Wie kann das sein? Vor genau einer Woche kam ein Artikel in Science raus, der sich mit der Phasenlage von CO2 und Temperatur im Eis beschäftigt und nirgendwo hört man den leisesten Ton. Nicht bei Anthony-ich-erkenne-einen-Trend-wenn-ich-ihn-sehe-Watts, nicht beim RWE Klimakasper und auch nicht im Alterstift des Klimasketizismus, bei EIKE. Wie kann das sein? Seit Al Gore in seinem Film mit der Hebebühne vor der Vostok Temperaturkurve rauf und runter gefahren ist (siehe Video), seitdem wurde ein Paper von unserer Arbeitsgruppe, nämlich von unserem damaligen Doktoranden Nicolas Caillon, von den Klimaskeptikern herumgereicht wie die Originalthorarolle.
Nicolas hatte beim Übergang von der drittletzten Eiszeit zur vorletzten Zwischeneiszeit (Interglacial) vor 240.000 Jahren mit Argon 40 Messungen gezeigt, dass das CO2 der Temperatur um 800±600 Jahre hinterherhinkt. Man möge mal “Caillon CO2” googeln. Es sind hunderte klimaskeptischer Webseiten, die dieses Paper bejubeln als ultimates Argument gegen den “verlogenen” Al Gore.
Ausschnitte aus einem klimaskeptischen Film, der unter anderem Al Gores Gabelstapler Fahrt an der Vostok Temperatur- und CO2-Kurve zeigt und warum ein Verzug zwischen den beiden Größen den Skeptikern so wichtig ist.
Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll: So viel ist falsch an dieser ganzen Diskussion um das CO2, das der Temperatur hinterher hinkt oder sie führt. Ich fang mal irgendwo an.
1) X-mal habe ich versucht zu erklären, dass die Phasenlage zwischen CO2 und Temperatur in den Eiskerne nicht durch reines Hingucken oder durch höhere Auflösung zu beurteilen ist (hier und hier und in aufklärischer Mission auf verschiedenen Skeptikerblogs). Vergebens. So schreiben etwa die RWE Klimakasper in ihrem Buch “die kalte Sonne”, Seite 130:
“Denn wenn man sich in den Datensatz stark einzoomt, dann erkennt man, dass die Temperaturkurve einen Vorlauf von ca.800 Jahren gegenüber den CO2-Veränderungen aufweist.”
Grandioser Unsinn. Die Phasenlage zwischen dem Gas und der Temperatur, ist die zwischen dem Eis selbst (denn da ist der Temperaturproxy drin) und dem an derselben Stelle eingeschlossenen Gas. Denn dieses Gas war, als der Schnee vor tausenden von Jahren auf das antarktische Eisschild fiel, abhängig von Temperatur und Schneemenge manchmal noch viele hundert Jahre (also dutzende von Meter von Schnee/Firn/Eis) in Kontakt mit der Atmosphäre. Die in Bild 1 aus der “kalten Sonne” und mit Daten aus einem Paper von Monnin et al. zu erkennende Grafik, zeigt diesen Verzug zwischen Temperatur (i.e. Eis) und dem Gas (also dem CO2), der also immer errechnet ist und nichts mit einem Zoomen oder ähnlichem zu tun hat.
2) Dieser Errechnen erfolgt unter anderem bei Monnin und bei Caillon durch Messung des Edelgases Argon-40 im Eis. Im Firn steht das eingeschlossene Gas immer noch im Kontakt mit der Atmosphäre. Innerhalb dieser diffusiven Säule kommt es zur Anreicherung der schwereren Isotope eine Elements (hier des Edelgases Argo) am Boden der Säule. Die Anreicherung eines Isotopes gibt den Glaziologen also eine Information darüber, wie lang diese Diffusionssäule ist und mit Hilfe einiger Rechnungen, wie gross der zeitliche Abstand zwischen dem Gas in einer bestimmten Tiefe und dem jeweiligen einschliessenden Eis ist. Es gehen darin Annahmen über die Akkumulation, die Temperatur, Messungenauigkeiten und einiges andere ein. Darum kamen etwa Monnin und Caillon auf eine Ungenauigkeit von ca. 600 Jahren. Ich habe mehrmals und natürlich vergebens darauf aufmerksam gemacht, dass diese Unsicherheiten eher unterschätzt waren. So kamen etwa Loulergue et al. in Climate of the Past schon vor 5 Jahren zu dem Schluss:
“Our finding suggests that the phase relationship between CO2 and EDC temperature inferred at the start of the last deglaciation (lag of CO2 by 800±600 yr) is overestimated and that the CO2 increase could well have been in phase or slightly leading the temperature increase at EDC.”
Hat das irgendjemanden davon abgehalten, die 800 Jahre die mit Sicherheit das CO2 der Temperatur hinterherhinkt, etwas vorsichtiger zu sehen? I wo.
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