Judith Lean ist eine der führenden Forscher zum Thema Sonne und Klima. Das tut sie, wie ich beim Verfassen dieses Artikels übrigens bemerkte bei der US NAVY (Sie hat eine navy.mil e-mail Adresse), nämlich bei der Space Science Division der Naval Research Laboratory. Man fragt sich, was das Pentagon wohl dazu bewegte in Sun/Earth relations, so Leans Arbeitsbeschreibung, zu investieren. Na, uns soll es recht sein.
Sie hat sich insbesondere damit beschäftigt, wie man aus den direkten Beobachtungen solarer Variabilität (genauer der spektral integrierten solaren Strahlkraft, TSI), die von verschiedenen Satelliten seit dem Ende der 70er gemessen wurde, auf deren Variabilität in der Vergangenheit schliessen könne. Vergangenheit heisst hier insbesondere die ca. letzten tausend Jahre. Diese Rekonstruktion eines Teil des Klimaforcings ist natürlich ein wichtiger Faktor zum Verständnis der millenaren Klimavariabilität.
Bild 1: Vergleich der linearen Regression von ENSO, solarem, vulkanischen und anthropogenen Forcings auf die Temperaturen in der Atmosphäre. Von links nach rechts steigt man in der Atmosphäre von unten nach oben bis zur Stratosphäre. Von der zweiten bis zur fünften Reihe sieht man den Anteil des jeweilen Forcingfaktors an der multivariaten Regression, die man in der ersten Reihe in gelb sieht.
Hier hatte ich bereits einmal ihre Arbeit zusammen mit David Rind vorgestellt, in dem sie die verschiedenen Forcingfaktoren, also den anthropogenen Anteil, die solare Variabilität (TSI), die von Vulkanen in die Atmosphäre geschleuderten Aerosole und den ENSO (El Niño Southern Oscillation) Index benutzen, um die globalen Temperaturen zu “erklären”. “Erklären” heisst für sie, die obigen vier Parameter linear in einer multivariaten Regressionsanalyse mit den globalen Temperaturen zu verbinden. Das Ergebniss sind dann z.B. so aus:
T_Regr=a*Sonne+b*Vulkane+c*Mensch+d*ENSO. In den folgenden zwei Bildern wird also jeweils das Gesamtresultat T, welches gerade so berechnet wurde, um möglichst nah an die beobachtete T_obs zu kommen und die den verschiedenen Forcingtermen zugewiesenen Anteile gezeigt. Eine kritische Anmerkung vorne weg. Die verschiedenen erklärenden Faktoren (a*Sonne, etc.), auch Predictor genannt, sollten voneinander unabhängig sein. Und das ist sicher für Sonne, Vulkane und Treibhausgase der Fall. Hingegen ist der Einfluss eines jeden dieser drei Faktoren auf ENSO überhaupt nicht klar, oder mehr noch: Es scheint eher unwahrscheinlich, dass ENSO von diesen drei Faktoren ganz unbeeinflusst ist.
Das Neue in ihrem jüngsten Review-Paper besteht nun darin, dass sie diesen einfachen Regressionsansatz auf die Satellitendaten anwendet statt nur auf die meteorologischen Oberflächendaten à la GISS oder HadCRU. Diese Satellitendaten besitzen ja eine vertikale Auflösung und so gibt es also Temperaturdaten für die untere und mittlere Troposphäre, sowie auch für die untere Stratosphäre. Letztere kühlte über den Beobachtungszeitraum deutlich ab, was zumindest zum Teil eine direkte Strahlungswirkung der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen ist. Die verwandten Forcingterme (also was ich oben in der Formel Sonne, Vulkane, Mensch und ENSO nannte) sind wohl für die beiden unteren Troposphärenkanäle die gleichen, für die Stratosphäre hat Lean aber zwei Änderungen vorgenommen. ENSO hat in der Stratosphäre praktisch keinen Einfluss und so nimmt Lean den QBO Index (zur QBO siehe hier). Den Verlauf des anthropogenen Forcings ist mir auch nach einigem Buddeln nicht ganz klar geworden. Es handelt sich (Bild 2 rechts unten) um den Einfluss der Treibhausgase + CFCs (?), der wahrscheinlich (?) mit dem Strahlungscode des GISS Modells ausgerechnet wurde. Genauer kann ich es jetzt auch nicht sagen.
Geht man jetzt durch die verschiedenen Atmosphärenschichten, stellt man erstmal fest welch hohen Anteil der Variabilität (über 70%, in der Stratosphäre sogar fast 89%) man mit diesem einfachen Ansatz erklären kann. Der solare Anteil beträgt von 11-Jahrespeak zu 11-Jahrespeak ca. 0.1°C und der Erwärmungstrend der letzten 30 Jahre geht natürlich auf die Treibhausgase. Der solare Anteil ist, wie man es erwarten konnte, ungefähr dreimal wichtiger in der Stratosphäre als in der Troposphäre. Und der Strahlungsantrieb der Vulkanaerosole und der verschiedenen anthropogenen Emissionen wechselt eben das Vorzeichen zwischen unterer Troposphäre und der Stratosphäre.
Soweit so gut.
Bild 2: Der gleiche Ansatz wie in Bild 1, diemal mit den Forcingfaktoren über die letzten 130 Jahre. Das natürliche Forcing erklärt max. 0.2°C.
Lean hat dann dieses Regressions-Resultat auf die Oberflächentemperaturen und die entsprechenden Forcings angewandt (Bild 2). Das Forcing (z.B. Sonne und Vulkane) sind jetzt nicht direkt beobachtet, wie es vorher in der Satellitenära der Fall war, sondern basierend auf entsprechenden Rekonstruktionen (Sonnenflecken, Radioisotopen, Aerosolkonzentrationen im Eis etc). Wieder scheint mir das Resultat ziemlich viel der beobachteten Variabilität zu erklären (Bild 2 oben). Die natürlichen Antriebe (Sonne+Vulkane) kommen auf max. 0.2°C Temperatureinfluss, der Rest sind die Treibhausgase. Allerdings ist auch klar, dass dieser Ansatz vor ca. 1950 deutlich schlechter funktioniert als in der Zeit danach. Die Regression (siehe 2 oben) liegt über den Beobachtungen zur Zeit des Endes der kleinen Eiszeit am Ende der kleinen Eiszeit und kann auch nicht die volle Erwärmung bis 1940 beschreiben. Behauptungen wie die von Scafetta/West, dass die Sonne über diesen Zeitraum von 130 Jahren 70% des Temperaturanstiegs erklären soll, scheinen doch ziemlich absurd und benötigt daher auch hoch nicht-lineare und unbeobachtete Einflüsse eines ebenfalls unbeobachten Anteil des Sonnenspektrums auf das Klima.
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