Trotz zahlreicher Bedenken von Seiten verschiedener Reviewer und anscheinend ohne zweite Review Runde (zumindest unter denen, die beim Open Review dabei waren) wurde der Artikel von EIKE Pressesprecher Hans-Joachim Lüdecke gerade veröffentlicht. Die Einwände der Reviewer sind teils hier auf Primaklima diskutiert worden. Zu den zahlreichen technischen Bedenken, die den Kern der ganzen Spektralanalyse (siehe insbesondere der Review von Manfred Mudelsee) betreffen, addieren sich eine Reihe anderer: Die sechs europäischen Temperaturzeitserien sind mit Sicherheit nicht global. Der Beleg, es gäbe eine Antarktische Isotopen-zeitserie (ein Temperaturproxy), die das bestätige, ist eine Übung in Cherry-Picking. So haben wir gerade einen Artikel in Nature Geoscience in press (sobald der Artikel raus ist, werde ich hier natürlich berichten), der aus 10-20 Isotopen-Eiskerndatenserien allein für die West-Antarktis solch eine signifikante Temperaturkurve für die letzten 200 Jahre zusammenzustellt. Ergebnis: Kein Temperaturmaximum um 1800, aber relativ hohe Temperaturen (auf heutigen Niveau) zwischen 1850-1860, also da, wo in der angeblich “globalen” Temperaturkurve von Lüdecke et al. angeblich ein Minimum liegen sollte. Das Problem dabei ist nicht, dass vielleicht die Zeitspanne 1780-1820 nicht global relativ warm gewesen sein könnte, sondern die Methode, nämlich eine regionale Temperaturkurve zu ermitteln und sie per cherry-gepickter Proxyserie von der anderen Seite des Planeten zu einer globalen Temperaturserie hochzuadeln. Plötzlich sind nämlich alle Schlussfolgerungen des Papers “global”.
Zitat: “The agreement of the reconstruction of the temperature history using only the six strongest components of the spectrum, with M6, shows that the present climate dynamics is dominated by periodic processes.”
Eine Aussage, die sich im Paper klar auf den ganzen Planeten bezieht. “Climate dynamics is dominated by periodic processes” – zumindest wenn man eine Fourrieranalyse macht, die ja nun mal nichts als Periodizitäten zulässt.
Ferner gibt es ein bekanntes Problem mit den teilweise an Gebäuden angebrachten Thermometern der frühen Zeit der Temperaturmessungen von 1760-1830, welches zu einem starken Bias in den bei Lüdecke et al. benutzten Temperatuzeitserien führt. Versucht man eine Korrektur dieses Effekts, so führt das insbesondere zu Beginn der europäischen Temperaturmessungen zu deutlich kühleren Jahren und bringt die Messtemperaturen dann auch in bessere Übereinstimmung mit entsprechenden Proxyzeitserien. Siehe hier. Lüdecke et al. benutzen genau diese Zeitserien vom HISTALP Projekt, an dem ich auch teilgenommen habe, und erwähnen nichtmals diese wichtige Schlussfolgerung; geschweige denn, dass sie sich um eine Homogenisieung bemühten oder die homogenisierten Daten vom im letzten Jahr verstorbenen Reinhard Böhm benutzt hätten. Ausser Paris tauchen alle von Lüdecke benutzten Daten im HISTALP Datensatz und sind alle im obigen Papier von Reinhard Böhm diskutiert. Der Einfluss dieser frühen Daten auf das Lüdecksche Paper ist wahrscheinlich ganz beachtlich, da ja genau dieser Anfang der Zeitserie zusammen mit dem Anstieg der Temperaturen in den letzten 40 Jahren die längste vermeintliche Periodiziät ihrer Fourrier-Analyse von ~240 Jahren bestimmt.
Bild 1 zeigt den Einfluss dieser problematischen frühen Messungen auf den HISTALP Datensatz. Verschiedene Homogenisierungsschritte führen zur Abkühlung insbesondere der Sommermonate auf Grund der Positionierung der ersten Themometer an Hauswänden. Hier sieht man das Ergebnis für die Jahresmittel der längsten 32 Datensätze, von denen 5 im CoP paper von Lüdecke mit dabei sind. Details siehe hier.
So könnte man noch eine ganze Reihe weitermachen. Selbst aber wenn man mal von all diesen echten Problemen (methodischen und bzgl. der Interpretation) absieht und gerade irgendwie supergrosszügig ist, dann finde ich ehrlichgesagt immer noch, dass eine Fourrieranalyse einer Zeitserie ein bisschen dünn für eine peer reviewte Publikation ist. Dann gibt es nämlich bald auch den Nobelpreis für das Zusammensetzen der Lego-Tankstelle.
Manfred Mudelsee war das anscheinend alles ein bisschen zuviel des Guten und hat diesen Brief an die Editoren von Climate of the Past geschrieben:
” I am less pleased that this piece has been published in CP since I believe that (even in its revised version) it has serious technical flaws. I had appreciated if the handling editor had considered more seriously my technical comments on CPD. Finally, I had appreciated if I had been informed/shown the revised version sent to CP. Unrelated to the technical flaws, one may speculate about (I exaggerate for clarity) the hijacking of CP for promoting ‘skeptical’ climate views.
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