Das Buch “Collapses” von Jarred Diamond ist ein bei allen Längen und bisweilen etwas ermüdenden Wiederhohlungen für mich ein grossartiges Buch. Es kann sein, dass Experten der historischen Anthropologie/Archäologie nichts wesentlich neues gefunden haben. Für mich war es zumindest das erste Mal, dass ein Autor sehr einfach und nachvollziehbar Kriterien aufgelistet hat, die für frühere und wohl teils auch für heutige Gesellschaften zum Überleben notwendig sind. An zahlreichen, teils vorgeschichtlichen Gesellschaften zeigt er auf, wie diese auf die Herausforderungen des Planeten Erde, insbesondere teils selbstherbeigeführte Umweltprobleme (Abholzung und andere Konsequenzen der Überbevölkerung) und Klimaänderungen reagierten, mal mit Erfolg und eben mal eher nicht so. Daher der Titel des Buches. Ich war so angetan von dem Buch, dass ich erstens meine Meinung über Geographen geändert habe und zweitens Diamond zu einem Seminartalk zu unserem Institut eingeladen habe. Und er selbst, in persona, der Pulitzerpreisträger Jarred Diamond, hat mir in einer netten Mail abgesagt. Einer der ganz großen Momente meines Lebens.
Diamonds Buch hat erstaunlich viele Reaktionen hervorgerufen. Es gibt sogar ein ganzes Anti-Collapses Buch und eine Polemik, wer das Anti-Collapses Buch reviewen darf.
In EOS, der Wochenzeitschrift für AGU Mitglieder, wurde nun ein neu herauskommender AGU Monograph zum Thema beworben: “Climates, Landscapes, and Civilizations” . Das wirklich interessante Interview mit einem der Herausgeber des Monograph, Liviu Giosan, findet sich hier hinter einem mächtigen Passwort verborgen, aber jemand hat das Interview anscheinend gescant und es hier als jpg files hingelegt.
Ein paar Elemente, die ich interessant fand. 1) Das Anthropozän geht deutlich weiter zurück, als es etwa die Änderung wichtiger Spurengase wie Kohlendioxid und Methan dokumentiert in den verschiedenen Eiskernen vermuten lassen. Die industrielle Revolution, die da so massiv in den natürlichen Kreislauf dieser Treibhausgase eingreift, ist nur eine von mehreren “technologischen” Revolutionen. So gehen Geologen etwa davon aus, dass der Mensch seit ca. 2000 Jahren der größte Sedimentverteiler auf Erden geworden ist; mehr also als Wind, Niederschlag oder Gletschervorstösse zusammen! 2) Giosan möchte überhaupt nicht vom Kollaps einer Gesellschaft auf Grund einer Klimaänderung reden: nicht etwa weil das monokausal, bös vereinfachend und quasi-rassistisch wäre (wie das ja die Klimazwiebelautoren von Storch und Krauß unter anderem in ihrem Buch die Klimafalle behaupten), sondern weil überhaupt schon das Konzept und die Rede von einem “Kollaps” eine Ordnung und Hierachy von Gesellschaften impliziert. Irgendetwas grossartiges ist zerfallen in etwas, was kaum noch der Rede wert ist. Hat es also einen “Untergang der Mayas” gegeben, wie es in vielen Klimastudien berichtet wurde, die das Verschwinden schriftlicher Spuren und Bauwerke mit einer Serie von extremen Trockenjahren korrelierten (siehe etwa hier und hier), oder gab es lediglich ein intrazivilisatorisches Verschieben – ganz ohne Wertung – von einer Form von Gesellschaft (der klassischen Mayazivilisation) zu einer anderen, die eben keine Schrift, keine Kunstwerke und keine Bauwerke hinterlassen hat. Ganz wertfrei. So interessant der Gedanke an sich ist, es hört sich ein bisschen so an, als sei somit Sterben auch nur eine weitere Form der Anpassung. In den Worten Giosans: Decay is just part of a civilization’s life cycle. 3) Kann man aus dem Aufstieg und Fall vergangener Gesellschaften direkte Lehren ziehen? Eher nicht, aber das Verständnis dieser Vorgänge liefert uns Parabeln zur conditio humana, denn Wissenschaft quantifiziert nicht nur und liefert als eine Art Dienstleistungsgewerbe “Lösungen”: “everything is easier to understand with the help of a parable”.
Auf dass von der Menschheit mehr bleibt, als ein Peak in der 13C/12C Verteilung, (was aber natürlich auch schon mehr ist, als die meisten Spezies je hinbekommen haben)!
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