John Harries vom Impirial College hat ein Supertrick für regelmässige, vergleichsweise “einfache” Veröffentlichungen gefunden. Im April 1970 begann ein nach unten blickender Infrarotspektrometer (Man sagt “nadir viewing” im Gegensatz zu zenith, beides Ausdrücke aus dem Arabischen) namens IRIS seine Messungen. Er war installiert auf einem Satelliten mit dem Namen Nimbus 4 und es war ihm, ach, nur ein ganz kurzes Leben von 10 Monaten, von April 1970 bis Januar 1971, vergönnt. IRIS mass im Infraroten zwischen 400 bis 1600 Wellenzahlen (cm-^1). Damit hatte er im Prinzip die Hauptbanden der CO2 Absorption in seinem Messbereich, der damals allerdings noch ziemlich schlecht aufgelöst war: nur 2.8cm^-1 konnte IRIS auflösen. Zum Vergleich: Eines der letzten Modelle TES, der im Prinzip dasselbe misst, liegt heute bei 0.1cm^-1 mit einer beeindruckenden räumlichen Auflösung von 5km*9km. TES sitzt auf dem AURA Satelliten und ist Teil des Nasa A-Train, nur für die Liebhaber.
Bild 1: Der Nimbus 4 Satellite trug den Infrarot Sensor IRIS, welcher aber schon nach 10 Monaten den Geist aufgab.
IRIS hat also vor bald 40 Jahren zum ersten Mal die von der Erde ausgehende IR Strahlung messen können und die Daten wurden ja dann auch genutzt, um die Strahlungsbilanz der Erde zu quantifizieren und um z.B. solche Bildchen wie dieses hier von Kevin Trenberth malen zu können. Mittlerweile messen wir diese mit immer besseren Sensoren auf immer besseren Satelliten und somit mit deutlich höherer räumlicher und spektraler Auflösung. Und da hatte der John Harries eben die Idee zu einer auf ewig Paper produzierenden Analyse. Ich nehme, sagte er sich gewiss, einfach ein altes IRIS Spektrum und vergleiche das mal mit einem neuen Spektrum. Und wenn das stimmt mit diesem Treibhauseffekt, ja dann müssten sich die Linien doch irgendwie verändern. Klar, die Treibhausgase blockieren die IR Strahlung in ihren Absorptionsbanden (die jede aus tausenden eng beieinander liegenden Linien zusammengesetzt sind) und die effektive Strahlungshöhe wandert zunehmend nach oben innerhalb der atmosphärischen Säule. Die entsprechenden Banden müssen kälter erscheinen.
Bild 2: IR Satellitenspektra und ihre Differenzen entnommen aus Harries et al. Nature 2001.. Oben: die beiden Original Spektren von IMG und IRIS. Mitte: Die entsprechende mehr oder minder unbearbeitete Differenz des Spektrums aus den 90er und des Spektrums aus den 70ern. Unten: Das um Klimaeffekte bereinigte Differenzspektrum.
Da aber, wo wenig oder nichts absorbiert wird, in den sogenannten atmosphärischen Fenster, dort erwärmt sich eben gerade die Atmosphäre und die Erdoberfläche. Und das eben ist genau der Treibhauseffekt. Während IR Strahlung in einem Teil des Spektrum effizienter blockiert wird und dieser Teil daher kälter erscheint, muss aus Einergieerhaltungsgründen sich die Atmosphäre gerade so erwärmen, dass letztlich (in einem zukünftigen neuen Gleichgewicht) das Integral der ausgehenden Strahlung wieder der einfallenden Sonneneinstrahlung entspricht.
Also ging Harries hin und verglich zum ersten Mal 2001 die Resultate von IRIS mit Daten aus dem Jahr 1997 von IMG, einem anderen IR Spectrometer (ich geb’s hier mal auf diese ganzen Satelliten und Sondennamen weiter einzführen). IMG Daten, allerdings für Wasserdampf, habe ich übrigens auch schon einmal veröffentlicht.
Und hey, es funktionierte, man beobachtet ungefähr das, was ich oben beschrieben hatte: abkühlende Absorbtionsbanden, erwärmende Fenster. Harries Nature Paper tauchte in den IPCC Berichten auf und wird häufig als der direkte Hinguck-Beweis des Treibhauseffekts gehandelt. Und weil es so schön war, machten es die Kollegen dann 2007 noch einmal (wieder sind ein paar Jahre Emissionen ins Land gegangen und ein neuer Satellit hochgeschossen worden). Griggs und Harries veröffentlichten 2007 den Vergleich von IRIS mit den Daten von AIRS aus dem Jahre 2003. Und hey, 2009 veröffentlichen sie eben Daten von TES und vergleichen wie gehabt mit IRIS aus dem Jahr 1970. Und so wird es wohl auf ewig weitergehen.
Bild 3: Das IRIS Spektrum aus den frühen 70ern. Theoretisches und Gemessenes Spektrum sind in sehr guter Übereinstimmung. Aus Chen et al. 2009.
Ein paar technische Details sind interessant. Die heutigen Satellite haben wie gesagt eine weit bessere Auflösung. Ihre Resultate müssen also künstlich verschlechtert werden, um sie mit IRIS vergleichen zu können. Auch der Beobachtungswinkel war verschieden und somit der Weg der IR Strahlung durch die Atmosphaere. Ferner gab es Temperaturschwankungen, die auch in die Strahlungstransportrechnung mit einfliessen. Das Resultat all dieser Rechnungen für IRIS zeigt Bild 1 mit insbesondere einer Flanke der Hauptabsorptionsbande des CO2 (bei 15 mikron, also ca. 660 Wellenzahlen) und der Hauptabsortionsbande des Methan (1250 Wellenzahlen). Wie man sieht, kann das theoretische Modell die Beobachtungen ganz gut nachbilden. Na, dann nochmal das gleiche für TES und dann rasch die Differenz gebildet ergibt Bild 2.
Und Tatataaaa, die Absorptionsteile des Spektrums haben sich abgekühlt, der Rest hat sich erwärmt. Wer das ewige Geplärre der Skeptiker, nach dem Beweis, DEM BEWEIS, nicht mehr hören mag, der kann dieses Paper verlinken (wird auch nichts helfen, klar!) und fertig. Und Harries hat sicher eine auf ewig Paper produzierende “Masche” gefunden, auf die ich nur neidisch sein kann. Immer mehr Satelliten werden das IR Spektrum vermessen und immer mehr Differenzen zwischen alten und neuen Spektren können so berechnet werden.
Bild 4: Differenz der Spektren von IRIS und TES. Das Zurückhalten ausgehender IR Strahlung auf Grund steigender Methan und CO2 Konzentrationen führt zu einer effektiven Abkühlung in den entsprechenden Spektralbereichen.
Tatsächlich scheint mir die Geschichte noch um einiges komplizierter. Hier einige Fragen bzw. Interpretationen:
1) Die Verschiebung der Temperaturen im atmosphärischen Fenster ist nicht unbedingt “global warming”. Hier vergleichen wir letztlich die Temperaturen im Frühling in zwei verschiedenen Jahren in einem Teil des Pazifiks. Dieser hat sich sicher in den letzten Jahren signifikant erwärmt, auf einem drei-Monate Snappshot kann man das aber nicht schliessen. Im ersten Artikel, den Harries in Nature veröffentlichte, hat er das atmosphärische Fenster bei Null Temperaturdifferenz gesehen.
2) Wie man sieht, zeigt das Differenzspektrum TES-IRIS viele recht deutliche Linien, insbesondere in den atmosphärischen Strahlungsfenstern. Ich dachte zuerst, es handelte sich um Instrumenteneffekte. Konnte vielleicht das TES Spektrum nicht konsistent mit dem alten IRIS Sensor in Übereinstimmung gebracht werden? Euer braver Primaklima-Reporter war aber mit der Antwort nicht recht zufrieden und hat einen der Autoren des Papers angerufen. Es handelt sich wohl um echte Wasserdampflinien, die eben unterschiedlichen Zuständen der Atmosphäre entsprechen.
3) Zwischen 1970 und Heute ist das Methan deutlich angestiegen. Ich dachte zuerst, dass ganze Absorptionsband (der graue Bereich von 1250-1350 Wellenzahlen in Bild 4) müsste eine Abkühlung zeigen. Aber auch da gibt es wohl (so einer der Autoren) Wasserdampflinien, die mit dem Methan überlappen und das Bild ziemlich verrauscht erscheinen lassen. Nur die Hauptabsorptionsbereich bei 1300 Wellenzahlen zeigt ein deutliches Signal.
Fazit. Es gibt keinen “Beweis” des Treibhauseffekts, wie es auch keinen Beweis irgendeiner anderen naturwissenschaftlichen Theorie gibt. Aber diese Differenzbilder im Infraroten sind doch zumindest ein sehr anschaulicher und direkter Beleg, dass genau das in der Natur passiert, was die Treibhaustheorie voraussieht, wenn man die Konzentration der beteiligten inerten Gase (hier CO2 und Methan) ändert.
Tatsächlich interessiert sich die Gemeinde der Satellitenbauer und IR Datenanalysierer nicht besonders für dieses Thema. Die Sensoren und Sateliten wurden gebaut um z.B. den CO2 oder Ozon Gehalt zu bestimmen und nicht um solche Langzeiteffekte der Spektren zu belegen. So oder so, ein interessanter Nebeneffekt.
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