Primaklima Leser wissen ja schon, was es mit diesem Begriff der Klimasensitivität auf sich hat. Sie gibt an, wie sehr sich die globale Mitteltemperatur ändert bei einer gegebenen Störung des Strahlungsgleichgewichts an der Troposphärenobergrenze und nach einer gewissen Zeit (paar hundert Jahre), in der sich das System in ein neues Gleichgewicht begeben hat. So definiert, würde man also als Einheit der Klimasensitivität so etwas wie K/W/m2 vermuten, also Temperaturänderung pro Energieflussänderung. Meist aber wird in der Öffentlichkeit eher die Temperaturänderung bei Verdoppelung des CO2 Gehalts diskutiert, also die Temperaturänderung vom vorindustriellen Niveau von 280ppm auf ein zukünftiges Niveau von 2*280ppm=560ppm. Der Wert dieser Gleichgewichtsklimasensitivität liegt seit ziemlich langer Zeit und in allen IPCC Berichten bei so etwas wie 3K±1K und die Klimasensitivität somit bei ca. 0.75K/W/m2.
Bild: Abschätzung der Gleichgewichtsklimasensitivität basierend auf Daten/Simulationen über unterschiedliche Zeitabschnitte in den letzten 50 Jahren.
Es gibt nun eine neue Studie in Nature Geoscience (gratis nach Registrierung), die auf eine relative niedrige Klimasensitivität kommt. Sie benutzt insbesondere die Daten der letzten ca. 40 Jahre, denn nur für diesen Zeitpunkt verfügen wir über Satellitenbeobachtungen, die eine Berechnung des Strahlungsfluss an der Troposphärengrenze ermöglichen. Die Berechnung mixt Satellitendaten, Temperaturdaten, Ozeantemperaturdaten und Modellrechnungen, um schliesslich zu einer um ein Grad niedrigeren Abschätzung der Klimasensitivität zu kommen, also ca. 2K bei CO2 Verdoppelung anstelle der oft genannten 3K. Nach der Abschätzung der Autoren dieser Studie ergibt sich eine bisherige Änderung der Energieflüsse seit Beginn der Industrialisation (sie beginnen mit 1860) ~ +2.8W/m2 CO2 und CH4, ~ +0.2W/m2 Sonne und Vulkane und ~-1W/m2 hauptsächlich Aerosole. Von diesen insgesamt zusätzlichen +2W/m/2 gingen ca. 94% in den Ozean, 3% in den Wärmeinhalt der Kontinente, 2% wurde vom Schmelzen der Eisschilde geschluckt und lediglich 1% änderte den Wärmeinhalt der Atmosphäre. Bei dieser offensichtlich dominanten Rolle der Ozeane sind die Wärmeinhaltsmessungen der Ozeane natürlich DIE kritische Größe, die auch einen Großteil der Unsicherheit der gesamten Rechnung beinhaltet. Auch die Abschätzung der Strahlungsflüsse, die hier durch einen Skalierung der Modellrechnungen an Satellitendaten erfolgte ist eine große Unsicherheitsquelle.
Wie immer gilt: das ist EINE Studie zur Berechnung der Klimasensitivität neben vielen anderen, jede mit ihren eigenen methodischen Problemen. Daher nur kurz zu dem üblichen Blödsinn, der bereits wieder dazu geschrieben wurde. Aeeh, natürlich im Spiegel, allerdings in einem Reuters Artikel:
1) In diesem Artikel wird der Eindruck erweckt, diese niedrigere Abschätzung der Klimasensitivität hätte irgendwie mit der Temperaturstagnation der letzten Jahre zu tun. Schon Bild 1 zeigt, dass das nicht so ist. Nimmt man die Daten der letzten Dekade kommt man ungefähr auf den gleichen Wert für die Klimasensitivität wie für Zeitabschnitte zuvor. Klimasensitivität ist eine sehr träge Größe und eine Dekade so oder so spielt da erstmal keine Rolle.
2) Es wird der Eindruck erweckt, neue Wirkungsmechanismen zur Sonnenstrahlung seien benutzt worden. Ich kann davon im Artikel rein überhaupt nichts erkennen. Reine Einbildung. (“In die aktuelle Studie flossen neue Temparaturdaten und Messungen zur Wirkung der Sonnenstrahlung auf die Atmosphäre ein.”).
3) Es wird der Eindruck erweckt, dass die Autoren dieser Studie nun irgendwie im fundamentalen Konflikt zum IPCC und den im Spiegel so genannten UN Klimaforschern stehen (“Merklich unter den Erhebungen von UN-Klimaforschern”). Das wäre allerdings ein Konflikt den die Autoren stark unter sich selbst ausmachen müssten. Ich kann auf den ersten Blick schonmal mehrere IPCC Lead Autoren feststellen, etwa Piers Forster, Gabi Hegerl, Ulrike Lohmann, Myles Allen und Drew Shindell. Aber egal. Hauptsache die Story hat ‘nen Spin. Insbesondere Piers Forster und Co-Autor Jonathan Gregory hatten zuvor schon einige Studien veröffentlicht, die mit grundsätzlich ähnlichen Methoden auf leicht andere Klimasensitivitäten kamen. Etwa hier auf 0.7-2.4K mit einem Mittelwert von 1.6K fur die Gleichgewichtsklimasensitivität oder hier Gabi Hegerl mit einer Abschätzung von 2-4.5K basierend auf Paleodaten. So ist es eben: Unterschiedliche Daten, Zeiträume, Modelle führen zu unterschiedlichen Ergebnisse. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, diesen gesamten Phasenraum zu durchfahren und, hoffentlich, mit dann mehr und präziseren Daten an bessere Abschätzungen dieser so wichtigen Grösse zu kommen.
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