Der Eyjafjalla gibt keine Ruhe. Möglicherweise hat ein neuer Wassereinbruch zu der erneuten Explosivität geführt. Die Aschewolke wurde bis 6km Höhe hochgeschossen, eine ideale Reisehöhe für die winzigen Aschepartikel. Einige Artikel sprechen aber schon von 10 km, was der Reisehöhe von Flugzeugen entspricht und entsprechend unangenehmer ist. Es sind momentan alle Flughäfen (19) im Norden Spaniens (Galizien, Asturien und Baskenland) gesperrt. Die Asche wird im Lauf des Tages in Frankreich erwartet. Einmal in solcher Höhe angekommen ist der Rest des Staubproblems durch einen schlichten Blick auf die Wetterkarten lösbar. Schon weiss man ungefähr, wann und wo die Asche landet.
Bild 1: Da ist er schon wieder, der Eyjafjellajokull. Es werden momentan Flüge von Italien nach Nizza und Paris storniert.
Obwohl mit einer meteorologischen Ausbildung gesegnet, hielt unser Hausphilosoph Jörg Friedrich die Voraussage, dass die isländische Aschewolke nach Westen driften werde, für reine Zauberei. Es kam aber, wie es kommen musste. Nach allem was wir wissen, tat die Wolke nämlich genau das, was hier z.B. Ludmila als Simulationen des Rheinischen Instituts für Umweltforschung vorgestellt hatte. Messungen wurden sowohl mittels verschiedener Satelliten gestützter Mess-systeme als auch mit bodengestützten Ceilometern (siehe hier) durchgeführt. Beide Sorten von Messungen wurden annähernd zeitgleich mit den Simulationen durchgeführt, ganz entgegen den Behauptungen von Jörg Friedrich. Sie waren allerdings nicht wirklich flächendeckend.
Ein kurzer und sicher nicht vollständiger Überblick über die bestehenden Messkampagnen und Techniken:
1) Meteosat-9 hat eine Reihe verschiedener Spektral-Kanäle zur Verfügung, teils im Sichtbaren (0.5-0.9 μm), teils im Infraroten im sogenannten atmosphärischen Fenster zwischen 10 – 12.5 μm. Die Kombination dieser Informationen kann genutzt werden, um Bilder wie dieses zu Erzeugen, in denen der Vulkanstaub der letzten Tage sehr schön zu sehen ist.
Bild 2: Meteosat-Bild, bei dem Feinpartikel in der Grösze der isländischen Vulkanasche rötlich dargestellt sind.
Bild 2 macht aber auch klar, dass, einmal verdünnt und über dem staubigen und verschmutzten Europa angekommen, das Vulkan-Signal nur sehr schwer von anderen Signalen zu unterscheiden ist. Ich habe auch bei Meteosat keine Absolut-Werte der Konzentration gesehen, ein echtes Manko, da man allgemein annimmt, dass erst ab Konzentrationen von ca. 2000-3000 mikrogramm pro m3 Probleme bei den Flugzeugmotoren auftauchen. Ausserdem sind die Bilder strickt 2D, dass heisst, man weiss auch nicht so recht, auf welcher Höhe der Staub gerade so ist.
Trotzdem, hier eine Meteosat Animation mit BEOBACHTETEN (listen, Herr Friedrich, listen) Staubkonzentration über Island:
Animation der letzten Eyjafjallajökull Erruption erstellt von EUMETSAT.
Ich war überrascht auf der EUMETSAT Seite auch herauszufinden, dass die dort auch IR Linien Spektroskopie betreiben. So kann man dann sogar einzelne Gase identifizieren, wie zum Beispiel das vulkantypische SO2. Hier also das SO2 Bild erstellt von GOME-2 auf Metop-A.
Bild 3: SO2 Wolke gefunden von GOME2, einem IR Spektrometer, der auf dem Satelliten Metop-A sitzt.
2) Eine andere Kategorie sind bodengestützte, “aktive” Messungen, dass heisst Messungen, die aktiv ein Signal aussenden und mit dem rückgestreuten Anteil dieses Signals eine Analyse durchführen. Die obigen Meteosat Messungen gehören daher zu den passiven Messverfahren, da sie das natürlich vom Staub oder von einem Gas ausgesandte IR/sichtbare Spektrum aufnehmen. Der DWD hatte beispielsweise den Vulkanstaub sehr schnell mit ihrem Ceilometer auf dem Hohenpeissenberg detektiert. Genau wie ein sogenanntes LIDAR (tatsächlich habe ich den Unterschied zwischen Ceilometer und LIDAR nicht ganz kapiert, ein Fachmann möge mich erleuchten. Für mich ist ein Ceilometer ein LIDAR, das man auf den Boden stellt) entsenden Ceilometer ein intensives Laser-Signal, welches in der Atmosphäre gestreut wird (Mie-Streuung) und zu einem kleinen Teil wieder zum Gerät zurückgestreut wird. Laufzeit und wellenzahlabhängige Intensität des rückgestreuten Signals gibt dann Auskunft über die Konzentration und Höhe eines bestimmten Typs von Staubs oder Wolkentröpfchen.
LIDARs können relativ klein gebaut werden und so haben Kollegen von meinem Labor, dem LSCE, eines gebaut, was man auch in ein Flugzeug stopfen kann (siehe Bild 4).
Bild 4: LIDAR des LSCE/IPSL eingebaut in das Forschungsflugzeug des CNRS.
Es misst im nahen UV bei 325nm und hat somit eine ganz gute Auflösung im Bereich von ein paar μm. Unser LIDAR wurde dann auf den Forschungsflieger des CNRS gepackt, eine Falcon 20. Es lieferte einige Tage nach der ersten Erruption noch sehr präzise Messungen des verbleibenden Staubs, der bereist auf eine Höhe von 2-3km abgesunken war (siehe Bild 5).
Bild 5: Höhenprofil des Feinstaubs gemessen an Bord der Falcon 20 bei einem Flug quer durch Frankreich. Die Vulkansche ist die rötliche Schicht auf ca. 2-3km Höhe.
3) Ja, und dann kann man noch einen Schritt weiter gehen und ein LIDAR auf einen Satelliten packen. Das nennt sich dann CALIPSO und ist in einer Kollaboration von NASA und CNES (der frz Raumfahrtbehörde) Teil des A-Train. Das liefert dann detaillierte Querschnitte (die Flugbahn des Satelliten) durch den europäischen Luftraum wie z.B. in Bild 6. Mehr zu den Calipso Messungen hier.
Hier also die Gretchenfrage: Hat man nun für diese gut belegten Aschekonzentrationen des Eyjafjalla den wirklichn fast gesamten europäischen Luftraum schliessen müssen? Und muss man es jetzt wieder in Spanien und womöglich ab heute nachmittag auch über Südfrankreich den Luftraum sperren?
Das ist eine schwierige Frage, für die ich praktisch auch keine Expertise besitze. Der entscheidende und kritische Punkt ist sicher, wieviel Asche kann ein Flugzeug eines bestimmten Typs in welcher Höhe vertragen. Es kam manchmal der Eindruck in den Medien auf, dass es da mal zwei komische Vorfälle vor einer halben Ewigkeit gegeben hätte (ein Video eines dieser beiden Vorfälle über Alaska in der Asche des Mt.Redoubt hatte ich hier mal hingelegt), und sonst war da nichts. Das ist aber falsch.
In einem sehr lesenswerten Paper, das mir Christian netterweise zugesandt hatte, wird eine Analyse aus Sicht der Flugsichherheit gezogen: Über hundert Schadenfälle auf Grund von Vulkanasche sind allein in der zivilen Luftfahrt in den letzten 20 Jahre dokumentiert. 8 davon hatten direkte Konsequenzen noch während des Flugs. Es kam dabei zu partiellen bis vollständigen Motorausfällen. Entscheidend ist neben der Konzentration der Vulkanasche auch mit welcher Mischung von Gasen und anderen Aerosolen der Motor kontaminiert wird und bei welcher Temperatur das Jettriebwerk arbeitet und dann eben glasartige Partikel aus der Asche fusioniert. Je heisser umso schlimmer, und da Militärjets heissere Turbinen benutzen, kann man wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass eine ganze Reihe Schadensfälle aus der nicht-zivilen Luftfahrt zu den 100 dokumentierten Unfällen hinzugezählt werden müssen.
Bild 6: Das NASA Forschungsflugzeug beim Abflug in Kiruna, Schweden. Es handelt sich um eine DC-8 wie sie auch im Linienverkehr eingesetzt wird.
Das ganze Problem der Sperrung des Luftraums wurde in der Presse ja häufig als Gegensatz zwischen kalter computergesteuerter Wissenschaftsarroganz (die Auftritte des deutschen Verkehrsministers Ramsauer waren da auch nicht wirklich hilfreich) und gesunder praktischer Erfahrung präsentiert. “Die Asche kann jeder stramme Flieger mit den Augen erkennen und einfach vermeiden. Wir sind noch richtige Kerle.” (den bei weitem dämlichsten Beitrag in diese Richtung natürlich von Freie Welt Autor Hartmut Bachmann ).
Bild 7: Nur mal kurz reingedippt. Für höchstens 8 Minuten war die DC-8 in der Asche des Hekla. Gesamtschaden 3 Millionen $.
Tatsächlich berichtet das obige Paper der beiden NASA Ingenieure, Thomas Grindle und Frank Burcham, dass das völliger Quatsch ist. In vielen dokumentierten Asche-Fällen wurde in den Kabinen ein beissender Geruch wahrgenommen (wahrscheinlich das SO2) und man konnte sogar St.Elmos Feuer an den äusseren Enden und Flügeln des Flugzeugs wahrnehmen. Grundle und Burchan berichten hier von einem NASA Routineflug mit einer DC-8, die zufällig auf dem Weg von Edwards, Kalifornien, nach Kiruna, Schweden, durch eine kleine Wolke des Hekla flog (genau, der grosse Bruder des Eyjafjella). Die Crew hat nichts gesehen, nichts gerochen, die internen Messgeräte des Forschungsflugzeugs schlugen jedoch Alarm. Die LIDARs detektierten Vulkanasche und sogar innerhalb der Kabine konnte SO2 gemessen werden. Der Durchflug dauerte etwa 8 Minuten und “kein gesunder Menschenverstand” meldete irgendetwas. Nichts dramatisches passierte und es begann eine detaillierte Analyse, welche Spuren dieser Durchflug wohl in den Turbinen hinterlassen hatte.
Bild 8: Verschiedene dokumentierte Schäden in den Turbinen der DC-8.
In den verschiedenen Filtern der DC-8 fand sich eindeutig Vulkanasche und es wurden verschiedene Erosionsspuren in den vier Motoren der DC-8 festgestellt. Zum Preis von 3.2 Millionen $ mussten Maschinenteile gewartet bzw. ausgetauscht werden, um wieder die normale Flugsicherheit herzustellen. Stellen wir nun also eine kleine Rechnung an. 100.000 Flüge wurden Ende April nach der ersten Eyjafjella Erruption storniert. Nehmen wir mal an, man hätte den Flugverkehr nicht ausgesetzt und jeder 1000te Flug wäre in ähnlicher Weise betroffen wie die NASA DC-8. Dann hätten wir bereits eine Summe von 300 Millionen $, allein für die nachfolgende Wartung, zuzüglich natürlich eine sehr hohe Summe für die wahrscheinlich Wochen, in denen die betroffenen Flugzeuge nicht hätten fliegen können.
Ich selbst war Ende April vom Flugstop betroffen und habe halb Europa in einem von einem spanischen Kamikaze-Busfahrer gesteuerten Bus gequert. Meine nächste Reise nach Sevilla ist für den nächsten Dienstag angesetzt und ich sehe jetzt schon Schwarz. Erneut von Paris nach Madrid im Bus, quer durch Madrid mit der Metro und dann mit dem AVE nach Sevilla. Trotzdem halte ich die Entscheidung zum Flugstopp für gerechtfertigt, solange wir nicht ein sehr präzises instantanes Beobachtungsnetz haben und solange wir nicht wissen, ab welchen Aschekonzentrationen genau und wie sehr die Flugzeugmotoren beschädigt werden. Kurz, die Entscheidung scheint mir gerechtfertigt gerade in Bezug auf die Dinge, die wir nicht wissen.
Übrigens ist das Geschrei der Luftfahrtindustrie gross, wohl wahr. Bei Gelegenheit sollten ihre Bosse mal nach Island fahren, und zwar zu dem kleinen Ort Kirkjubæjarklaustur. Dort betete im Jahr 1783 die ganze Gemeinde auf dem letzten Fels, der sie von der heranrollenden Magma des Laki trennte, tagelang, bis zur Erschöpfung. Die Magma stoppte im letzten Augenblick (beten hilft eben, na sagen wir, schadet zumindest nicht) und so gibt es eben immer noch jenen kleinen Ort Kirkjubæjarklaustur, wo ich mal das teuerste Bier meines Lebens getrunken habe. Von dort führt eine wilde isländische Strasse rauf zu jenem Riss mit mehreren Vulkankegeln, die der damalige Laki-Ausbruch hinterlassen hat. Steht man in der Mitte auf dem grössten Kegel und schaut nach links und rechts, dann kann man wahrhaftig erahnen, wie sich damals die Erde aufgetan hat. Der Eyjafjellajokull ist ein geologischer Witz. Ein Ausbruch in der Dimension des Laki würde mit ziemlicher Sicherheit jeden europäischen Flugverkehr für ein Jahr und länger lahm legen. Daran sollten die Chefs der betroffenen Luftfahrtlinien denken und dankbar sein. Jeden Tag.
PS:
Hier noch was für die die nicht genug kriegen:
Eine Analyse vom Spiegel zur Flugsicherheit und den Messungen.
Kommentare (23)