Der neue HadCRU4 Datensatz ist raus und ich dachte ein paar ganz einfache Vergleiche mit den alten Temperaturen des HadCRU3 Datensatz sind vielleicht ganz interessant. Primaklima ist aber bei weitem nicht der erste, der sich HadCRU4 anschaut und so sei mal gleich auf die Arbeiten der Konkurrenz verwiesen: ZAMG und Reinhard Böhm, Realclimate und SkepticalScience. Im Beitrag von Science Sceptical wird übrigens sehr schön gezeigt, dass, wenn man das Datennetz vom GISS auf das der HadCRU reduziert, die meisten Unterschiede zwischen den beiden sehr unterschiedlich berechneten Globalen Temperaturserien verschwinden. Lesenswert!
Hier soll es aber um etwas anderes gehen. Um die Unterschiede zwischen HadCRU3 und HadCRU4 auf einer sehr einfachen Ebene, nämlich den Trends.
Bild 1: HadCRU3 und HadCRU4 monatliche Anomalien im Vergleich.
Die beiden Punkte, die im neuen Datensatz insbesondere verbessert wurden, sind zum einen der konsistente (“konsistentere”) Übergang der ozeanischen Temperaturdatensätze, die jeweils auf unterschiedlichen Messmethoden beruhten (Wasser im Holzeimer vs in das Schiff gepumptes Wasser vs etc.. Für Details siehe hier und hier), zum anderen, dass man sich bemühte mehr polare Stationen für die letzten Jahre dazu zubekommen. Letzteres führt, wie wir gleich sehen werden, zu leicht gröszeren globalen Temperaturtrends, denn in den letzten Dekaden war die Erwärmung der arktischen Polargebiete besonders stark.
Bild 2: HadCRU3 und HadCRU4 monatliche Anomalien während der letzten 40 Jahre des Anthropozaens.
Aber werfen wir erst einmal einen naiven Blick auf die Daten. Bild 1 zeigt die beiden Datensätze. Die gröszten Unterschiede finden sich in den 40er und 50er Jahren, hauptsächlich auf Grund der neuen Homogenisierung der Ozeantemperatur-Datensätze. Dazu gab es ja vor längerer Zeit bereits ein ausführliches Paper.
Machen wir einmal einen Zoom auf die letzten 40 Jahre des Anthropozaen. HadCRU3 scheint fast überall minimal unter HadCRU4 zu liegen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass die Referenzperiode von 1960-1990 im HadCRU4 Datensatz (also die Klimatologie, wenn man so will) leicht kälter als im HadCRU3 ist. Das sollte aber an sich die entscheidenden Trend unbeeinflusst lassen.
Bild 3: HadCRU3 und HadCRU4 jährliche Anomalien während der letzten 40 Jahre des Anthropozaens.
Die Jahresmittel in Bild 3 sind einfach als arithmetisches Mittel der Monate berechnet. In dieser Darstellung wird der Unterschied zwischen den beiden Datensätzen während der letzten Jahre besonders deutlich. So unterscheiden sich dann auch die Trends der letzten 10 Jahre in HadCRU3 und HadCRU4 besonders deutlich (leicht negative ändert sich in leicht positiv), während Trend über längere und klimatologisch relevante Zeitspannen schon wieder fast gleich sind (siehe den Vergleich der beiden 20 Jahres-Zeitspannen).
Bild 4: HadCRU3 Trends für jede Trendlänge zwischen 2 und 50 Jahren. Die schwarze Linie paralel zur X Qchse markiert also die 10 Jahrestrends und die schräge, rote Linie am rechten Rande der Graphik markiert den jeweils letzten Trendwert für alle berechneten Trends.
Das gab mir dann die Idee zu den folgenden Darstellungen. Statt den Trend wie in Bild 3 nur für einen Zeitunkt (also den aktuellsten, der eben 2010 einschliesst) und dann für irgendwie willkürlich gewählte Zeitspannen (in Bild 3 also für die letzten 10 bzw. 20 Jahre) zu berechnen, habe ich mal für jeden Zeitpunkt in den letzten 161 Jahren (von 1850 bis 2010 jeweils einschliesslich) jeden Trend zwischen 2 Jahren und 50 Jahren berechnet. Das hat im Prinzip den positive Effekt, dass nun eigentlich niemand mehr sagen kann, dass dieser oder jener Startzeitpunkt willkürlich gewählt sei. JEDER Startpunkt und JEDES Zeitintervall wird berechnet.
Bild 5: HadCRU3 und HadCRU4 Trends berechnet für alle Trendlängen zwischen 2 und 50 Jahren im Vergleich.
So viel Information erfordert natürlich eine andere Darstellungsweise. Bild 4 zeigt für jede Intervalllänge (siehe Y Achse) den jeweiligen Trend als Farbcode. Er ist immer als °C/Dekade berechnet und variiert zwischen Trend von Abkühlungstrends von -0.3°C/Dek (blau, grün Töne) zu Erwärmungstrends von +0.3°C/Dek (gelb, rot Töne). Gröszere Gradienten wurden abgeschnitten. Sie tauchen nur bei kurzen Zeitspannen auf und überfordern etwas den Colorbar meines Plottprogramms.
Zuerst mal ein paar Bemerkungen um das Auge zu schulen, für alle die nicht so gewohnt sind, solche bunten Bilder anzuschauen. Ich habe zwei Striche zur Orientierung eingezeichnet, einen schwarzen, parallel zur X-Achse, und einen roten.
Bild 6: HadCRU3 und HadCRU4 Zehn-Jahrestrends im Vergleich. Die Kurve entspricht dem Schnitt (schwarze Linie) durch das Bild 4 oben.
Zuerst zum schwarzen. Die Farben längs des schwarzen Strich geben alle Zehnjahrestrends der letzten 161 Jahre an. Und so muss man entsprechend jede Linie parallel zur X-Achse lesen. Unterhalb der Zehnjahrestrends dominiert insbesondere ENSO die Variabilität der globalen Temperaturen. Ein wildes Gezappel. Schon ein ENSO Ereigniss mehr oder weniger in einem 10 Jahresintervall entscheidet über das Vorzeichen des Trends. Offensichtlich sind wir hier falsch, wenn wir nach dem Einfluss der anthropogenen Erwärmung fanden wollen. Allein die ENSO Statistik last den 10 Jahrestrend wild hin und her wackeln.
Bild 6 zeigt nochmal diesen Schnitt längst der X-Achse bei den 10 Jahrestrends und vergleicht gleichzeitig HadCRU3 und HadCRU4. Der neue Datensatz hat praktisch überall eine leicht gedämpfte 10 Jahresvariabilität. Der sehr starke Einfluss von ENSO Ereignissen auf den HadCRU3 Datensatz ist im neuen HadCRU4 etwas gedämpft. Und wie schon beim Betrachten der Rohdaten (Bild 3) zu vermuten, sind die 10 Jahrestrends der letzten Jahre etwas höher. Zu keinem Zeitpunkt werden sie jetzt noch negativ.
Bild 7: HadCRU3 und HadCRU4 Trends die das Jahr 2010 mit einschliessen. Es handelt sich also um die “aktuellsten” Trends, die der roten Linie im Bild 4 oben entsprechen.
Diese gedämpfte Multi-Jahres- bzw. gedämpfte dekadische Variabilität von HadCRU4 kann man auch im visuellen Hin-und-Her-Blink-Vergleich der beiden Datensätze machen. (siehe Bild.5). Im klimarelevanten Bereich von Trends über mehr als 20 Jahre nehmen die Werte systematisch ab. Tatsächlich nimmt im Gegenzug die Amplituden von Trends zwischen 5-10 Jahren eher leicht zu, was daraufhin deutet, dass HadCRU4 etwas sensibler auf tropische, ENSO dominierte Datensätze reagiert als das vorher der Fall war. Ich bin mir aber keinesfalls sicher und schau noch mal in die Paper herein. Vielleicht liegt diese Verschieben von Variabilität im Datensatz auch an etwas ganz anderem.
Bild 7 bestätigt das oben Gesagte nochmal. Hier schauen wir alle Trends an, die berechnet wurden unter Einschluss des Jahres 2010 (dem Ende des HadCRU4 Datensatz). Man sieht erstmal sehr schön, wie sehr die kurzzeitigen Trends (<20 Jahre) hin- und herwackeln, wenn man ein Jahr in der Trendberechnung dazunimmt. Das ist genau der Grund, warum man eben Klimabetrachtungen mit Trend > 20 Jahren beginnen kann. Für Trends > 20 Jahre stabilisieren sich hier die Werte. Ein Jahr mehr oder weniger ändert nicht mehr viel. HadCRU3 und 4 liegen beide knapp unter Trends von 0.2°C/Dekade, wobei wie gesagt HadCRU3 leicht höhere Werte ergibt (siehe das Blincker-Bild 5 oben).
Bild 7 kann man übrigens auch als eine Anleitung zum Cherrypicken für Klimaskeptiker lesen. Man sucht sich einfach die Trendlänge heraus, der den kleinsten oder gar negativen Wert in der Vergangenhait aufweist. Sie sollten also insbesondere auf Trends um 8-10 Jahre aufmerksam machen. Aber das wäre offensichtlich willkürlich, bei den groszen Schwankungen, die man erhält, wenn man nur ein paar Jahre dazu nimmt und deshalb würden die das natürlich nie machen.
Was könnte man sonst noch alles mit solchen Bildern/Analysen machen ? Man kann mit den anderen Datensätzen vergleichen (GISS oder BEST). Oder man kann das mal mit den Modellläufen des IPCC vergleichen. Aber das ist für ein anderes Mal.
Die Daten sind hier zu finden. Und die dazugehörigen Veröffentlichungen sind hier:
PS Auf Wunsch der Leser hier auch die klimatisch deutlich stabileren 20Jahrestrends.
Bild Supplement: Die 20 Jahrestrends von HadCRU4 und HadCRU3. Seit den 60er Jahren ist der Trend positiv und nimmt meist zu (was dan eine beschleunigte Erwärmung waere). Allerdings hat auch der 20 Jahrestrend Schwankungen und ist momentan abfallend im Vergleich zu seinem Maximum Ende der 90er. Der momentane Wert des 20 Jahrestrends beträgt ~0.2°C/Dek und ist in Übereinstimmung mit den modellierten Trends der IPCC Modelle, zb hier.
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