zersetzung Methans in der Stratosphäre und da die erst in wirklich grosser Höhe in Schwung kommt, erklärt sich die nach oben zunehmende Konzentration des Wasserdampfs in Bild 1. Gäbe es keine Methanoxidation, wäre der Wasserdampfgehalt annähernd konstant. Wer mehr zur Methanchemie in der Stratosphäre wissen will, der lese hier beim Godfather allen Klimabloggings, Eli Rabett, die Details nach. Vorsicht! Nichts für Skeptiker: Sehr lehrreich.
Man schätzt den Beitrag des Methans am stratosphärischen Wasserdampf so auf 30% (siehe auch Bild 1 mit einem Anstieg von ~4ppm auf ~5.5ppm von der unteren zur hohen Stratosphäre) und da der Methangehalt mit steigender Viehhaltung, Abfallhalden und Reisanbau die meiste Zeit im 20ten Jhd. angestiegen ist und allgemein erwartet wird, dass er auch weiter ansteigen wird, so darf man also auf einen langfristigen Anstieg des SWD zählen, immer angenommen alles andere bliebe gleich.
Bild 3: Tropopausenfaltung. Die extrem trockene stratosphärische Luft wird in die Troposphäre gemischt und führt zu diesem “schwarzen Loch” in der Wasserdampfkonzentration. Meteosat Bild des ZAMG gefunden hier.
Aber bleibt alles andere gleich? Es könnten mehr oder weniger Tropopausenfaltungen geben, mehr oder weniger intensive Konvektion in den Tropen. Aber vor allem könnte sich die “cold trap”, also die extrem kalte Zoone an der tropischen Tropopausengrenze, durch die der meiste Wasserdampf durch muss, um in die STratosphäre zu gelangen, erwärmen. Kurz, man braucht Langzeitbeobachtungen aus der Stratosphäre um etwas verlässliches sagen zu können. In ihrem Science Paper haben Susan Solomon und Kollegen mal ein paar Datensätze zusammengetragen. Bild 4 zeigt z.B. den meines Wissens nach längsten Radiosonden Wasserdampf-Datensatz aus Boulder zusammen mit verschiedenen Satellitendatensätzen. Dass Boulder in Colorado immer nur an einer Stelle gemessen hat, wird dabei nicht als so grosses Problem gesehen. Die Stratosphäre gilt, was den Wasserdampf angeht, als recht gut durchmischt. So können wir also diese Punktmessungen aus Colorado mit allen möglichen geographischen Mitteln aus Satellitenbeobachtungen (HALOE und SAGE ) vergleichen. Schlussfolgerung von all dem: Der SWD ging erst zwanzig Jahre rauf und seit 2000 wieder leicht zurück.
Bild 4: Verschiedene Beobachtungsdatensätze des stratosphärischen Wasserdampfs. Der Radiosonden-Datensatz aus Boulder und zwei Satelliten-Datensätze.
So what? Mag man fragen, denn es handelt sich ja nun weiss Gott um winzige Konzentrationänderungen des SWD (Grössenordnung 1ppm). Ja richtig, da war doch was. Wasserdampf absorbiert und emittiert im Infraroten genau wie die klassischen Treibhausgase CO2, CH2 und N2O und die 20% des SWD in Bild 4 mag ja einen wichtigen Einfluss haben. Leider würde es jetzt wirklich kompliziert, wenn ich versuchte, auf das Thema “Treibhausgase und ihre Wirkung auf die Stratosphäre” einzugehen. Schon mal soviel: Es kommt höllisch auf technische Details an. An sich wird die infrarote Abstrahlung der Erde durch den Anstieg der Treibhausgase (THGs) zurückgehalten, so dass der “erste” Effekt steigender THG eine Abkühlung der unteren Stratosphäre darstellt. Zu dem erhöht man dort durch das Hinzufügen von THGs in die Stratosphäre die Abstrahler, so dass die entsprechende Schichten effektiver radiativ auskühlen können. Diese Abkühlung der Stratosphäre erfolgt sehr schnell, da die Temperaturgradienten der Stratosphäre fast vollständig vom Strahlungstransport bestimmt sind.
Doch es gibt noch eine zweite langfristige Wirkung steigender Treibhausgaskonzentrationen. Richtig! Da IR Strahlung in der Troposphäre vermehrt in Wärme umgesetzt wird, erwärmt sich die Troposphäre, welche dafür ziemlich lange braucht (Ozeane, Gletscherschmelze, Meereis, das ganze Gedöns braucht halt seine Zeit), um ein neues Strahlungsgleichgewicht zu erreichen. Nachdem also die THGs in einem ersten Schritt durch Abschirmen von Infrarot-Strahlung die Stratosphäre abkühlten, so erwärmen sie doch auch auf einer längeren Zeitskala (~10 Jahre) die Troposphäre und erhöhen so in einem zweiten Schritt zumindest für die untere Stratosphäre den einkommenden Wärmefluss. Der erste abkühlende Effekt wird also wieder etwas abgeschwächt. Wieviel genau kann man sich nicht einfach so überlegen. Dafür braucht man schon ein detailliertes Line-by-Line Strahlungstransportmodell.
Doch das ist leider noch nicht alles. Was ich im vorigen Abschnitt zu den THGs erzählt habe, gilt in Wahrheit nur für das CO2. Seine Hauptabsorptionslinie bei 15 mikro-metern ist beim Strahlungstransport schon nach wenigen Metern stark gesättigt, so dass die untere Stratosphäre in den CO2 Banden ohnehin nur Strahlung aus der kalten oberen Troposphäre erhält. Dort funktioniert der oben erwähnte Abschirmungsmechanismus der THGs. Beim Methan und dem N2O aber, sieht die Sache anders aus. Im Absorptions/Emissionsbereich dieser beiden Molekühle gelangt Strahlung direkt aus der warmen unteren Troposphäre in die unteren Stratosphäre an. Eine Konzentrationserhöhung dieser beiden Gase hat so gut wie keinen Effekt auf die Nettobilanz der Stratosphäre. Einerseits gibt es mehr IR aus unteren Schichten zu absorbieren, andererseits gibt es mehr Abstrahler.
Bild 5: Beobachtete und berechnete Erwärmung der letzten dreissig Jahre. Das benutzte einfache Klimamodell wurde einmal mit dem bekannten Trend der Treibhausgase angetrieben (gepunktete Linie), dann zusätlich mit dem SWD Anteil der letzten 8 Jahre (rot) und dann mit dem gesamten Datensatz des SWD seit Beginn der 80er Jahre (Blau). Die Beobachtungen der Oberflächentemperaturen (NCDC, CRU und GISS) sind in grün angegeben.
Und wie sieht es mit dem Wasserdampf in der Stratosphäre aus? Auch der SWD trägt als effektiver Abstrahler zum verstärkten radiativen Auskühlen der Stratosphäre und zum Aufwärmen der Troposphäre bei. Wasser ist in der Atmosphäre nicht gut durchmischt (offensichtlich: siehe Bild 1) und jedes Wassermolekül in der hohen Troposphäre, respektive unteren Stratosphäre, ist ein sehr effektiver Infrarot Absorber/Emitter. Solomon errechnet ein Strahlungsforcing des SWD von ca. +0.25W/m2 im Zeitraum 1980-2000 und ca -0.1W/m2 seitdem. Zum Vergleich: der Anstieg des CO2 über den gleichen Zeitraum beträgt 0.36W/m2 für 1980-2000 und 0.26/m2 seitdem. Solomon schmeisst dieses Strahlungsforcing dann in ein einfaches Klimamodell um den Einfluss dieses Forcings zu beziffern und kommt auf einen Beitrag der SWDs von 30% zur beobachteten Erwärmung seit Beginn der 80er und einen Beitrag zum flachen Verlauf der Temperaturen seit etwa 2000 (siehe Bild 5).
Für mich kam das Paper genau im richtigen Moment. Ich suchte noch den richtigen Punch für ein Proposal, was sich auch um den Wasserdampf und dessen Beobachtung durch Satelliten dreht, und hier war er, der Punch. Es kommt mit einem kräftigen Klimaeffekt für den SWD daher und lässt vor allem eine wichtige Frage offen (immer wichtig für Proposals: offene Fragen!). Hat die beobachtete Variabilität der SWDs etwas mit den Treibhausgasen und der globalen Erwärmung zu tun, oder handelt es sich einfach um natürliche dekadische Variabilität? Zumindest ein anthropogener Einfluss auf die SWDs ist sicher kaum bestritten, nämlich, dass es bei mehr Methan mehr vom Oxidationsprodukt Wasser in der Stratosphäre geben muss. Aber ansonsten? Solomon lässt diese Frage wirklich offen, reichlich Futter für zukünftige Forschungsprojekte.
Und die (Pseudo)Skeptiker? Und die Presse? Obwohl Solomons Paper in Science veröffentlich wurde, hätte ich nicht gedacht, dass das Thema irgendeinen von den Nutters gross interessieren würde, schon gar nicht die Tagespresse. Aber mittlerweile geht immer was. Hier ein paar lustige Interpretationen aus dem Lala-Land: Wasserdampf macht das Klima, nicht CO2 , A new study authored by Susan Solomon, could explain why atmospheric carbon is not contributing to warming significantly.
Sicher am ehesten überrascht, war ich, Solomons Arbeit in einem Zeitartikel von Jürgen Krönig wiederzufinden. Und zwar nicht in einem Artikel, der sich konkret mit Stratosphärenforschung beschäftigte, sondern in einem der vielen Artikel, in dem all die Journalisten, die niemals in den IPCC Bericht hineigeschaut haben, ihr Entsetzen darüber ausdrücken, dass auf Seite 800 oder so das Verschwinden der Himalaya Gletscher falsch prognostiziert wurde. Mitten in diesem Diskurs, der die Abschaffung des IPCCs und die Fusilierung von Pachauri erörtert, taucht zu meinem masslosen Erstaunen folgender Satz auf:
“Neue Erkenntnisse könnten sie Situation weiter verschlechtern. Eine neue Studie, veröffentlicht in Science, zeigt, dass die Klimamodelle des IPCC die Rolle des Wasserdampfes, des wichtigsten Treibhausgases, vernachlässigt haben. In der Stratosphäre ging der Anteil des Wasserdampfes um 10 Prozent zurück, was den Grad des Temperaturanstiegs um 25 Prozent reduziert”
Die Klimamodelle vernachlässigen den Wasserdampf, sage Solomon? Klar, und Roger Federer vernachlässigt seine Vorhand. Und wie durch Zufall referiert Krönig auf die Entwicklung von 2000 bis 2007 mit dem Rückgang des SWDs und des entsprechenden Forcings (-0.1W/m2 siehe oben) ohne weiter zu betrachten, dass gemäss dem gleichen Solomon Paper der Gesamteffekt des SWDs von 1980 bis heute (siehe Bild 5 oben) die Treibhausgasbedingte Erwärmung noch verstärkt hat. Da hat sich aber der Krönig mächtig bei der Bewerbung zum Klimaschmock des Monats Januar ins Zeug gelegt.
Kommentare (22)