Ein kurzer Beitrag zum Winter 09/10. Dieser geniale Scoop anlässlich der Bekanntgabe der globalen Februartemperaturen beim GISS wurde mir klar von Stefan auf der Klimalounge versaut. Egal. Ich zieh das jetzt trotzdem duch.
Grafik 1: Globale Temperatur Anomalien des Winters 2009/2010 (DJF) relativ zum klimatologischen Mittel 1951-1980 nach GISS Temperaturdaten. PS Die urspüngliche Grafik wurde durch diese ersetzt.
Dieser Winter war ja subjektiv (ich reden nur für mich) ein sehr kalter. Zu Weihnachten war ich wie immer in Sevilla und bin dort im Schneegestöber (!) gejoggt. Schneefall in Sevilla gab es seit ca. 50 Jahren wohl nicht mehr, weswegen unsere Nachbarn auch aus ihren Häusern kamen und jede Schneeflocke knipsten, als sei sie ein kleines Wunder, und den “loco aleman” , der mitten in diesem “Blizzard” herumlief, gleich dazu. Insgesamt war die winterliche Niederschlagsmenge in Spanien dieses Jahr höchst bemerkenswert und hatte teils schwere Überschwemmungen im Süden Spaniens zur Folge (siehe Foto). Das Ensemble der beobachteten Phänome (starke Niederschläge im Mittelmeerraum, kalte Winter in Zentral und Nordeuropa) lässt sich, wie viele hier sicher bereits wissen, sehr schön mit der stark negativen Anomalie der Arktischen Oszillation erklären.
Bild: Überschwemmungen des Guadalquivir in der Nähe von Sevilla.
Die Arktische Oszillation (die alle Längenkreise umspannende Version der besser bekannten Nord-Atlantischen Oszillation, NAO) beschreibt die Druckanomalien zwischen der Arktis und den mittleren Breiten. Ein negativer AO Index steht für positive arktische Druckanomalien und einem Zufluss polarer Luftmassen nach Westeuropa, Sibirien und den östlichen USA. Was aber auf der einen Seite der Tiefdruckgebiete nach Süden vorstösst, kann umgekehrt auf der anderen Seite nach Norden vorstossen und dort zu warmen Temperaturanomalien führen (siehe Grafik 1). So zeigen das westliche Kanada, Alaska und Ostsibirien stark positive Temperaturanomalien, wie man ja unter anderem bei den olympischen Spielen in Vancouver sehen konnte. Im globalen Mittel ist die Wirkung der AO in etwa Null. Eine schöne Zusamenfassung zum Winter findet sich auch bei Geert Jan van Oldenborgh vom KNMI (h/t Hans von Storch).
Grafik 2: Die Arktische Oszillation (AO) der letzten 40 Winter (schwarz). Hier wird im folgenden die detrendete Version des AO benutzt (blaue Kurve). Alle Daten findet man auch auf dem Climate Explorer.
Mich hat an der Geschichte noch interessiert, ob es über Arktische Oszillation und einem generellen Erwärmungstrend hinaus eigentlich irgendein interessantes Signal in den deutschen/west-europäischen Wintertemperaturen gibt. Ist z.B. dieser Winter über die beiden genannten Faktoren, Erwärmungstrend und AO, hinaus irgendwie ungewöhnlich? Gibt es gar in den letzten Jahren einen Umkehrtrend zu kälteren Wintern der nicht durch die AO erklärt werden kann?
Grafik 3: Winter-Temperaturverlauf an einer der Europäischen Referenzstationen, De Bilt in Holland.
Ich habe mal drei Referenzstationen vom vorzüglichen holländischen Climate Explorer heruntergeladen, De Bilt in Holland, Hamburg und Potsdam. De Bilt (Grafik 3) zeigt den typischen Temperaturverlauf im Winter (DJF) der letzten Jahrhunderte mit einer Erwärmung von ungefähr 3 Grad vom Maximum der kleinen Eiszeit bis heute, wovon etwas mehr als 1 Grad auf die letzten 4 Dekaden fallen. Die Jahr zu Jahr Variabilität ist beachtlich und umfasst mehr als 10 Grad. Man kann auch schon erkennen, dass der Winter 2010 auf dieser langen Zeitskala nicht ungewöhnlich ist.
Grafik 4: Der Winter-Temperaturverlauf der letzten 40 Jahre in De Bilt. Eine lineare Regression aus linearem Erwärmungstrend + AO Index (rote Kurve) erklärt ca. 35% der beobachteten Variabilität.
Frage ist nun: wieviel trägt die AO dazu bei. Ich habe dazu in Grafik 2 den AO index dargestellt. Die negative Abweichung des AO über nahezu den gesamten Winter 09/10 hinweg ist in der Tat die stärkste je beobachtete in den letzten 100 Jahren. Wie man sieht hat der AO einen leicht positiven Trend und in der Tat steht folgendes zu diesem Trend im IPCC Bericht:
Many simulations project some decrease in the arctic surface
pressure in the 21st century, as seen in the multi-model average
(see Figure 10.9). This contributes to an increase in indices of
the Northern Annular Mode (NAM) or the Arctic Oscillation
(AO), as well as the NAO, which is closely related to the NAM
in the Atlantic sector (see Chapter 8). In the recent multi-model
analyses, more than half of the models exhibit a positive trend in
the NAM (Rauthe et al., 2004; Miller et al., 2006) and/or NAO
(Osborn, 2004; Kuzmina et al., 2005). Although the magnitude
of the trends shows a large variation among different models,
Miller et al. (2006) fi nd that none of the 14 models exhibits a
trend towards a lower NAM index and higher arctic SLP
Ob dieser leicht positive Trend in der AO in Grafik 2 nun Teil des prognostizierten Trends ist oder nicht, ich habe ihn für das Folgende mal vom AO Index abgezogen (siehe blaue und schwarze Kurve) und benutze also hier den detrendeten AO.
In Grafik 4 sind die Wintertemperaturen (DJF) in De Bilt für die letzten 40 Jahre nochmal dargestellt, der Trend beträgt etwa 1.5 Grad über die dargestellten 40 Jahre. Eine multilineare Regression auf Trend und AO Index zusammen ergibt die rote Kurve und es ist klar, dass dieser lineare Ansatz einen ganz schönen Anteil an der beobachteten Variabilität (35% um genau zu sein) erschlägt. Was ist mit dem Residuum dieser Regression, also dem was nicht durch Trend+AO erklärt wird?
Grafik 5: Residuum des beobachten Temperaturverlaufs und der Regression auf Erwärmungstrend+AO Index für die Wetterstationen in De Bilt, Hamburg, Potsdam.
In Grafik 5 habe ich dieses Residuum mal für alle drei Stationen (De Bilt, Hamburg und Potsdam) aufgetragen. Es gibt keinen wahrnehmbaren Trend in den letzten Jahren, insbesondere erscheint dieser Winter 09/10 in Deutschland genauso gut (oder schlecht) durch die Kombination Trend+AO erklärt wie irgendein anderer Winter in den letzten 40 Jahren. Die verbleibende Variabilität beträgt immerhin auch noch mehr als 6 Grad interannual und hängt teils mit Zirkulationsanomalien zusammen, die weniger prominent sind als die AO. Meine Schlussfolgerung aus alldem: Sowohl der letzte Winter 09/10, als auch die letzten Winter seit 10 Jahren sind so ziemlich business as usual. Das Alles aber natürlich auf einer sehr kleinen Datenbasis und mit sehr einfachen statistischen Instrumenten betrachtet.
Grafik 6: Rekordticker für das Jahr 2010. GISS globale Monatstemperaturanomalien mit der bislang wärmsten je gemessenen Temperatur im Jahre 2005.
Zum Schluss noch mein beliebter Rekordticker. Zur Erinnerung: Wie funktioniert’s? Nehmen wir an, wir wetten darauf das 2010 das wärmste je direkt gemessene Jahr der letzten etwas mehr als 100 Jahre wird (tatsächlich habe ich darauf eine Wette laufen, aber das nur nebenbei). Im GISS Datensatz war dieses Rekordjahr das Jahr 2005 (Der HADCRU Datensatz ist für’s erste dank Climategate nicht mehr verfügbar), also der blaue Balken in Grafik 6. Wir liegen momentan mit dem global sehr warmen Winter der Monate Jan/Feb auf dem Niveau des gelben Balkens. Der rote Balken gibt uns nun an, auf welchem Niveau die Temperaturen der verbleibenden 10 Monate im Mittel bleiben müssen, um den 2005 Rekord zu knacken. Alles hängt davon ab, wie lange es der ENSO in diesem Jahr noch macht. Er flaut sicher langsam ab, aber sollte er es noch einigermaszen bis in den Sommer schaffen (einige der ENSO Vorhersagemodelle sagen das in der Tat vorher), dann steht es nichtmals so schlecht für meine Wette. Vamonos, El Niño, vamonos!
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