Das Klima ist die Statistik des Wetters über einen längeren Zeitraum. Die WMO und das IPCC nennen meist ca. 30 Jahre. Ein Klimamodell ist eine nicht perfekte, mathematische Repräsentation des Klimas. Ändert man die Energiebilanz der Erde um einige Bruchteile eines W/m2 so verändert sich dieses Klima langsam . Die Trajektorie hin zu einem neuen energetischen Gleichgewichtszustand hängt stark von dem Startzeitpunkt an, ab dem das energetische Ungleichgewicht auf das Klima wirkt. Kann man diese Trajektorie exakt berechnen? Oder allgemeiner, kann man – auch unabhängig von der Frage einer profunden Klimaänderung wie der jetzigen – die entscheidenden Klimaparameter über Jahre im Voraus berechnen?
Seit dem berühmt gewordenen Paper von Keenlyside et al. in Nature ist die Vorhersage dekadischer Variabilität eines der hippsten Themen in der Klimaforschung. Selbst wenn das Problem, ob man eine einigermaszen korrekte Vorhersage von etwa ENSO oder der Atlantischen Dekadischen Oszillation erstellen kann, von dem Problem um die korrekt simulierte Klimasensitivität erstmal getrennt sehen muss (lange hatte das beste ENSO Vorhersagemodell von Caine und Zebiak nur eine Repräsentation der Tropen und es fehlten unzählige wichtige Feedback Prozesse. Es war nicht möglich mit diesem Modell eine Klimasensitivität überhaupt auch nur auszurechnen.) , so wäre es natürlich trotzdem eine enorme Bestätigung der Klimamodelle, wenn sie auf der relative kurzen Zeitskala von einigen Jahren bis Dekaden sinnvolle Vorhersagen machen könnten.
Bild 1: Klimahindcast für 2011. Von links nach rechts: Das Mittel der nicht-initialisierten Klimamodellläufe, das Mittel der Läufe, die zwischen September und Dezember 2010 mit den entsprechenden Ozeaninformationen initialisiert wurden und schliesslich die entsprechenden Beobachtungen. Deutlich ist, dass die initialisierten Modelle eine ganze Reihe markanter Muster des Jahres 2011 berechnen konnten, die La Niña Bedingungen im Pazifik, der kühle tropische Atlantik und der relativ warme Region des sub-polaren Gyres im Nordatlantik.
Was ist der grundsätzliche Unterschied zwischen einem Klimalauf dieser Modelle (etwas über die nächsten 90 Jahre) und einem Vorhersagelauf für die nächste Dekade? Im ersten Fall läuft das Modell von irgendeinem beliebigen Zustand los und wird von dann an mit Szenarien, also möglichen Verläufen, der sich ändernden Konzentration der Treibhausgase, der industriellen Aerosole etc. gefüttert. Der jeweilige Startzeitpunkt, etwa 1990 wie in den IPCC Läufen, “weiss nicht”, ob in diesem konkreten Jahr nun ein El Niño (aussergewöhnlich warmer Zentral- und Ostpazifik) Ereigniss stattfand oder ob der Atlantische Dipol gerade in einer ansteigenden oder abschwächenden Phase steckte. So kann natürlich auch nicht das simulierte Jahr 1994 mit dem beobachteten Jahr 1994 verglichen werden. Alle Ergebnisse müssen in einem probabilistischen Sinne interpretiert werden, selbst dekadische Tendenzen berechnet von ein und demselben Modell unterscheiden sich noch beachtlich. Es macht relativ wenig Sinn, eine dieser Klimasimulationen mit dem beobachteten Verlauf zu vergleichen. Eine Klimasimulation mit einer anderen desselben Modells verglichen mag größere Unterschiede über eine Dekade aufweisen als jede einzelne verglichen mit dem tatsächlichen Klimaverlauf.
Man KANN aber versuchen, so nahe wie nur irgendmöglich an den tatsächlichen Verlauf heranzukommen, indem man die aktuellen Ozeantemperaturen (wegen seiner geringen Wärmekapazität spielt das Land keine Rolle) in die Modelle füttert. Man sagt auch im Modellsprech: “in die Modelle assimiliert”. Die gleiche prinzipielle Idee wird auch bei jeder Wettervorhersage benutzt. Auch da wird “assimiliert”, nur eben meist atmosphärische Winde, Temperaturen, Feuchte.
Keenlyside prognostizierte 2008 in einem der ersten initialisierten Klimaläufe noch eine relative Abkühlung über die nächste Dekade (bis 2010 bzw bis 2015) und Realclimate konnte im Rahmen einer angebotenen Wette zeigen, (a) dass dies so wie von Keenlysides Modell berechnet nicht eingetreten ist, (b) dass das Modell, wenn es von seinen assimilierten Startfeldern loslief, sich sehr hæaufig erstmal abkühlen wollte, was auf irgendwelche dunklen Problem in der Assimilationstechnik hinweisen könnte, und dass (c) die benutzte Initialisierungsmethode, wenn man sie in der Vergangenheit testet, gar nicht wirklich besser abschnitt als die nicht-initialisiert. In Modellsprech: “Die Hindcast-Läufe hatten wenig Skill.” Zum Thema Skill mehr hier.
Wie weit sind wir 6 Jahre später? Mittlerweile gibt es einen Handvoll von Modellgruppen, die die nötige Assimilierungslogistik aufgebaut haben. Mittlerweile gibt es auch das ARGO Bojennetzwerk, welches nicht nur online Ozeanoberflächentemperaturen sondern auch Temperaturen aus der Tiefe liefert. Doug Smith hat den Kenntnisstand in Climate Dynamics im Dezember letzten Jahre veröffentlicht. Wer interessiert ist, der lese bitte das ganze, sehr interessante Paper. Hier nur ein paar Highlights.
Bild 2: Über wieviele Jahre könnte man die Temperaturen vorrausrechnen? Links die Zahl der Jahre, nach denen ein initialisierter Lauf mit den Klimamodellen nicht mehr von den nicht-initialisierten unterschieden werden kann. Rechts, die Dekorrelationszeit, die aus einer Zeitserienanalyse der Beobachtungsdaten berechnet wurde. Wenn auch nicht in einem strikten, mathematischen Sinne gibt die linke Abbildung ein Art Maximum an Jahren an, die von einem perfekt initialisierten perfekten Modell theoretisch erreicht werden könnte.
1) Jahr zu Jahr Vorhersage. Die Modelle (jedes macht mehrere Ensembleläufe) werden mit den Bedingungen vom September bis Dezember 2010 gefüttert. Bild 1 zeigt das Mittel all dieser Läufe. Der kräftige La Niña im Pazifik (kalte Temperaturanomalien im Zentral/Ostpazifik) scheint gut reproduziert, aber auch einige andere nicht so bekannte Muster: Der kühle tropische Südatlantik oder der warme nordatlantische, subpolar Gyre . Offensichtlich und nicht zu verwunderlich schneiden die nicht-initialisierten Läufe viel schlechter ab.
2) Frage ist nun: Wieviele Jahre kann man mit diesen Methoden überhaupt rausholen? Kann man den tropischen Pazifik genau so gut vorhersagen wie meinethalben die zirkumantarktischen Ozeane? Bild 2 gibt antwortet. Innerhalb der Modelwelt schaut man zur Beantwortung dieser Frage einfach nach, wielange ein intialisierter Lauf vom nicht-initialisierten verschieden ist (siehe 2a). Viele Gegenden (etwa um die Antarktis herum) haben sehr wenig Vorhersage-Potential (1-2 Jahre), während einige andere Gegenden deutlich besser abschneiden (tropischer Pazifik 4-5 Jahre, subpolar Gyre bis 8 Jahre!). Aus dem beobachteten Temperaturverlauf heraus selbst kann man aber auch abschätzen, wieviel Information zu jedem Zeitpunkt aus den Beobachtungen VOR diesem Zeitpunkt ziehen kann. Wann sind sozusagen die Temperaturen jetzt völlig unkorreliert zu den Temperaturen zuvor ? Dies gibt eine grobe Abschätzung wieviel man durch diese ganzen Assimilationstechniken –immer unter der Annahme, dass die Modelle perfekt sind – überhaupt rausholen kann. Bild 2b zeigt diese Dekorrelationszeit und zeigt im Groben ein ähnliches Muster (tropischer Pazifik und subpolar Gyre). Fast überall zeigen die Daten aber längere Zeiten als das Modell, weshalb dieses Bild mit Sicherheit in jeden Forschungsantrag hereingehört. Es sagt nämlich aus, dass man diese ganzen Assimilationsverfahren noch weiter treiben kann. Da ist noch Information, die von den Modellen nur abgegriffen werden muss! Die relativ langen Dekorrelationszeiten in den Beobachtungen um die Antarktis herum und die entsprechenden relativ kurzen Zeiten in den Modellen, deuten wohl darauf hin wie lausig noch die Darstellung des Meereises ist (jedoch siehe hier! ).
Bild 3: Globaler Temperaturverlauf (links) und Niño3 Temperaturindex (=ENSO, rechts) simuliert im Rahmen initialisierter (rot) und nicht-initialisierter Simulationen (blau). Die rote Kurve steigt in beiden Fällen über die nächsten Jahre relativ stark an. Die Streuung der initialisierten Läufe nähert sich aber in kurzer Zeit (~4-5 Jahre) den nicht-initialisierten an. In diesem Zeitrahmen liegt wohl auch das Limit, wo man momentan durch das Einfüttern der aktuellen Ozeantemperaturen in die Klimamodelle eine verbesserte Vorraussage erhalten kann.
3) Na und schliesslich die Frage: Wie wird denn nun die nahe Zukunft? Wird es nun wärmer oder bleibt es bei der nun schon 15 Jahre andauernden relativen Stagnation (Bild 3)? Die Modelle hier sehen für praktisch sofort ENSO Bedingungen (also El Niño) bevor und einen Anstieg der globalen Temperaturen um ca. +0,2C in den nächsten 4 Jahren. Es gibt aber auch seit einiger Zeit reine ENSO Vorhersagen. Während dort die meisten rein statistischen Modelle für die nächsten Monate schwache La Niña Bedingungen prognostizieren, sind die anderen wirklich physikalischen Klimamodelle (also die vom gleichen Typ, wie die hier diskutierten) eher ENSO neutral. Man kann also nicht sagen, dass zumindest für die nächsten Monate diese beiden Typen von Modelle und Rechnungen übereinstimmen. Natürlich sind wie immer technische Details wichtig. Die Assimilationstechniken (also die Art, in der die Daten in die Modelle eingefüttert werden) sind wahrscheinlich unterschiedlich wie auch die betrachtete Zeitskala. Trotzdem scheint mir da zumindest ansatzweise ein grundsätzlicher Gegensatz zwischen den Modellläufen für die nächste Dekade und den ENSO Simulationen für die nächsten Monate vorzuliegen. Warum genau, weiss ich auch nicht. Es sieht aber so aus, dass schon die relative nahe Zukunft einen interessanten Test für die mittelfristige Prognosefähigkeit der Klimamodelle enthält. Es wird also spannend!
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