Ich hatte ja in einem Akt visionärer Schätzung auf das Jahr 2010 als das wärmste je direkt gemessene Jahr gewettet und tatsächlich diese Wette auch gewonnen. Zumindest im GISS und im NOAA Datensatz lag 2010 hauchdünn vorne. Mein Wettpartner, ein wie immer hoch neurotischer Klimaskeptiker, hat leider die Wette dann nicht eingehalten und gekniffen, was ich ehrlichgesagt menschlich deutlich unangenehmer finde als das Klimaskeptikersein an sich.
Bild 1: Monatliche Anomalien des arktischen Meereises nach NSIDC. Die monatlichen Anomalien wurden relativ zur gesamten Beobachtungsperiode vom Nov.1978 bis zum Juni 2011 berechnet.
So oder so, bot ich dann im Übermut gleich die nächste Wette an. Im Jahre 2011 wird das arktische Meereis ein neues Minimum annehmen, murmelte das Klima-Orakel aus Bochum. Zur Erinnerung im Jahr 2007 brach das AM alle Rekorde, und zwar um einige Standardabweichungen, je nach dem wie man die Statistik anlegt. Ich hatte auch schon mehrfach gezeigt, dass die Modelle den beschleunigten Abfall der letzten Jahre in den IPCC Klimaänderungsrechnungen nicht vorhergesehen haben, was der Entwicklung der letzten Jahre in der öffentlichen Wahrnehmung etwas Dramatisches gab und das AM sozusagen zum Pandabären des Klimawandels machte: Das sichtbare , rasche und symbolträchtige Verschwinden einer Klimazone und Habitats.
Bild 2: Das arktische Meereis erreicht meist im September sein Minimum und genau dieses Minimum nimmt besonders stark und beschleunigt ab.
Trotzdem sei nochmals erwähnt, dass die Modelle, wenn sie mit den zeitnahen und korrekten Randbedingungen angetrieben werden, durchaus in der Lage sind, so eine Ereignis wie 2007 abzubilden. Allein die “sich selbst überlassenen” Modelle innerhalb der IPCC Rechnungen verpassten die Entwicklung der letzten Jahre und es gibt eine ganze Reihe von möglichen Gründen: räumliche Auflösung, Komplexität der Modelle (das obige erfolgreiche Modell ist deutlich detaillierter in seiner Beschreibung der Meereisprozesse als die Standard-IPCC Modell-Versionen), systematische Unterschätzung der Erwärmung in polaren Breiten, etc. etc.).
Bild 3: Tamino von Openmind hat daher mal eine quadratischen Fit durch die September Anomalien der Meereisausdehnung gelegt und kommt in der Extrapolation für 2011 auf einen Wert von 4.66 ±0.66 Millionen km^2, wenig aber kein neuer Rekord.
Wie aber steht es also um meine Wette? Tamino hatte bereits vor neun Monaten eine Schätzung angeboten, in dem er einfache eine quadratische Gleichung an die September Meereis-Minimums Werte fittete und dann auf den September 2011 extrapolierte. Resultat war also eine Prognose von 4.63 ±0.9 Millionen km^2 für das diesjährige Minimum, rund 2.5 Millionen km^2 unter den Normalwerten der 80er Jahre.
Nun ist aber eine Prognose für den September 2011, die nur die Daten bis zum letzten September im Jahr 2010 benutzt, sicher noch verbesserungsfähig. So fügte Tamino jüngst in seine quadratische Gleichung (übrigens zum Zeitpunkt als ich die Graphiken zu dem Beitrag hier schon fertig hatte) noch einen linearen Term bei, der als weiterer Predictor in die Regressionsanalyse eingeht. Resultat diesmal: 4.66 ±0.66 Millionen km^2. Also fast unverändert im Vergleich zu der Vorjahresprognose.
Bild 4: Schmelzrate im Frühjahr gegen September Minimum. Die Regression erklärt 37% der Variabilität (r^2). Die Regression gibt einen Wert von 6.19±0.74 Millionen km^2 (blauer Punkt) für das diesjährige Minimum.
Ich dachte man könnte es etwas anders und mit noch mehr aktuellen Daten versuchen. Zwei mögliche weitere Predictoren kamen mir in den Sinn. Erstens, nehmen wir an, dass das Meereis bereits zum Winterende sehr dünn ist. So stehen sicher die Chancen gut, dass entsprechendes Wetter diese bereits schwächelnde Eisoberfläche leicht wegräumen kann. Ich habe daher als ersten Predictor mal die Jan-Apr mittlere Meereisanomalien genommen. Eine andere Idee wäre, dass relative langsame Ozeanströmungen mehr oder weniger Wärme in den arktischen Ozean pumpen bzw. mehr oder weniger Eis aus dem relative geschlossenen arktischen Becken herausbefördern. Sind diese Strömungen erstmal in Richtung “besonders starke Schmelze” oder auch “besonders schwache Schmelze” angesprungen, führten sie also zu einem besonders starken oder schwachen Trend in den Monaten vor dem eigentlichen AM Minimum im September. Der zweite Predictor wäre also der Trend des Abschmelzens von Januar bis Juni. Die These lautet also, je schneller geschmolzen im Früjahr, umso doller das Meereisminimum.
Bild 5: Winter-Anomalie der Arktischen Meereisausdehnung (Jan-Apr) gegen Meereisminimum im September. Die Regression erklärt 53% der Variabilität (r^2). Die Regression gibt einen Wert von 5.28±0.64 Millionen km^2 (blauer Punkt) für das diesjährige Minimum.
Beide Predictoren ergeben durchaus sinnvolle lineare Regressionen (siehe Bild 4 und 5). Im Falle der mittleren Wintermeereisanomalie als Predictor (Bild 5) kommt man auf einen September-Wert von 5.28±0.64 Millionen km^2 und im Falle des Trends (Bild 4) auf 6.19±0.74 Millionen km^2. Beide Werte liegen über Taminos Schätzungen, da ich eben keinen zeitlichen Trend (ja sogar beschleunigten Trend wie bei Tamino) beim AM annehme und so tue, als ob eine Meereisbedeckung wie in den 80ern genauso wahrscheinlich wäre wie eben die zu erwartende Oberfläche, die sicher um mindestens 2 Millionen km^2 kleiner ausfallen wird. Nichtsdestotrotz, keiner der diesjährigen Indikatoren (Trend und Wintermeereisfläche) lässt momentan vermuten, dass ich auch dieses Jahr die Klimawette gewinnen würde. Das einzige allerdings, was dafür spricht, ist das doch tatsächlich die momentanen Juli-Werte unterhalb der 2007 Werte zur gleichen Zeit liegen (siehe Bild 6). Es bleibt also spannend.
Bild 6: Momentaner Stand des arktischen Meereises im Vergleich zu 2007 und den Jahren vor 2000. Wir segeln knapp unter dem Rekordjahr daher.
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