Bild 3: “Jeder nur ein Kreuz” ist nicht ganz wahr. Wer das Gefühl hat besonders büßen zu müssen, der darf auch zwei nehmen. Die meisten hermandades haben eine Gruppe (ein tramo) von penitentes, ohne capirote (Kapuze), ohne Kerze, aber mit Kreuz beladen. Einige gehen Barfuss den gesamten Weg, was bei dem Schmutz und den Keimen der Innenstadt Sevillas wahrscheinlich keine gute Idee ist.
An der Semana Santa nehmen 60 hermandades teil, die ihre pasos zusammen mit ein paar 100 Nazarenos und Penitentes (siehe Bilder, die größte, die Macarena, bringt 2500 nazarenos auf die Strasse) von ihrer jeweiligen Kirche zur Kathedrale von Sevilla und wieder zurück begleiten. Das Ganze dauert je nach Lage und Tradition der jeweiligen Bruderschaft mal 4 Stunden, mal über 14 Stunden. Einige hermandades ziehen mit einem Mordsbohay und einer riesigen Marschkapelle durch die Gassen, andere sind hermandades de silencio und erzielen trotzdem einen mächtigen Effekt, wenn bei ihrem Zug durch die in der Nacht nur für sie völlig abgedunkelten Gassen die Menschen verstummen.
Video 1: Rückkehr des Cristo de los Gitanos in die Kirche seiner hermandad unter den Klängen des Marsches “La Saeta” oder auch “Cristo de los Gitanos”.
Am spektakulärsten sind sicher die eigentlichen Pasos. Bei vielen stammen die Bildnisse von Bildhauern aus dem 17/18 Jhd. und selbst davor. Wie riesige Schiffe schaukeln sie durch die sie umrundenden Menschenmassen und folgen dem Rythmus der hinter ihnen hermarschierenden Kapelle: Meist festlich orchestral für die virgenes und klagend, getragen von Blasinstrumenten die cristos. Ich habe mal zwei Beispiele verlinkt mit zwei schönen Stücken. Cristo de los Gitanos nach einem Song von Joan Manuel Serrer und nach einem Gedicht von Antonio Machado (die hermandad heisst “Los gitanos” und viele Mitglieder sind auch gitanos, was man unter anderem am schicken Haarschnitt des capataz, des chefs des pasos, erkennen kann) und Cardidad de Guadalquivir der Baratillera (die hermandad heisst El baratillo, na und da heisst die virgin eben La baratillera).
Video 2: La Baratillera kehrt in der Nacht zu ihrer Kirche zurück. Die Kapelle spielt ihren Marsch, die “caridad de Guadalquivir”.
Die pasos wiegen zwischen 1200 und 2300 kilos, was jedem der 35-45 Trägern (der costaleros) ca. 40kilo auf die Schulter packt. Sie selbst sind völlig von den von den pasos herabhängenden Samt- und Brokatvorhängen verdeckt, die nur ein paar Luftschlitze aufweisen, um ein wenig Luft unter die pasos zu lassen. In der Stille hört man bisweilen nur das synchrone Schlurfen ihrer Espandrillas über dem Asphalt und hört ihr Stöhnen, wenn sie die gewaltigen pasos anheben müssen. “Al cielo” schreit der capataz, der die costaleros durch die Gassen Sevillas dirigiert. Mal mit beruhigender Stimme auf sie einredend, um die 40 Kilo noch ein wenig länger ertragen zu können, mal fluchend und anspornend (unten eine Zusammenstellung der besten Anspornreden). Drei Mal schlägt er mit einem kleinen silbernen oder goldenen Hammer, der fest an die pasos installiert ist, und alle costaleros bereiten sich vor, ein weiterer Schlag, und jeder geht in die Ausgangsposition, beim dritten Schlag und dem Ruf “al cielo” fliegt das ganze dann nach oben, als wäre so ein paso federleicht. Nur das dumpfe Stöhnen unter dem Brokat verrät den Umstehenden, dass es wohl nicht ganz so ist.
Video 3: Die Kommandos und Anspornreden der Capataz der verschiedenen pasos sind berühmt. Meist mit einer Reibeisenstimme versehen treiben sie die costaleros an. Das ist mal Motivationstraining.
Die costaleros sehen so gut wie nicht, wo sie hergehen, und müssen daher allen Lärm um die pasos herum wegfiltern, um nur die Stimme des capataz zu hören. Die Schrittfolgen wechseln, folgen der Musik und bei einigen pasos kann man wirklich von “tanzen” sprechen. Offensichtlich bedarf es da ein bisschen mehr als einer kurzen Erklärung am Palmsonntag, was jetzt zu tun sei. Den ganzen Winter hindurch trifft man daher ensayos in den Strassen Sevillas, die mit Übungsgestellen herumziehen, die entweder mit Sand oder Stahlträgern auf das nötige Gewicht gebracht werden und auf die ein Kofferradio gestellt ist, um die Schrittfolgen mit der Musik zusammenzubringen. Diese ensayos sind meist begleitet von einer Reihe Ersatzcostaleros und natürlich den Freundinnen der Kraftmeier, die als Bewunderungskohorte stets hinterzieht. Ich habe hier mal ein Video verlinkt, das einem eine Idee gibt, was da unter den eigentlichen pasos der semana santa so los ist.
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