Der erste echte Gastkommentar auf Primaklima! Und natürlich freue ich mich sehr darüber. Aerosole gelten in der Klimaküche als eine der groszen Unbekannten und in Webdiskussionen hat man oft den Eindruck, als könne man mit ihnen einfach alles erklären. Dem ist aber nicht so. Das Thema Aerosole und Wolken ist komplex, aber mit Sicherheit nicht beliebig. Wir haben jetzt Gott-sei-Dank einen Experten an Bord: Karsten Haustein ist gelernter Meteorologe und war lange Zeit am Supercomputing Center in Barcelona. Mittlerweile ist er in Oxford angekommen und arbeitet dort mit Richard Washington an der Beschreibung von Aerosolen und insbesondere Staub in globalen Klimamodellen.
Jüngst hat Georg die Ergebnisse eines in Science erschienen Papers von Durack et al. Science 2012 besprochen, welches den sich ändernden Wasserzyklus bei steigenden Temperaturen zum Inhalt hatte. Danach hat sich der Wasserzyklus um 4% verstärkt, was durch erhöhte Niederschläge zum beschleunigten Auswaschen der in der Atmosphäre befindlichen Aerosole führen könnte. Ich werde nachfolgend zeigen, dass dies nicht unbedingt zutreffen muss. Weiters werde ich versuchen zu zeigen, dass selbst eine etwaige Reduktion der Aerosolkonzentrationen nicht zwangsläufig zu einem schwächeren indirekten Aerosolforcing führen muss, wie von Georg vorsichtig angedeutet.
Vielleicht beginne ich einleitend mit einem kurzen Abriss, welches die wichtigsten Aerosoleffekte sind (siehe Fig 1). Aerosole sind in Luft gelöste feste oder flüssige Teilchen, welche die kurzwellige solare Strahlung (SW) direkt reflektieren, streuen oder absorbieren. Dies ist der sogenannte direkte Aerosol-Strahlungseffekt, welcher zu einer Abkühlung am Boden führt. Auf die langwellige terrestrische Ausstrahlung haben diese Teilchen keinen direkten Einfluss (einen indirekten schon). Darüberhinaus gibt es verschiedene indirekte Effekte, welche eine Folge der Tatsache sind, dass Aerosole als Wolkenkondensationskeime fungieren (ohne Aerosole keine Wolken). Der wichtigste ist der Wolken-Albedo-Effekt (Twomey-Effekt). Die erhöhte Tropfenkonzentration reduziert die Tropfengröße (Wasserinhalt bleibt konstant), was die Albedo der Wolke erhöht und zur stärkeren Reflexion solarer Strahlung führt. Dieser abkühlende Effekt ist am stärksten über dunklen Oberflächen wie Ozeanen, und er wirkt am effektivsten, wenn ursprünglich relativ wenige Aerosole vorhanden sind. Selbst eine relativ geringe Steigerung der Aerosolkonzentration über den Ozeanen kann somit zu einem recht starken Strahlungseffekt führen. Kleinere Tröpfchen bedeuten außerdem eine geringere Niederschlagsneigung, was wiederum die Lebenszeit der Wolken verlängert (Albrecht-Effekt). Allerdings ist das nicht immer der Fall, denn bspw. Rußpartikel wirken erwärmend (Absorption dominiert) und können Wolken somit quasi „wegbrennen”. Im Falle von Konvektion kann es ebenfalls zu überraschenden Effekten kommen, und darauf möchte ich im Folgenden etwas genauer eingehen.
Fig 1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Aerosoleffekte. Links der direkte, daneben der erste indirekte und rechts davon die verschiedenen sekundären indirekten Aerosoleffekte. Der Aerosol „invigoration” Effekt fehlt in dieser Grafik.
Zuerst soll aber die Frage geklärt werden, wie es mit der Aufenthaltszeit unter der Annahme eines erhöhten Wasserzyklus aussieht. Eine konstante Aerosolkonzentration vorausgesetzt, sollte man bei einer Zunahme der Niederschläge von einer erhöhten Feuchtdeposition der Aerosole ausgehen. Die Aufenthaltszeit würde verkürzt und tendenziell dafür sorgen, dass im globalen Durchschnitt weniger Aerosole vorhanden sind. Aerosole sind jedoch kleine fiese unberechenbare Querulanten, die gern mal ein überraschendes Eigenleben führen. Der Prozess des Auswaschens ist in mikrophysikalischer Hinsicht recht komplex und muss daher modelliert werden. Die dabei eingeschleppten Unsicherheiten sind immens, aber eine andere Methode gibt es nicht. Bellouin et al. JGR 2011 haben das getan und herausgefunden, dass sich eine zwischenzeitliche Abnahme der Lebenszeit langfristig in eine Zunahme der Lebenszeit umkehren wird (Fig 2).
Fig 2 zeigt die Aufenthaltszeit verschiedener Aerosole als Funktion der Zeit wie man es im HadGEM2-ES model simuliert hat. Grundannahme sind die verschiedenen GHG-Emissionsszenarien, als Temperatur- und Niederschlags-Background wenn man so will. In der unteren Reihe sieht man die Änderungen des gelösten Massenanteils für die Aerosoltypen im gleichen Zeitraum (aus Bellouin et al JGR 2011).
Grund ist, dass der Großteil der gesamten Aerosolmasse anfangs in gelöster Form vorliegt, was entscheidend für ein effektives Auswaschen ist. Im Laufe der Zeit intensiviert sich erwärmungsbedingt nicht nur der Wasserkreislauf im Modell, sondern auch der Anteil tieferer Wolken, was zur Folge hat, dass die gelöste Aerosolmasse geringer wird und sich somit deren Aufenthaltszeit in der Atmosphäre in der Summe verlängert. Dem steht ein Paper von Liao et al. JGR 2009 gegenüber, welches das GISS E-Modell benutzt hat und in der Tat eine lokale Abnahme der Konzentrationen gefunden hat. Alles in allem also derzeit noch eine ziemlich unsichere Nummer.
Neben dem Effekt abnehmender tiefer Bewölkung, der die Residenzzeit der Aerosole trotz erhöhter Niederschläge u.U. wie gezeigt verlängern kann, soll nun der Aspekt diskutiert werden, dass selbst eine reduzierte Aerosolgesamtanzahl nicht unbedingt zu einem reduzierten Strahlungseffekt führen muss. Dazu ist es wichtig, dass man strikt zwischen konvektiven und stratiformen Niederschlags-, respektive Wolkenarten unterscheidet. Nicht nur hinsichtlich des Verhältnisses von Niederschlag zu Aerosolkonzentration (Großteil des Wasserzyklus findet innerhalb und entlang der ITCZ statt), sondern vor allem hinsichtlich der unterschiedlichen indirekten Aerosoleffekte. Während wir es im stratiformen Wolkenfall hauptsächlich mit dem Twomey-Effekt (Albedoeffekt) und einem potenziellen Albrecht-Effekt (Lebenszeiteffekt) zu tun haben, spielt im konvektiven Fall der sogenannte Aerosol „invigoration” Effekt eine entscheidende Rolle. Dieser führt – wie in Fig 3 schematisch dargestellt – zu verstärkter Konvektion, heftigeren Niederschlägen und somit einer potenziell kürzeren Lebenszeit. Die theoretische Basis dazu wird bei Lebo and Seinfeld ACP 2011 sehr schön erläutert.
Nimmt man noch dazu an, dass sich der Wasserzyklus hauptsächlich in den Tropen verstärkt (siehe Posting von Isaac Held), dann ist diese Unterscheidung umso wichtiger. Man kann somit durchaus in den Tropen eine Aerosolabnahme finden, ohne dabei in den Regionen in denen stratiforme (zumeist tiefe) Wolken dominieren, eine ebensolche Reduktion zu finden. Das negative erste indirekte Aerosol-Strahlungsforcing dürfte jedoch hauptsächlich im Zusammenspiel mit stratiformen Wolken relevant sein.
Der Aerosol invigoration Effekt würde jedenfalls sowohl mit einer verkürzten Aufenthaltszeit, als auch mit einem recht starken Aerosol-Strahlungseffekt zusammengehen. Die Aussage “Der Wasserzyklus läuft genau umgekehrt zunehmend auf Hochtouren und müsste also die Aufenthaltszeit der Aerosole stetig verkürzt haben” wird dabei wie folgt gestützt: Mehr Aerosole → stärkere Konvektion → stärkere Aerosol-Feuchtdeposition → schlussendlich (lokal!) weniger Aerosole. Das wird u.a. bei Fan et al. GRL 2012, Koren et al. Nature 2012, Li et al. Nature 2011, Rosenfeld and Bell JGR 2011, oder auch Small et al. GRL 2009 diskutiert … wie ich finde, sehr überzeugend! Es passt auch ziemlich gut zu den in Stevens and Feingold Nature 2009 diskutierten Unsicherheiten bzw. der daraus abgeleiteten “buffered system-Hypothese”. Diese Unsicherheiten beinhalten auch den Umstand, dass der invigoration Effekt nicht für alle Aerosoltypen gleich funktioniert (Wüstenstaubaerosole wirken niederschlagshemmend, ebenso Rußaerosole, welche wiederum mit reduziertem asiatischen Sommermonsun in Verbindung gebracht werden, siehe bspw. Bollasina et al. Science 2011) und nur unter bestimmten Umständen überhaupt identifizierbar ist.
Fig 3 zeigt schematisch die verstärkende Wirkung der Aerosole wenn es zu hochreichender Konvektion kommt (invigoration effect). Stärkere Niederschläge und potenziell eine veränderte Lebenszeit von Gewittern und Wolken sind die Folge (aus Rosenfeld et al Science 2008).
Und das bringt mich zum nächsten Punkt. Wir müssen das Ursache-Wirkung-Prinzip beachten! Auch wenn die Aufenthaltszeit der Aerosole durch einen intensiveren Wasserzyklus beeinflusst wird (was wie dargelegt zweifelsohne der Fall ist), so sind für die Abschätzung des heutigen Aerosolforcings, bzw. der Aerosolkonzentrationen bis zum heutigen Tag,meiner Meinung nach eher die anthropogenen Aerosolemissionen der dominierende Faktor und eben kein wie immer gearteter Einfluss eines sich beschleunigenden Wasserzyklus. Die Anzahl der zusätzlichen Aerosole in der Atmosphäre wird von unseren Emissionen kontrolliert! Dazu kann man entweder den beobachteten Verlauf der globalen atmosphärischen optischen Dicke (AOD) heranziehen, oder die gemessenen kurzwelligen Oberflächen-Strahlungsdaten . Da die AOD-Messungen noch nicht sehr lange zurückreichen, helfen wir uns mit den SW-Strahlungsmessungen die ein recht schlüssiges Bild über den Verlauf in der jüngeren Vergangenheit geben (Fig 4 aus Skeie et al. ACP 2011).
Fig 4 zeigt den Verlauf der gemessenen einfallenden Strahlung für verschiedene Regionen der Nordhemisphäre. Dies kann in grober Näherung als Maß für die AOD herangezogen werden. Es zeigt den aerosolbedingten Einbruch in der SW-Strahlung insbesondere in der 1970er Jahren. Die Modellergebnisse (direkter und indirekter Aerosoleinfluss in grün) und die Observationen (schwarz) stimmen dabei vom Trend recht gut überein, wobei die Modelle das Strahlungsforcing bisher tendenziell unterschätzen (aus Skeie et al ACP 2011).
Die Aerosolkonzentrationen scheinen demnach erstmal weitgehend unbeeindruckt vom verstärkten Wasserkreislauf zu sein. Ist bei 4% Änderung eigentlich auch nicht sonderlich überraschend, zumindest wenn man davon ausgeht, dass sich die Aerosolkonzentrationen ebenfalls nur in dieser Größenordnung ändern. Die Schwankungsbreite durch die direkten anthropogenen Emissionen ist jedenfalls deutlich größer. Dessen recht erhebliche dekadische Schwankungen haben in Form des damit verbundenen Strahlungsantriebs (reduzierte bzw. erhöhte SW-Einstrahlung) zum sogenannten Aerosol dimming und brightening geführt, wie ausführlich bei Wild JGR 2009 oder Wild BAMS 2012 nachzulesen. Neben Skeie et al. ACP 2011, befassen sich bspw. auch Wang et al. JGR 2012, Smith et al. ACP 2011 oder Ohmura JGR 2009 mit dem Strahlungsantrieb der anthropogenen Aerosole und kommen dabei zu sehr konsistenten Ergebnissen.
Die natürlichen Aerosole (hauptsächlich Wüstenstaub und Seesalz) sind von diesen Änderungen zwar nicht betroffen, allerdings werden die langfristige Emissionsschwankungen im Falle der Staubaerosole eher von Verschiebungen in der Hadley-Zirkulation bestimmt, welche bei erhöhtem GHG-Forcing tendenziell zu einer Ausweitung der Wüstenzonen neigt und somit wiederum zu erhöhten Emissionen führt. Diese werden auch durch einen verstärkten Wasserkreislauf nicht kompensiert.
Um meine Argumentation abschließend noch ein wenig zu untermauern, möchte ich auf zwei Studien verweisen, die zeigen, dass man mit ausreichender Modellauflösung und entsprechend anspruchsvoller Aerosol-Mikrophysik auch das dimming und brightening ganz gut hinbekommen kann. Chang et al. JC 2011, aber vor allem Booth et al. Nature 2012 haben hier Pionierarbeit geleistet (siehe Fig 5). Dazu benötigt es „nur” den direkten und den ersten indirekten Effekt (Twomey-Effekt), während der Wolken-Lebenszeit-Effekt nur eine untergeordnete Rolle spielt. Beide Paper sind in meinen Augen auch deshalb wichtig, weil sie auf einem plausiblen physikalischen Mechanismus fußen. Wir müssen schließlich erklären können, warum die SW-Strahlung in den 60er und 70er Jahren über der Nordhalbkugel so stark zurückgegangen ist. Das kann weder eine sogenannte AMO (Atlantische Multidekadische Oszillation), noch eine PDO (Pazifische Dekadische Oszillation) erklären. Erstere hängt allen mir bekannten Analysen zufolge den Landtemperaturen sogar leicht hinterher, weswegen sie als Forcing reichlich ungeeignet erscheint. Ich sage damit keinesfalls, dass AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation)-Änderungen auf multidekadischen Zeitskalen nicht vorkommen, aber ich halte es für recht wahrscheinlich, dass externe Forcingmechanismen (anthropogene troposphärische und natürliche stratosphärische Vulkanaerosole) hierbei eine größere Rolle spielen. Zumindest ist keine genuine Oszillation weit und breit zu finden, wie auch jüngst in einem Review-Artikel von Liu JC 2012 nachzulesen.
Fig 5 unten zeigt den Temperaturverlauf über dem Nordatlantik im HadGEM2-ES Modell mit komplexer Aerosolphysik, während die Modelle mit unzureichender Aerosolphysik die Variabilität nicht vollständig reproduzieren können (aus Booth et al Nature 2012).
Zusammenfassung:
1. Ein intensivierter Wasserzyklus kann durchaus kompatibel mit einem moderaten bis starken Aerosoleffekt sein. Geringe Aerosolabnahme durch den indirekten Aerosol invigoration effect (welcher mit einer Zunahme der konvektiven Niederschlaege einhergeht), bei gleichzeitigem indirekten Wolkenalbedo- und Lebenszeiteffekt (d.h. kürzere Lebenszeit) in Regionen mit stratiformen Niederschlägen.
2. Die mögliche Reduktion tiefer Wolken bei gleichzeitiger Zunahme der Niederschläge in Gebieten mit konvektiven Niederschlägen (kein Widerspruch!) könnte den Anteil der gelösten Aerosolmasse reduzieren und somit den auswaschbaren Aerosolanteil minimieren, was die durch die erhöhten Niederschläge bedingte beschleunigte Feuchtdeposition kompensiert.
3. Dabei ist zu beachten, dass die langfristigen Konzentrationsschwankungen vor allem emissionskontrolliert sind. Die verkürzte Aufenthaltszeit durch den stärkeren Wasserzyklus ist demgegenüber gering (Evidenz: AOD und Emissionsabschätzungen sind sehr stark korreliert, sodass alle mikrophysikalischen Aerosoleffekte in Bezug auf die Gesamtkonzentration wohl eher ein Effekt zweiter Ordnung sind).
4. Schwankungen der solaren Einstrahlung (dimming/brightening) sind ein starkes Argument für einen substanziellen Aerosoleffekt, egal ob nun direkt oder indirekt. Darüberhinaus legen aktuelle Modellstudien auf physikalisch plausible Weise nahe, dass der indirekte Effekt (hautsächlich Albedoeffekt) in mittleren Breiten eine entscheidende Rolle spielt. Dies erfordert weder ein extremes negatives Aerosolforcing, noch lässt es nicht genügend Spielraum für interne Variabilität im System (ca. 20%).
Ich hoffe, dass ich meinen Punkt mit dieser Argumentation einigermaßen machen konnte. Wie dargelegt, lassen sich alle Aerosoleffekte mit einem verstärkten Wasserzyklus und potenziel reduzierter Aerosolaufenthaltszeit problemlos vereinbaren. Als Vertreter der Aerosolcommunity bin ich mir der zahlreichen Unsicherheiten selbstredend vollumfänglich bewusst, bin aber der festen Überzeugung, dass wir wesentlich mehr Wissen als Nichtwissen auf der Habenseite verbuchen können und somit trotz der Komplexität nicht mehr vollständig im Dunkeln herumtappen. Ganz im Gegenteil ☺.
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