Das Komitee zur Verleihung des Klimaschmockpreises hat lange diskutiert, ob Holger Dambeck von der Wissenschaftsabteilung des Spiegels seine Bewerbung einreichen darf, und hat schliesslich zugestimmt. Der Grund für den anfänglichen Zweifel bestand darin, dass die meisten Preise für eine besonders schmockhafte Leugnung der Physik des Klimawandels oder ,allgemein gesprochen, für einen exemplarisch vernebelten Beitrag zur Klimadiskussion vergeben wurden (hier eine Auswahl der beliebtesten Klimaschmocks). Es ist nicht ganz klar in welche Kategorie Holger Dambecks Artikel nun fällt, wahrscheinlich in keine. Trotzdem hat er den Klimaschmock redlich verdient, meint das Komitee und gratuliert. Sein Artikel zum Mathematikerkongress in Paris erfüllt alle Kategorien eines völlig in die Hose gegangenen Wissenschaftsartikels. Mit Wissenschaftlern gesprochen, kein Wort verstanden, aleatorisch zusammengefasst, jeden nur mit einem Halbsatz, der keinen Sinn ergibt, zitiert, hirnrissige Überschriften, die den Leser nicht nur in dunkler, ja vollständiger Verwirrung zurücklassen, sondern auch mit einer gewissen Abneigung gegen die Wissenschaft, ahhh, alles auf knapp einer Seite.
Die Kurzbegründung: Dem Spiegelautor Holger Dambeck ist es gelungen, die Spesenkosten für eine Fahrt zu einem Mathematikerkongress in Paris abzusetzen, und dafür einen Artikel abzuliefern, der aus bizarren Metaphern und Wikipediawissen besteht. Allerdings dem Wikipediawissen von 1492. Das Klimaschmockkomitee gratuliert zum Preis und hofft, dass Paris gefallen hat.
Der Artikel “Die Krux wolkenloser Klimamodelle” erklärt also, nein, versucht zu erklären, wie Klimamodelle aus mathematischer Sicht funktionieren, wie also etwas die Wolken behandelt werden. Ja genau. Wolken. Dieselben Wolken, die laut Überschrift gar nicht in den Modellen drin sind.
Aber das mit der Wolkensimulation wolkenfreier Klimamodelle sind nur Peanuts. Dambecks Artikel schreibt nicht in einem einzigen Satz, was denn die Mathematiker wohl zu den Klimamodellen zu sagen haben. Woher weiss ich das? Nun, es ist schlicht unmöglich, dass das, was in seinen Interviewfetzen auftaucht, tatsächlich in einer Konferenz im Jahre 2013 diskutiert wird. Unmöglich. Das sind alles Dinge, die mir als ich vor 25 Jahren mit dem ganzen Klimagedöns und seiner Modellierung anfing, als Standardwissen vorgestellt wurde: ALLE Prozesse, die im physikalischen Teil der Klimamodelle beschrieben werden, sind parameterisiert, d.h. ihr Gesamteffekt auf Energie- und Materieflüsse wird beschrieben, nicht die einzelne Pflanze, mit ihren Blättern und deren Albedo und mit ihrer Verdampfung, nicht der einzelne See, nicht die einzelne Eissholle. Na und natürlich auch nicht die einzelne Wolke.
Wie liest sich das mit der Darstellung subskaliger Prozesse bei Dambeck?
“Beim Simulieren erleben Wissenschaftler immer wieder Überraschungen – auch bei der Arbeit mit Klimamodellen. … Wenn man dieses Gitter (das numerische Gitter der Klimamodell, GH) verkleinert, also detaillierter rechnet, würde man eigentlich genauere und damit vertrauenswürdigere Ergebnisse der Simulation erwarten. “Bei meteorologischen Modellen ist das aber nicht unbedingt der Fall”, sagt Dietmar Kröner. … Es gibt jedoch einen Weg, mit feinerem Gitter bessere Prognosen zu erstellen. “Man muss dann die Parametrisierung anpassen”, erklärt Kröner.”
Das ist derart Standardpraxis und natürlich auch zu erwarten, es ist unmöglich, dass das die Überraschung der Mathematiker bei der Earth System Conference in Paris darstellte. Seit es numerische Wetter- oder Klimamodelle gibt, werden unterschiedliche Parametersätze für unterschiedliche Auflösungen benutzt. Ebenso gibt es neue Parametersätze bei jeder neuen Modellversion. Was also wurde auf der Konferenz, zu der Holger Dambeck anscheinend nach Paris gefahren ist, wirklich diskutiert?
“Dass die Mathematik die richtigen Werkzeuge bietet, um die Welt zu verstehen, daran gibt es kaum Zweifel. “Die Astronomie beispielsweise wäre ohne Mathematik nicht denkbar”, sagt Albrecht Beutelspacher von der Universität Gießen. Sie helfe, die Bewegung von Planeten und Meteoriden zu verstehen und vorherzuberechnen.”
Auf welches pränatale Niveau kann man denn überhaupt noch heruntersteigen? So, so, Mathematik braucht man um Planetenbahnen zu beschreiben und es gibt jetzt auch keine Zweifel mehr, dass man Mathematik braucht, um die Welt zu verstehen. Na, wenn das der Kopernikus gewusst hätte.
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