Anlässlich eines jüngst erschienenen von Forster und Rahmstorf kamen wiedermal einige schon tausend Mal wiederlegte Argumente zum Thema “Was beeinflusst die globalen Temperaturen” nach oben geblubbert. F&R haben sich damit beschäftigt, was passiert wenn man bekannte/häufig diskutierte externe Forcingfaktoren (ENSO, Vulkanausbrüche und Variationen der Sonnenaktivität) von den existierenden Temperaturdatensätzen abzieht. Sicher ist ENSO nicht im gleichen Sinne “extern” wie es meinethlaben ein Vulkanausbruch ist. Da aber bislang ohnehin keine Änderungen von El Niño/La Niña Variationen bekannt sind, die mit dem ansteigenden Treibhauseffekt zu tun hätten und eine solche Verbindung (ENSO – globale Erwärmung) auch für die Zukunft nicht klar vorausgesagt ist, kann man ENSO jetzt mal als “extern” betrachten. Schliesslich geht es in F&R darum, das anthropogene Signal in den verschiedenen globalen Temperaturdatensätzen “gereinigt” vom störenden Rest der natürlichen Faktoren darzustellen.
Bild 1: Verformung des Erdmagnetfeldes durch den Sonnenwind und Variationen des solaren Magnetfeldes.
Ich werde in einem zweiten Artikel dazu etwas mehr sagen. Hier soll es nur um einen recht spezifischen Punkt gehen: F&R haben sich bei der Wahl des Index, der die Sonnenaktivität beschreibt, für Zeitserien der Total Solar Irradiance (TSI) entschieden. Man könnte sich auch für ein schönes Oxymoron entscheiden, nämlich statt TSI für Variationen der Solarkonstanten. Diese ist die bei weitem physikalischste Grösze, die die Aktivität der Sonne beschreibt und offensichtlichen Einfluss auf das Klima der Erde nimmt. Die TSI beschreibt gerade Variationen des Integrals der auf die Erde einfallenden Energie. Neueste Resultate bringen die verschiedenen Satellitenmessungen der Solarkonstante deutlich näher zusammen (1361W/m2±0.5W/m2 anstatt ±5W/m2 zuvor im solaren Minimum). Diese Messungen umfassen im Prinzip das gesamte solare Energiespektrum. Die verschiedenen “Proxies” (Sonnenflecken, 14C oder 10Be Messungen) solarer Aktivität versuchen daher auch immer genau diese Variationen zu rekonstruieren.
Eine der exotischeren Ideen zum Einfluss der Sonne ist ja die hinlänglich bekannte Idee, dass das auf die Erde niedergehende Gewitter kosmogener Teilchen durch ihre ionisierende Wirkung zur Wolkenbildung beitragen und diese Schwankungen der Wolkenbedeckung dann eben Einfluss auf die Erdtemperaturen nehmen. Die Rolle der Sonne besteht in dieser Theorie nun gerade darin, dass sie diese kosmogenen Partikel in unterschiedlicher Stärke ablenkt, je nachdem wie stark der Sonnenwind und ihr magnetisches Feld diese aus den Tiefen des Alls (“aus den Tiefen des Alls” wollte ich immer mal in einem Artikel schreiben. Endlich!) heranstürmenden Partikel ablenkt. Um diese schwer direkt meszbare Grösze abzuschätzen, stehen eine ganze Reihe von Parametern zur Verfügung. Ich mache es kurz: Keine liefert so etwas wie einen klaren statistischen Zusammenhang mit der globalen Temperatur der letzten Jahre.
Bild 2: Sonnenflecken und geomagnetischer aa Index.
Aber wir können ja mal einen der vorgeschlagenen Kennwerte genauer anschauen. Der aa-index ist einer von vielen geomagnetischen Indizes, der den Vorteil hat, dass er schon seit mehr als hundert Jahren gemessen wird. Er ist daher auch der Standardindex geomagnetischer Variabilität. Er wird an zwei Stationen in der Nord und der Südhemisphäre gemessen (ursprünglich Cambridge und Melbourne) und seine Gröszenordnung ist nano Tesla. Die Idee ist nun wie oben ja bereits angedeutet, dass niedrige aa Werte eine schwache Abschirmung der Erde gegen kosmische Strahlen bedeuten, somit eine starker ionisierte Atmosphäre und somit mehr Wolken, deren kurzwelliger Reflektionsmechanismus in der Folge mehr Sonnenstrahlung zurück ins All wirft und somit die Erde abkühlt. Kurz: aa niedrig, Erde kalt und umgekehrt.
Bild 3: Sonnenflecken und aa Index. Dekadisch-Interdekadischer Anteil nach Wavelet Zerlegung.
Tatsächlich gibt es bereits, bevor man sich die letzten 100 Jahre der globalen Temperaturvariationen ansieht, auf einer anderen Ebene schwere Problem mit der ganzen Idee. Das geomagnetische Feld variiert auf der kurzen Zeitskala der letzten Dekaden sicher in erster Linie auf Grund von Variationen der solaren Aktivität (s.u.). Auf langen Zeitskalen kann es aber auch zu Schwankungen des Erdmagneten selbst kommen. Bekannt sind da insbesondere die groszen und vollständigen Umpolungen des Erdmagnetfeldes (Brunhes-Matuyama Event). Bei zweien der zeitlich relative nah liegenden starken Schwankungen aber, dem Mono Lake event und dem Laschamps event, ist das Magnetfeld der Erde auf fast 10% seines Normalwertes zusammengebrochen. Freie Fahrt also für die kosmischen Partikel und ihren vermeintlichen Einfluss auf die Wolkenbedeckung. Allein, für beide Events vor 32000 und 38000 Jahre sind keinerlei nennenswerte Klimaschwankungen bekannt. Na ja. Machen wir mal trotzdem weiter mit den Schwankungen des aa Index in den letzten 100 Jahren
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Bild 4: Sonnenflecken und geomagnetischer aa Index. Interannualer Anteil nach Wavelet-zerlegung.
Wie genau nimmt nun die Sonne Einfluss auf das geomagnetische Feld? Bild 1 gibt eine Idee, wie man sich diese Verformungen des geomagnetischen Feldes durch die Sonne wohl vorzustellen hat. Es ist auch sofort klar, dass es sinnvoll ist, diese Schwankungen in der Nord und der Südhemisphäre zu messen. Schliesslich ist die Verformung des magnetischen Feldes auf der sonnenzugewandten und der sonnenabgewandten Seite der Erde recht unterschiedlich.
Ich habe also mal monatliche Werte des aa-Index von der NOAA genommen, tägliche Werte finden sich auf der Webseite des “Service International des Indices geomagnetiques“.
Bild 5: Sonnenflecken und verschiedene Smoothing.
Nun soll ja dieser Einbezug der magnetischen Aktivität der Sonne gerade ganz neue Aspekte in die Beziehung Sonne-Erdklima bringen und so vergleichen wir erstmal den aa-Index mit den Sonnenflecken (Bild 2). Offensichtlich sind sowohl die Sonnenflecken (und somit die TSI, da beide sehr stark korrelieren) als auch der aa-index stark vom 11-Jährigen Sonnenzyklus dominiert, wobei scheinends in einigen der Zyklen dar aa-index einige Jahre den Sonnenflecken hinterherzuhinken scheint. Ich hab keine Ahnung, ob es dazu eine konsistente Theorie gibt, hab aber meine Zweifel.
Zwei Eigenschaften des geomagnetischen aa Index scheinen mir besonders bemerkenswert: Der Anstieg der Sonnenaktivität zwischen 1900 und 1940 spiegelt sich scheinends nicht in den Minima wieder, den die Zahl der Sonnenflecken geht immer auf Null in den Minima herunter. Sie findet ausschliesslich in den Maxima des 11 Jahreszyklus statt, hingegen ist im aa Index ein shift in den Minima und in den Maxima festzustellen. Eine andere für mich überraschende Eigenschaft des aa Index ist der zusätzliche Zyklus zwischen 1970 und 1980, der im völligen Gegensatz zu den Sonnenflecken steht. Sieht man irgendetwas, wie einen klaren Anstieg im aa Index, der irgendwie parallel zum weltweiten Anstieg der Temperature nab den 1970er Jahren stünde? Eher nicht. Aber schauen wir mal genauer hin.
Zuerst habe ich mal eine wavelet Zerlegung des aa Index durchgeführt. Es handelt sich dabei im Prinzip um eine Aufteilung einer Zeitserie in ihre verschiedenen typischen Zeitskalen. Für Experten: Eine spektrale Bandbass Filterung gibt ähnliche Resultate und die Vor- und Nachtele der beiden Methoden, brauchen jetzt erstmal nicht zu interressieren. Bild 3 zeigt z.B. den interdekadischen Anteil der Sonnenflecken und des aa Index, wodurch die oben erwähnte Phasenverschiebung zwischen beiden besonders deutlich wird. Der dominierende Eindruck ist natürlich trotzdem, dass beide mehr oder minder Ähnliches zeigen. Selbst auf der interannualen Zeitskala sind beide Indices (s. Bild 4) noch relative eng miteinander verbunden, wobei der aa Index etwas mehr Variabilität auf den kürzeren Zeitskalen als auf den längeren hat (siehe die grösseren Amplituden in Bild 4 im Vergleich zu Bild 3).
Bild 6: Globale Temperatur (HadCRU), Sonnenflecken und geomagnetischer aa Index. Smoothing ist für alle drei Zeitserien identisch gewählt.
Man kann aus dem schon mal schliessen, wenn die Sonnenflecken schon nicht besonders mit den globalen Temperaturen korrelieren , dann wird es der aa Index auch nicht tun. Ich habe also mal noch verschiedene Smoothing Techniken ausprobiert (lowess Routine in R). In Bild 5 etwa ist das Smoothing einmal so gewählt, dass der 11 Jahres Zyklus gerade erwischt wird (rote Kurve), während das noch stärkere Smoothing auch noch über diesen Zyklus hinwegmittelt (blaue Kurve).
Bild 6 zeigt dann das identische Smoothing der globalen Temperaturzeitserie, der Sonnenflecken und des aa index. Auch hier also ähneln sich Sonnenflecken und aa Index ziemlich. Jeder Zusammenhang zwischen Sonne und Temperatur verschwindet seit etwa den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Anstieg der Temperaturen der letzten 30-40 Jahre lässt sich so nicht erklären. Dann muss es wohl etwas anderes sein.
Im nächsten Beitrag zeige ich dann, was passiert, wenn man den aa Index an Stelle des TSI Index für die Analyse im F&R Paper nimmt.
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