Der Guardian vorberichtete heute von einem soeben in Climatic Change erscheinenden Paper, das – statt wie üblich nach Ländern geordnet – die globalen CO2 Flüsse nach Firmen unterteilt. Von 1854 bis 2010 hat Richard Heede sich die CO2 und CH4 Bilanzen der grössten Öl-, Kohle- und Gasfirmen und Zementproduzenten angeschaut. Dieses revolutionär neue Bookkeeping bringt ihm nicht nur die Aufmerksamkeit der Weltpresse sondern auch die Beachtung der Klimabloggosphäre ein. Das Paper ist jetzt auf der Climatic Change Webseite verfügbar.
Reiner Grundmann auf der Klimazwiebel ist moralisch entrüstet angesichts dieser Moralisation des Klimaproblems: 90 Firmen und somit 90 Firmenbossen, die man alle in einen Buss packen könnte, wie der Autor im Guardian sagte. Und dann? Wenn dann alle im Bus sitzen? RG hört eine Art Tötungs- respektive Terroraufruf heraus. Bammm.
Frei nach den Smith: And if a double decker bus crashes into us…Ein song, welcher ja ohnehin sehr klimarelevanten Titel trägt: There is a light that never goes out.
Eine Lösung für das CO2 Problem? And if a double decker bus crashes into us…
Diese Lesart des Textes und der begleitenden Presseprodukte wird mit an Sicherheit die sein, die sich in Kürze auf den klimaskeptischen Webseiten finden lassen wird. Ich habe nicht nachgesehen (Indianerehrenwort), aber ich wette mal mein Weihnachtsgeld (Null) darauf, dieser Versuchung der Auto-viktimisierung werden die Lünings und die Watts dieses Planeten nicht widerstehen können. In unserer Medienwelt hat immer der die Schlacht um die Herzen der Medienkonsumenten gewonnen, der sich zuerst als Opfer von irgendwas hinstellen kann. Daher also: Aufruf zur Jagd auf Firmenchefs oder etwas in diesem Sinne.
Mir ist das ja alles relativ wurscht. Ich weiss nur einfach nicht, was man durch dieses Paper gelernt hat und weswegen es eigentlich zur Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Journal angenommen wurde. Was haben wir neues gelernt? Dass die Öl- und Kohlebranche stark konzentriert ist und durch Riesenfirmen dominiert wird? Dass die grössten Firmen in den USA, Russland, China, Europa sitzen? Darüber kann man sich wahrscheinlich auch im Handelsblatt informieren. Wenn schon mal anderes bookkeeping hätte mich eine Aufteilung nach Religionszugehörigkeit der Verbraucher interessiert? Emittiert der Protestant mehr als der Katholik? Und die immer so sympathisch rüberkommenden Atheisten? Am Ende sind sie die größten Emitter, die die Erde in das Armageddon treiben. Oder wie ist das mit der CO2 Aufteilung in Männer/Frauen?
Kurz, da sind sicher noch eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zu erhoffen und ich bin der letzte, der gute Drehs für eine endlose Reihe von Paper nicht anerkennen würde.
Was aber den moralisch-öffentlichen Druck und seine Wirkung angeht, den solch eine Liste auf die Verantwortlichen der jeweiligen Firmen haben könnte, würde ich mir nicht zuviel erwarten. Die meisten aufgelisteten Firmen sind in Umweltkatastrophen geradezu biblischer Größe verwickelt (zb hier), wenn nicht sogar mehr oder minder direkt in das Wegräumen eventueller Gegner ihrer Projekte (zb hier). Wer Vorwürfe von solcher Größenordnung locker wegsteckt, den wird auch eine Liste mit CO2 Emissionen nicht wirklich erschüttern. Bleibt nur zu hoffen, dass das Heede Paper nicht bei der nächsten Exxon-Aktionärssitzung als Bestätigung der hervorragenden Firmenperformance ausgeteilt wird.
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