Klimawandel und Krieg, das scheint doch der ideale Mix, um unbegründete Ängste und Panik zu schüren. Andererseits, ist es ja vielleicht ein interessantes Thema, oder? Sollte man in vorauseilenden Gehorsam Forschungsthemen aussparen, weil man nicht als Klimapornograph dastehen möchte? Auf keinen Fall. Also fangen wir mal an. Es geht um das bereits bei Jürgen diskutierte Paper von Hsiang+Meng+Cane . Von diesen dreien ist nur Mark Cane Klimawissenschaftler und ein ausgewiesener ENSO Experte vor dem Herrn. Die beiden anderen sind Politikwissenschaftler von der Columbia Universität. Das an sich ist sicher schon bemerkenswert, schliesslich heisst das publizierende Journal “Nature” und nicht “Political Geography” oder so ähnlich.
Wahrscheinlich sind es die Buzz-wörter “Klima” und “Krieg”, die unter anderem dafür gesorgt haben, dass das Paper weite Beachtung fand (Spiegel, Nature Views)
Bild 1: Soldatenfriedhof bei Verdun. Bei mehr angenehmen Südwestlagen wäre das nicht passiert?
In der Veröffentlichung selbst geht es um statistische Zusammenhänge zwischen einer Klimagrösze (ENSO) und einem sehr komplizierten sozialen Prozess, dem mehr oder minder organisierten Totschlagen anderer Menschen, kurz Krieg. Eine Reaktion auf das Paper war nun, dass das, ganz unabhängig was die Autoren denn nun genau gemacht haben und was die genauen Resultate des Papers sind, eh schon Blödsinn sei. Das kann man eben nicht machen. Der von mir sehr geschätzte Hans von Storch schrieb hier in einem Interview, dass er zuerst an einen Witz dachte und sich in die dunklen Zeiten eines pseudowissenschaftlichen Klimadeterminismus zurückversetzt glaubte. Und um den Nagel noch ein bisschen tiefer ins weiche Holz zu treiben, bezeichnete die Sozialwissenschaftlerin Silke Beck das Paper (oder die Assoziationen/Diskussionen zum Paper?) als Klimaporno und politisch gefährlich.
Vor den eigentlichen Resultaten des Papers also eine Rechtfertigung. Ist es grundsätzlich erlaubt relativ simple Stellgröszen gegen komplexes, undurchschaubares, menschliches Verhalten aufzutragen? Ich meine ganz klar, ja, das ist erlaubt, und verweise insbesondere auf das, was in der Oekonometrie Gang und Gebe ist: Was ist der Einfluss der steuerlichen Abschreibung auf die Zahl der Geburten, was ist der Einfluss der Zahl der Steuerprüfer auf das vom Staat eingenommene Steuervolumen, was ist der Einfluss des Reichtums des Ehemanns auf das Alter der Ehefrau, und so weiter und so fort. Ein solch “einfacher” Zusammenhang würde in meinen Augen niemals den Schusspunkt einer Analyse darstellen, sondern den Startpunkt einer soziologischen oder wie das Steve Lovitt in “Freakonomics” nennt “mikro-ökonomischen” Untersuchung. Schaut man etwa in die Literatur zu den Ursachen und möglichen Einflüssen auf den Beginn und/oder die Länge bewaffneter Konflikte, dann findet man das gesamte Spektrum von detaillierten Fallstudien bishin zu statistischen Analysen ganz im Stil der Hsiang Studie hier die nach Zusammenhängen zwischen den Ausbrüchen gewaltsamer Konflikte und allen möglichen Vorgängen und Gröszen suchen: Ölvorräte, Agrarerträge, Pro-Kopf Einkommen, Diamanten, Holz. Und das ist sicher nicht die vollständige Liste. Warum also nicht ENSO?
Bild 2: Typische Tele-connections, die mit einem Niño Ereignis assoziiert sind.
ENSO ist die gröszte globale interannuale Klimaschwankung. Wenn auch zuerst einmal “nur” der Pazifik von den sich quasi zyklisch umordnenden Wassermaszen betroffen ist, sitzen am Ende per atmosphärischer Tele-connections fast die gesamten Tropen und weite Teile der Subtropen mit an Bord. So führen El Niño Bedingungen häufig in Indonesien, Australien und dem Noreste Brasiliens zu Dürren, andere Regionen leiden aber genau umgekehrt häufig unter Überschwemmungen (Peru). Bild 2 zeigt einige dieser El Niño beeinflussten Gebiete, die entweder zuviel oder zuwenig Wasser abkriegen. Entgegen dem Eindruck, den der Hsiang et al. Text ein bisschen gibt, ist es während El Niño keineswegs überall trocken und warm. Die Niño Überschwemmungen in Peru etwa sind spektakulär und gut bekannt (so gibt es eine historische ENSO Rekonstruktion, die unter anderem die Anzahl der unterspülten Brücken benutzt). Ausserdem ändern sich die regionalen Muster von Niederschlag und Temperatur je nach dem wie das Zusammenspiel von ENSO und saisonaler Zyklus genau getunt ist (vergleiche die Winter Korrelation mit denen des Sommers, Bild 2 a und b). Auch sind diese Verbindungen längst nicht so robust, dass jeder El Niño immer das gleiche trocken/feucht Muster produzieren würde.
Wenn man denn schon den Zusammenhang zwischen einem Klimaparameter und so etwas wie Häufigkeit von bewaffneten Auseinandersetzungen anschauen will, dann ist ENSO an sich kein schlechter Parameter. Wegen des groszen zusammenhängenden Gebiets, welches betroffen ist, kann man wenigstens einigermaszen anständig Statistik betreiben und es wundert mich schon, dass das jetzt erst zum ersten Mal (?) gemacht wurde. Schliesslich gibt es grosze Friedens- und Konfliktforschungsinstitute, wie etwa das Osloer Institut von dem Hsiang et al. auch die Daten zu den bewaffneten Konflikten haben. Da gibt es sogar eine ganze Arbeitsgruppe “Environmental Factors in Civil War” . Und da ist noch nie einer drauf gekommen mal den ENSO Index zu nehmen? Der Leiter dieser Gruppe, Halvard Buhaug , hatte übrigens erst jüngst einen sehr kritischen Artikel zum Zusammenhang von Klima und Krieg in Afrika geschrieben und jetzt auch eine Reihe kritischer Interviews zum Hsiang et al. Paper gegeben.
Als ich mich nun ein bisschen mit dem Thema beschäftigt habe, habe ich dann auch herausbekommen, dass es eine ganze Reihe von solchen Datenbanken gibt, die bewaffnete Konflikte katalogisieren. Erste Anmerkung also schonmal zu den folgenden Ergebnissen von Hsiang et al.: Sie haben einen norwegisch/schwedischen Datensatz verwandt, gegen den sicher nichts einzuwenden ist. Aber es gibt eben eine Reihe anderer Datensätze, die man sicher auch mal gerne durchgerechnet hätte. So reviewte etwa Michael Ross eine ganze Reihe von Studien, die nach Zusammenhängen zwischen dem Vorhandensein von Erdöl, Diamanten, Edelsteine allgemein, Holz, Agrarprodukte, Cannabis, Heroin, Kokain und Drogen allgemein und schliesslich der per capita Wohlstand in einem Land auf das Ausbrechen bewaffneter Konflikte haben könnte. Bei fast allen hätte ich auf einen klaren Zusammenhang sowohl was den Beginn als auch die Länge des Konflikts angeht. Tatsächlich schafft es gerade mal das Erdöl in die Kategorie “ziemlich sicherer Zusammenhang”. “Blut für Öl”, na endlich ist im Leben mal etwas so einfach, wie man das immer gerne hätte. Bei allen anderen sicher geblaubten Kriegsfaktoren, wie etwa die Verfügbarkeit von Lebensmitteln , hängt der statistische Zusammenhang stark vom benutzten Datensatz ab und schwankt sehr zwischen “schwach korreliert” und “kein Zusammenhang”. Hat man erstmal Leonardo di Caprio durch den Dschungel den Blutdiamanten hinterherjagen sehen, ist man doch sehr geneigt, Edelsteine als einen idealen Treibstoff für Bürgerkriege anzusehen. Doch so geht es mit den sicher geglaubten Erkenntnissen bisweilen.
Bild 3: Bewaffnete Konflikte, aufgeteilt nach ihrer internationalen Verflechtung. Die Pfleile zeigen die Jahre mit den stärksten El Niños in dieser Zeit.
Auf der Daten-Seite des Osloer Instituts gibt es eine Reihe hübscher Grafiken und ich habe mal meinen kleinen Minimal-Check für die Behauptung gemacht, ENSO habe einen Zusammenhang mit dem Ausbrechen bewaffneter Konflikte. Bild 3 zeigt die Anzahl der weltweiten bewaffnete Konflikte, die es in die Datenbank geschafft haben. Der grosze Verlauf der gezeigten Kurven hat sicher eher etwas mit der globalen Kriegs-Ökonomie zu tun, der Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit von Waffen, mit der Intensität des Kalten Kriegs und, nach dem Verschwinden der Sowjetunion, mit der Neu-Ordnung der zurückgebliebenen nationalen Bruchstücke. Interessant auch, dass, obwohl doch scheinends oder zumindest von mir so empfunden, die Zahl der schweren Konflikte über diesen Zeitpunkt eher zurückgegangen ist, nimmt die Zahl von vermutlich dann immer kleineren Konflikten eher zu.
Ich habe dann mal aus dem Gedächtnis die stärksten Niño Ereignisse eingezeichnet. Bevor also die Autoren jetzt mit Korrekturen aller Art (Kalter Krieg, etc.) anfangen, die Datenserie zu bearbeiten, und man ein bisschen den Überblick verliert, suggeriert Bild 3 schon, dass die kleinen Wiggel der Konfliktkurve irgendwie zu ENSO passen könnten. Wie gesagt, ich versteh nicht, warum da niemals jemand nachgeschaut hat. Macht man es dann korrekt, sieht es wohl so aus wie in Bild 4, welches die verwurschtelte, Kalter Krieg und Anzahl der existierenden Länder bereinigte Zahl der Konflikte weltweit (ACR: Annual Conflict Risk= the probability that a randomly selected country experiences conflict) aufträgt. ENSO erklärt hier (in einem rein statistischen Sinn) 21% der bewaffneten Konflikte, ein Resultat, so die Autoren, das robust gegen allerlei statistische Test zu sein scheint. Sie untersuchen alle möglichen Untermengen (mit und ohne Afrika, kleine und grosze Konflikte, der verwandte ENSO Index) und das Resultat bleibt ungefähr das Gleiche. Allerdings verwenden sie nicht einen der vielen anderen Datensätze, was ich doch für ein echtes Versäumnis halte, da Michael L. Ross hier klar gezeigt hat, wie sehr verschiedene Datensätze zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.
Bild 4: Annual conflict risk (ACR) index aufgetragen gegen ENSO index.
In Bild 5 sieht man ein letztlich auch seltsames Resultat. Es zeigt das Timing dieser nach Niño Ereignissen startenden Konflikte, die also nur wenige Monate nach den ersten Anzeichen eines Niños bereits loslegen. Warum ist das seltsam? Nun, die meisten vorgeschlagenen Mechanismen, die einen Link zwischen Klima und Konflikten bewirken sollen, drehen natürlich um aufkommende Spannungen bei Nahrungsmittel- und Trinkwasserknappheit. Schliesslich reagieren Menschen nichts direkt auf Wetterkarten, sondern auf deren Konsequenzen. Diese Konsequenzen aber sind selbst in Drittwelt-Ländern immer zeitlich gepuffert und zwar deutlich mehr als nur 2-3 Monate. Auch eine Missernte muss ja zumindestens mal eingebracht und die Vorräte aufgebraucht werden, bevor sich dann ein möglicher Konflikt erhitzt. Eine so direkte Reaktion auf einen sich entwickelnden Niño ist mir völlig unerklärlich und der Verweis der Autoren auf mögliche psychologische Ursachen und ein Paper, das die “heat related retaliation in baseball” untersucht, kann jetzt nicht wirklich überzeugen.
Bild 5: Beginn von Konflikten und Niño und Niña Jahren.
Wäre die Reaktion auf das Paper anders ausgefallen, wenn eine Korrelation mit La Niña Ereignissen, die ja eher für kühlere Tropen sorgen, nachgewiesen worden wäre? Wahrscheinlich. Nicht, dass das Ganze dann viel plausibler oder verständlicher geworden wäre, aber unser Klimaskeptiker hätten sicher getitelt: “Ein wärmerer Planet wird weniger Kriege kennen”. Zumindest haben sie genau so vor zwei Jahren eine ähnliche Krieg/Klima-Studie mit historischen Daten bejubelt, weil da nun gerade die kälteren Epochen die kriegerischen waren, und das, obwohl die Autoren dieser Studie folgendes in ihr Paper schrieben:
“Both higher and lower temperatures would lead to change of the human ecosystem. The important direct impact of the change from the climate cooling was on agricultural production that dominated the economy of agricultural societies. Global warming could also create an impact on agriculture. Although rising of temperature will, at least for a while, increase total bio-productivity according to biological principles, recent research suggests that the negative effects of global warming on agriculture seems greater than the positive effects (34, 35). Significantly, most of the world’s population will continue to rely on small-scale agriculture, which remains as vulnerable to climatic fluctuations as it was in the
historical period covered in this study. Other direct impacts of global warming, such as sea level rising, spread of tropical diseases, increase of extreme weather events and glacial retreat, would also add costs on the current economy that is supported by cheap energy.”
Hsiang et al. machen zumindest überhaupt keine Aussage über die Zukunft. Offensichtlich sind kurzfristige Schwankungen wie ENSO und eine langfristige Entwicklung, wie der anstehende Klimawandel, in ihren Auswirkungen auf soziale Systeme etwas völlig anderes. Wenn überhaupt etwas an dieser ENSO Connection dran ist, dann handelt es sich bei den jeweiligen “ENSO” Konflikten doch auf jeden Fall um Konflikte, die ohnehin “reif” sind, d.h. bei denen sich die verfeindeten Gruppen bereits bewaffnet gegenüberstehen und sozusagen nur noch auf den Anlass warten. Alles andere ist ja zeitlich gar nicht möglich (siehe Bild 5). Ob oder ob nicht der zukünftige Klimawandel zu einem verstärkten Kampf um natürliche Ressource führt, hängt sicher von vielen Faktoren ab. Aber wie sagt es doch so schön der Harald Welzer in seinem Buch “Klimakriege – Wofür im 21ten Jahrhundert getötet wird”: Gewalt ist immer eine Option.
PS: Wer noch mehr zum Thema wissen will, hier geht es zum Blog von Buhaug: Climate Change and Security und hier zu einem Blog zu einer entsprechenden Konferenz im letzten Jahr in Trondheim mit einem Begleitartikel aus dem Economist.
PPS Literaturliste
Hsiang et al. Nature 2011 “Civilc Conflicts are associated with the global climate”
Zhang et al. PNAS 2007 “Global climate change, war, and population decline in recent human history?”
Ragnhild Nordas and Nils Petter Gleditsch, Political Geography, 2007 “Climate change and conflict”
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