Na ehrlich gesagt, haben wir keinen Nature Artikel, sondern einen Nature Geoscience Artikel. Auch nicht schlecht. Ich dachte, das wäre mal eine Gelegenheit, von dem zu sprechen, was ich denn konkret den lieben langen Tag so treibe, obwohl ich selbst, warum auch immer, nie besondere Lust über etwas auf Primaklima zu schreiben, worüber ich ohnehin schon den ganzen Tag gearbeitet habe.
Worum geht es in dem Artikel? Eines der drei groszen Probleme der Paleoklimaforschung ist es wahrscheinlich, den Faktor oder die Faktoren zu finden, die für den glazialen CO2 Wert verantwortlich sind. Bevor der Mensch in den letzten 200 Jahren das Kommando bei den CO2 Flüssen übernahm, variierte der CO2 Wert in der Atmosphäre in den letzten ca 10000 Jahren, dem sogenannten Holozän, sehr wenig zwischen 260ppm und 280ppm. Davor aber lag eine Zeitspanne von 30.000 Jahren glazialer Bedingungen, in der die CO2 Werte zwischen 180ppm und 200 ppm schwankten. In dieser Zeit liegt auch das glaziale Maximum um ca 21.000 Jahren vor Heute mit der gröstzen kontinentalen Eisausdehnung und den niedrigsten CO2 Werten. Doch wie kommt es zu den ca. 100ppm Differenz zwischen dem heutigen Interglazial und der letzten Eiszeit? Das Problem existiert ja nicht nur in den letzten 100.000 Jahren sondern, wie uns Messungen am Dome C EPICA Eiskern zeigen, praktisch die gesamten letzten 1 Millionen Jahre.
Bild 1: Methan, Wasserisotope und CO2 vom europäischen Eiskernprojekt EPICA, Dome Concordia in der Ost-Antarktis. Die Wasserisotope sind im wesentlichen linear von der lokalen Temperatur bestimmt. Es ist einer der fundamentalen Fragen der Geochemie, wieso die eiszeitlichen CO2 Werte um 100ppm niedriger waren, denn der kältere, glaziale Ozean erklärt dies eben gerade nicht.
The big and unsolved problem
Was ist nun für die groszen natürlichen CO2 Schwankungen verantwortlich? Es gibt dutzende Paper zu diesem Grossproblem der Klimaforschung, kein einzelner Mechanismus allein schafft es wirklich die 100ppm Änderung hinzubekommen UND gleichzeitig eine Reihe anderer Randbedingungen und Beobachtungen korrekt zu erfüllen. Die meisten Wissenschaftler murmeln wohl etwas vom Ozean, aber so richtig löst dies das Problem auch nicht.
Witzig ist diese Wissenlücke, die sich auch ganz offiziel im IPCC wiederfindet, auch deshalb, weil zumindest eine Gruppe von Klimainteressierten, nämlich unsere Skeptiker, eine rundum-glücklich Lösung für dieses Problem zu kennen meinen: Es wird ja vom letzten Glazial zum Holozän hin um einiges warmer, und genau wie bei einer Mineralwasserflasche im wärmenden Sonnenschein gast also der globale Ozean Kohlendioxid einfach aus (im leider verschwundenen Video von Prof. Dronskowski taucht dieser Vorschlag genau so auf wie etwa hier , hier und hier). Man wird es kaum glauben, aber da sind die Klimaforscher schon vorher und von alleine drauf gekommen! Problem ist allerdings, dass man Ideen manchmal auch quantifizieren muss und so kann man leider mit dem ca 3-4K kälteren glazialen Ozean nur um die 30ppm erklären.
Wo also bleibt der Rest? Zu allem Elend muss man aber nicht nur die (100-30)=70 ppm erklären. Die terrestrische Biosphäre der Eiszeit war ja deutlich zurechtgestutzt. Die Flächen, auf denen sich heute die riesigen Wälder Nordamerikas und Sibiriens erstrecken, waren in der Eiszeit entweder von Eisschilden oder von Tundra und Permafrostböden bedeckt. Deutlich weniger biologisches Material also. Wieviel Material, also letztlich CO2, wissen wir nicht genau (darum geht es unter anderem hier), aber die meisten Studien gehen davon aus, dass mindestens die 30ppm, die von einem kälteren glazialen Ozean absorbiert wurden, wieder von einer reduzierten terrestrischen Biosphäre hinzugekommen sind. Zurück auf Start also. Es gilt 100ppm weniger während des Glazials zu erklären.
Bild 2: Schema unserer Studie und dieses Bloggbeitrags. Wir kombinieren die Informationen von Sauer- (links oben) und Kohlenstoffisotopen (rechts oben), um quantitative Informationen zu terrestrischer Produktivität und Biomasse der Eiszeit zu erlangen. Beide Informationen werden dann einem Biosphärenmodell so eingefüttert, dass es eine zu dieser Information konssistente Biomekarte ausspuckt.
Die zwei Eimer und die Röte des Wassers
Da dieses Problem mittlerweile als “zu gross, um auf einen Schlag gelöst zu werden” betrachtet wird, ist das, was wir hier im Paper versuchen, eher so etwas wie ein kleiner Schritt hin auf dieses grosze Ziel. Wir nutzen zwei isotopische Tracer, das 18O des atmosphärischen Sauerstoffs und das 13C des CO2 und charakterisieren damit zumindest einen der groszen Unbekannten in der globalen Kohlenstoffbilanz, die terrestrische Biosphäre.
Ein paar Grundlagen. Warum eigentliche isotopische Tracer in den Geowissenschaften? Nehmen wir an, wir haben zwei Eimer mit den unbekanten Wassermengen A und B. Wir dürfen nicht in die Eimer schauen und das Einzige was wir wissen ist die resultierende Menge C=A+B. Ein Möglichkeit an A und B zu kommen, ist es wasserlösliches Rot in A zu rühren und sich dann später den Eimer C und seinen Inhalt anzuschauen. Ist er ziemlich rot, dann ist A wohl viel grösser als B gewesen. Ist er nur blassrot, na dann ist es eben umgekehrt. Mit anderen Worten:
C = A + B
RC*C=RA*A+RB*B
Wobei RX (mit X= A, B oder C) jetzt eben den Rötegrad angiebt, den man irgendwie objektiv misst oder, falls man gerade keinen Rotmeter zur Hand hat, mittels einem Haufen Kinder bestimmt, die R von 1 bis 10 subjektiv zuordnen. Man muss also RA,RB,RC kennen und hat dann natürlich zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten. In unserem Beispiel etwa ist RB null (da gar kein Rot im Eimer B war) und so folgt sofort, dass A=RC/RA*C ist und B natürlich =(1-RC/RA)*C.
Bild 3: Eiskernbeobachtungen der Isotopenzusammensetzung des Sauerstoffs, der im Vostok Eiskern gefangen war. Zieht man von dieser direkt beobachten Grösze, 18O16O, den equivalenten ozeanischen Sauerstoffisotopenwert ab, so erhält man den Verlauf des Dole Effekts über die letzten 400.000 Jahre. Der Dole Effekt ist anscheinend stark an die Präzession der Erde gebunden, wie der Vergleich oben zeigt.
Nun, jeder ahnt ja wohl, dass in unserem Paper es nicht um Röte, sondern um den Isotopengehalt geht. Sowohl der Sauerstoff also auch der Kohlenstoff haben neben den Hauptisotopen 16O und 12C noch zwei weitere (tatsächlich noch mehrere, aber lassen wir das jetzt mal) Isotope am Start, nämlich das um zwei Neutronen schwerere 18O und das um ein Neutron schwerere 13C. Beide sind über Jahrmillionen stabil und können sehr gut massenspektroskopisch gemessen werden. Das Verhältnis von 16O zu 18O beträgt zum Beispiel 498.7 Teile zu 1. Kleinste Variationen dieses Verhältnisses können interessante Rückschlüsse erlauben.
Der atmosphärische Sauerstoff
Beginnen wir mit dem atmosphärischen Sauerstoff, der natürlich molekular als O2 vorliegt. Sieht man mal vom Sauerstoff, der in verschiedenen Verbindungen in der Erdkruste vorliegt, ab, befindet sich der meiste Sauerstoff gebunden in der Form von Wasser. Es ist also sinnvoll diesen Riesenpool als Standard zu nehmen und jedes Sauerstoffisotopenverhältnis anderer Reservoire und Verbindungen als Abweichungen zu diesem Standard zu berechnen. Das Verhältnis von 16O zu 18O im molekularen atmosphärischen Sauerstoff im Verhältnis zum gleichen isotopischen Verhältnis im Wasser (unserem Standard) lautet also:
RAtm/ROzeanWasser
Da das aber meist komische Zahlen ( e.g. 0.9972) ergibt, macht man bei den Isotopen meist noch eine kleine Operation:
D=( RAtm/ROzeanWasser-1) und gibt das Resultat in ‰ an. Das ist also unser Rötegrad aus dem Beispiel mit den Eimern oben. Bei positive Werten, etwa +10‰ spricht man von angereicherten Werten und, etwas euphemistisch, bei -10‰ von abgereicherten.
Bild 4: Die Gleichungen des Dole Effekts, der sich aus zwei Komponenten zusammensetzt, dem ozeanischen und den terrestrischen Dole Effekt. Deren Wichtigkeit ist kontrolliert mit der relativen Wichtigkeit der ozeanischen bzw. terrestrischen Produktivität an der Gesamtproduktivität.
Zuerst also zum atmosphärischen Sauerstoff und seiner Isotopenzusammensetzung. In diesem Fall ist der grosse Eimer C, in den alles zusammenfliesst, unser atmosphärisches O2 Reservoir und die beiden kleinen Eimer ist der Fluss von O2 Molekülen, die auf der einen Seite durch die terrestrische Biosphäre sausen, und von denen, die auf der anderen Seite durch die marine Biosphäre sausen. Man beachte, dass hier nicht wirklich Eimer, also feste Volumina, deren Inhalt gemischt wird, stehen, sondern eher zwei unterschiedlich schnell tropfende Wasserhähne, die terrestrische und marine Produktivität. Die Flüsse von O2 spiegeln natürlich fast genau die entsprechenden Flüsse vom CO2. Wir sprechen hier also wirklich über die Bruttoproduktivität der Biosphäre.
Unter heutigen Bedingungen beträgt der isotopische Wert der Atmosphäre ~ +23.8‰, also einer deutlichen isotopischen Anreicherung im Verhältnis zum globalen Ozeanwasser (dOzeanWasser=0‰ per Definition). Diese Anreicherung zwischen Atmosphäre und Ozean heisst Dole Effekt https://en.wikipedia.org/wiki/Dole_effect. Sie kommt in erster Linie dadurch zustande, dass beim Veratmen organischen Materials (also etwa beim Verrotten von Blättern und Ästen) bevorzugt das leichte 16O herangezogen wird. So bleiben im Luftsauerstoff eben mehr 18O Isotope zurück. Er wird isotopisch angereichert. Um das ganze quantitativ zu berechnen, muss man tatsächlich nun im Ozean und in der terrestrischen Biosphäre alle biochemischen Prozesse durchgehen, bei denen O2 freigesetzt wird (im wesentlichen die Photosynthese) und die, bei denen O2 verbraucht wird (Respiration). Wir haben uns also alle diese Prozesse angeschaut und modelliert. Unser Wasserhahn A und B, terrestrische und marine Biosphäre, unterscheiden sich in dieser Rechnung um etwa 8‰, der Ozean liegt so bei 20‰ und die terrestrische Biosphäre bei 28‰. Die Mischung dieser beiden Flüsse ergibt den beobachteten Wert in der Atmosphäre von etwa 23.8‰.
In der Vergangenheit schwankte dieser Wert ganz beachtlich (23‰-24.5‰), allerdings nicht besonders schnell. Schliesslich müssen ja die 230.000 ppm des atmosphärischen Sauerstoffs ausgetauscht und isotopisch verändert werden und das bei einer typischen Austauschzeit von 1500-2000 Jahre. Woher wissen wir aber, dass der Wert des Dole Effekts sich in der Vergangenheit geändert hat? Natürlich von den antarktischen Eisbohrkernen, in denen die Paläo-Luft so perfekt eingeschlossen ist, dass sie auch nach fast einer Millionen Jahren noch analysiert werden kann. Ein Blick auf die Schwankungen des Dole Effekts (Bild 3) in der Vergangenheit zeigen zyklische Schwankungen mit einer Periode von ungefähr 20.000 Jahren. Hier interessiert nun insbesondere der Wert des Dole Effekts zur Zeit der letzten Eiszeit vor 21000 Jahren. Wie man an Bild 3 ablesen kann, war er ungefähr gleich zu dem heutigen Wert (was übrigens recht erstaunlich ist, jetzt aber nicht weiter erörtet werden soll).
Bild 5: Was passiert wenn? Schema was verdeutlicht, wie das Gesamtsystem reagiert, wenn die vermutlich am ehesten variablen Dole Effekt Gröszen
variieren. Insbesondere gilt: Geht die ozeanische Produktion oder die terrestrische Produktion runter, so wird der Dole Effekt kleiner!
Die Gleichungen in Bild 4 zeigen nun, wie man wohl den Dole Effekt (genauer “Änderungen des Dole Effekts” über die Zeit) nutzen kann, um etwas über die Produktivität der marinen oder terrestrischen Biosphäre der Vergangenheit zu lernen. Wie oben erklärt, beträgt der Unterschied zwischen den beiden “Eimern” in unserer Abschätzung etwa 8‰ (Differenz zwischen dem terrestrischen Dole und dem marinen, jedoch siehe Boaz) und dieser Unterschied wird also gerade gewichtet (Groesze f) mit der relative Grösze der marinen und terrestrischen Flüsze. Um das ein wenig besser zu veranschaulichen, habe ich mal das Ganze mit Wenn-Dann-Pfeilen veranschaulicht (siehe Bild 5). Würde über lange Paleozeitskalen der Ozean also produktiver werden (etwa indem der Ozean schneller die Nährstoffe zurück an die Oberfläche bringt), dann würde also unser Faktor f, der im wesentlichen das Verhältnis von mariner zu terrestrischer Produktion angibt, grösser werden. Also würde dem ozeanischen Dole Effekt in der Formel aus Bild 4 mehr Gewicht gegeben und somit der Gesamt-Dole kleiner werden. Bei Schwankungen der terrestrischen Prokutivität wäre es natürlich genau umgekehrt: f kleiner, mehr Gewicht für den terrestrischen Anteil und den grösseren terrestrischen Dole Effekt. Somit würde der Gesamt-Dole ansteigen.
Bild 6: Resultat der Analyse des Dole Effekts, heute und zur letzten Eiszeit. Terrestrischer Dole Effekt und terrestrische Produktivität sind die unsichersten Gröszen in der Gesamtbilanz. Betrachtet man den funktionellen Zusammenhang der beiden Groesze, so kann man mit einer Abschätzung des terretsrischen Dole die jeweilige terrestrische Produktivität festlegen. Der Vergleich zwischen dem vorindustriellen Zustand und der letzten Eiszeit ergibt eine Verringerung der Produktivität um 40%.
So erstaunlich es klingt. Durch das Messen der Isotopenzusammensetzung von abertausende “altem” Sauerstoff eingeschlossen im Eis der Antarktis können wir heute wissen, wie schnell die Biosphäre damals geatmet hat. Phantastisch! Und wie schnell hat sie nun? Den atmosphärischen Gesamt-Dole-Effekt kennen wir ja von den Eiskernmessungen. Ferner haben wir die verschiedenen Gröszen in der Bilanzgleichung in Bild 4 mit einer Kombination von Klima-, Produktivitäts- und Isotopenmodellen abgeschätzt (Details findet man im Paper) und haben gemerkt, dass die unsichersten und am stärksten variierenden Komponenten der Gleichung (Bild 4) die terrestrischen Faktoren sind. Der Ozean blieb in unseren Modellen ausgesprochen stabil und träge. Sowohl die ozeanische Produktivität als auch der ozeanische Dole Effekt änderten sich kaum zwischen ihrem präindustriellen und eiszeitlichen Werten. Berechnet man jetzt den terrestrischen Dole Effekt, DETerr, mit unseren Modellen dann legt die Gleichung aus Bild 4 sofort die jeweilige Produktivität fest. Da mit den verschiedenen Modellkombinationen eine gewissen Streuung für DETerr verbunden ist, hat man sogar eine Fehlerabschätzung. Jeder DETerr, Wert ergibt einen anderen Produktivitätswert.
Das Resultat ist letztlich keine Überraschung. Im Mittel sinkt die terrestrische Produktivität um ca. 40% während des Glazials. Die Biome, die typisch sind für polar/kalte Breiten, hatten sicher eine gröszere Ausbreitung. Diese sind in der Regel weniger produktiv als die Wälder mittlerer Breiten, die sie teilweise ersetzt hatten. Ferner war ja bekanntlich der atmosphärische CO2 Wert des Glazials um 100ppm oder ca 30% niedriger. Ein niedrigerer CO2-Wert aber setzt alle Pflanzen auf eine strenge Diät und auch dieser Faktor erklärt ganz wesentlich unsere Abschätzung von einer um 40% kurzatmigeren Biosphäre.
Wir sind aber noch nicht am Ende mit unseren Isotopen. Im Teil Zwei geht es weiter mit der Biomasse und den Isotopen des Kohlenstoffs.
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