Ein paar Bücher sind zu besprechen und ich fange mal mit Wolfgang Rösslers Buch: “Eine kleine Nachtphysik, Grosse Ideen und ihre Entdecker”. Das Buch gehört ganz klar zu der Sorte von Büchern, die einem zu Beginn nichts sagen (Allein der Titel, come on!), die einen auch zu Beginn eher nerven, aber dann, ganz langsam, kurz bevor man es gelangweilt weglegen will, steckt man drin. Rössler behandelt all die kleinen Anekdoten, groszen Durchbrüche und Zufälligkeiten, die die groszen Entdeckungen in der Physik und Astronomie so begleiteten.
Bild: Eine kleine Nachtphysik von Wolfgang Rössler
Klar, einige der Histörchen kennt man schon (Bohr und Heisenberg in der Skihütte, Röntgen und die Entdeckung seiner Strahlen, Galilei und sein Prozess). Rössler hat es aber sehr weit mit den Anekdoten getrieben. Davon zeugt unter anderem die beeindruckende Literaturliste und die zahlreichen Fussnoten. Am Ende hat man den Eindruck all diese Typen wirklich zu kennen, den unaustehlichen Newton, den schrulligen Einstein und den herzenswarmen Planck. Geordnet ist das Buch sehr lose nach physikalischen Themen und noch loser zeitlich aufsteigend von der Antike zur Neuzeit. In fast allen Kapiteln tauchen Physiker und Physikerinnen aus allen Epochen auf, die sich aus unterschiedlicher Perspektive und mit ganz unterschiedlichem Vorwissen dem jeweiligen Thema genähert haben. Was mir anfangs wie ein grosses Durcheinander erschien, erweist sich aber mit der Zeit als ungeheuer dichte Ideengeschichte der Physik. Wer ein bisschen die Physik kennt, dem wird hier klar, woran es denn in den entscheidenden Momenten gehakt hat. Die vielen Geschichten um die Riesen der Physik herum, die man hier bei Rössler findet, gehören meines Erachtens zum Pflichtprogramm für jeden der bei Physikerfeten klugscheissen will. Und das wollen wir doch alle. Von daher: Ganz klare Leseempfehlung.
Hier meine Lieblingsstories, die ich bislang auch noch nicht kannte.
1) Arnold Sommerfeld war 1928 zu Besuch in Madras, Indien (Was um alles in der Welt trieb Sommerfeld da? Madras ist ein Brutofen.) und traf den damals siebzehnjährigen Subramanyan Chandrasekhar, der als einziges Buch zur aktuellen Physik eben genau Sommerfelds “Atombau und Spektrallinien” durchstöbert hat.”Junger Mann”, sagte da der Sommerfeld, “das ist alles Physik, die der Vergangenheit angehört”. Er solle sich doch mal mit Quantenmechanik beschäftigen. Irgendwie bekam Chandrasekhar dann wohl Wind von einem Problem, das die Astrophysiker damals sehr beschäftigte. Wie können Zwergsterne (Grösze der Erde bei Masse der Sonne) a) so stark leuchten und dabei b) stabil sein. Nur drei Jahre später legte er dann die Lösung für die rätselhafte Existenz der weiszen Zwerge vor. Im Wesentlichen erzeugt die Quantenmechanik selbst mit der Ausschliessungsregel für gleiche Quantenzustände bei der Fermi Statistik für einen Gegendruck, der den Stern vorm Kollaps bewahrt. Allerdings gilt das nur bis 1.4 Sonnenmassen, dann brechen auch diese zusammen, berechnete der 20 jährige Chandrasekhar. Dass er dafür später den Nobelpreis erhielt, erzürnte den braven Chandrasekhar. Denn er hat später auch noch sehr viele und sehr unterschiedliche Themen bearbeitet, und fand, dass er einen Lebenswerk-Nobelpreis verdient hätte. Na, so etwas treibt mich auch immer um.
2) Einstein hatte ja nicht unbedingt ein Händchen, seine Wissenschaft Laien zu vermitteln, zumindest wenn man ihn mit so geborenen Pädagogen wie Feynman oder Planck vergleicht. Letzterer schrieb einen seinem herzenswarmen Charakter ganz zuwider laufenden kleinen Satz zu Einsteins Bemühungen, populärwissenschaftlich zu werden:”Einstein meint, seine Bücher werden dadurch verständlicher, wenn er ab und zu die Worte “Liebe Leser” einstreut”. Und der Alfred Döblin meinte wütend nach vergeblicher Lektüre, das ser Kopernikus, Keppler und Newton gut verstehen könne. “Diese abscheuliche Relativitätstheorie schliesse aber die ungeheure Menge aller Menschen, auch der denkenden, auch der gebildeten, von ihrer Kenntnis aus”. Das sei allen Scienceblogs Autoren zur Mahnung gesagt. Das kann auch mal ziemlich ins Auge gehen mit den Erklärungsbemühungen.
3) Bei den verschiedenen Solvay Konferenzen muss es wohl zwischen Einstein und Bohr so richtig rund gegangen sein. Einstein stellte ein Gedankenexperiment auf und versuchte erneut die Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik ad absurdum zu führen und Bohr widerlegte die Argumentation und rettete eben erneut diese Interpretation. Einmal also nahm Einstein erneut einen sehr Erfolg versprechenden Anlauf: “In einem einfachen Kasten, in dem es hell ist, befinden such Photonen. Der Kasten besitzt eine Uhr und eine . Schiebevorrichtung. Diese ist so angelegt, dass genau ein Photon aus dem Kasten entkommen kann, wenn das Loch frei ist. Der Kasten wird gewogen und der Schieber geöffnet, so dass ein Photon entweichen kann. Danach wird der Kasten wiederum gewogen. Damit kennt man die Masse des Photons und somit seine Energie. Die Uhr am Schieber aber gibt genau den Entweichungszeitraum an. Ein Widerspruch zur Heisenbergschen Unschärferelation, die die genaue Kenntnis dieser beiden Variablen ja genau verbietet. ” Bohr muss wohl an dem Abend schwer geknickt gewesen sein und es kostete ihn eine lange Nacht. Aber dann war die Quantenmechanik wiederum gerettet. Es ist, so sagt Rössler, gerade und ausgerechnet Einsteins allgemeine Relativität, die in diesem Gedankenexperiment die Kopenhagener Interpretation aufs Neue rettet. Je genauer man die Photonenmasse bestimmen will, umso ungenauer ist wiederum der Zeitpunkt bestimmt. Wie das genau geht, weiss ich nicht. Der Hinweis auf die allgemeine Relativität scheint mir besonders interessant, da es ja an sich ein grundlegendes Problem der Vereinheitlichung der Quantentheorien und der Relativität ist, dass sie skalentechnisch so rein gar nichts miteinaner zu tun haben. Rössler gibt Literatur an, da lohnt es sich sicher mal weiterzubohren.
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