Warum fing eigentlich der Maidan mit seinen Demonstrationen und seiner Gewalt eigentlich im Winter an? Warum riskierte die EU nun gerade in diesen Monaten den Konflikt mit Moskau? Darauf gibt es natürlich viele mögliche, mehr oder minder sinnvolle Antworten. Eine davon mag lauten, dass es reiner Zufall war. Trotzdem ist es sicher sowohl der neuen Regierung in Kiew als auch den Westeuropäern recht, dass jetzt erstmal der Sommer beginnt und die Abhängigkeit von russischen Gas sein saisonales Minimum erlebt. Wie gut, dass es diese saisonale, meteorologische und dann eben auch ökonomische Vorhersagbarkeit gibt! Noch besser wäre natürlich, wenn man jetzt schon wüsste, ob man den Putin im nächsten Februar braucht oder nicht. Vorhersagbarkeit in den Extratropen hat viele sehr lukrative Anwendungen, wahrscheinlich deutlich mehr als in den Tropen. Und der Nutzen solcher saisonaler Vorhersagbarkeit wächst stetig. Ausser Putin, fallen einem eine ganze Reihe solcher Anwendungen ein wie: Wieviel Öl, Gas, Kohle sollte man für den nächsten Winter horten? Muss man mit verstärkten Winterstürmen rechnen und den Zivilschutz entsprechend vorbereiten? Wie sieht es mit den Windverhältnissen im nächsten Winter und ihrem offensichtlichen Einfluss auf den immer wichtigeren windabhängigen Teil unserer Energieversorgung aus?
Abbildung 1: Modellsimulation und Beobachtung der NAO. Obwohl die meisten Winter recht ordentlich vom Ensemblemittel beschrieben werden gibt es doch einige totale Abweicher (e.g.2005). Wäre interessant zu wissen, woher die wohl kommen.
Nun, saisonale Vorhersagen in den Extratropen sind ein schwieriges Thema. Während in den Tropen die Aussichten auf modelgenerierte Vorhersagen stets wachsen, bleiben viele Experten in den Extratropen doch skeptisch. Während die Tropen stark vom trägen und daher besser berechenbaren Ozean bestimmt sind, ist es in den Extratropen eher die unruhige Atmosphäre, die Vorhersagen über den Horizont von Wettervorhersagen so sehr erschwert.
Ein Team des Hadley Centers hat einen erneuten Versuch unternommen und die Resultate sehen wirklich sehr vielversprechend aus. Das benutzte Modell ist das Klimamodell des Hadley-Centers in einer für solche Saison-Vorhersagen optimierten und hoch-auflösenden Version (0.8 Longitude, 0.5 Latitude und 85 vertikale Niveaus). Vorhersagbarkeit der nordhemisphärischen Wintervariabilität bedeutet vor allem die Arktische Oszillation (oder in ihrer Nordatlantischen Variante, die NAO) vorherzusagen. Um den 1 November jeden Jahres herum von 1993 bis 2012 werden eine Reihe von fast identischen Simulationen mit den Wetterbedingungen (Atmosphäre und Ozean) des jeweiligen Zeitpunkts gestartet. “Fast identisch” heisst, dass winzige Details der Modellparametrisierung unterschiedlich sind, so dass die Simulationen, wie es bei einem chaotischen System sein muss, langsam auseinander laufen. Der berühmte Schmetterlingsschlag in Kuba.
Abbildung 1 zeigt das Ergebnis dieser Simulationen für die Dez/Jan/Feb NAO (also den Index der die Nordatlantische Oszillation beschreibt). Es zeigt die Streuung der Simulationen, wobei offensichtlich jede Einzelne als Vorhersage unbrauchbar ist und doch das Mittel dieses Ensembles ein durchaus brauchbares Ergebnis ergibt. Die Korrelation zwischen Beobachtung und Ensemblemittel beträgt immerhin 0.62.
Natürlich möchte man gerne von dem Model wissen, welcher Faktor genau mit einigen Wochen Vorlauf denn nun die Winter NAO bestimmt. Dazu müsste man weitere numerische Experimente, die jeden dieser Kandidaten testen würde, was jetzt im Rahmen dieses Papers nicht geschehen ist. Aber man kann natürlich nachschauen, ob man in den Simulationen ähnliche zeitverzögerte Korrelationen zu bestimmten Größen genau so wie in den Beobachtungen findet. Und tatsächlich korrelieren die Simulationen ähnlich zu den tropischen Temperaturen (i.e.ENSO), zur Wärmemenge im subtropischen Nordatlantik, zur Essmenge in der Karasee oder der quasi-biennalen Oszillation (ein stratosphärischen Zirkulationsmuster) wie die Beobachtungen. Ob jetzt einer von diesen Faktoren alle anderen bestimmt, ob nur einer reicht, um die NAO vorherzusagen oder ob alle ein bisschen wichtig sind, dass kann man noch nicht entscheiden. Fest steht nur, dass diese Simulationen einige Vorhersagbarkeit demonstriert haben und dass in der Literatur diskutierte Einflussfaktoren, um die NAO vorrauszuberechnen (ENSO,..) von den Simulationen reproduziert wurden. Kein schlechter Startpunkt um dereinst zu echten Wintervorhersagen zu kommen.
Abbildung 2: Vorhersagbarkeit von Wintertemperaturen und Winterwindgeschwindigkeiten (links) und deren Abhängigkeit von der NAO (rechts).
Gut, die NAO vorherzuberechnen ist das Eine. Aber wie sieht es nun aus mit Putin einerseits, der EU und der Ukraine andererseits ? Kann die ukrainische Führung mit einem mehrmonatigen Vorlauf die Wintertemperaturen kennen und so den Gasverbrauch des Winters abschätzen können? Kann man in der EU wissen, ob man im nächsten Winter viel russisches Gas benötigt oder ob genügend Windenergie verfügbar ist? Abbildung 2 zeigt, dass dort, wo die NAO einen starken Einfluss auf Temperaturen und Winde hat, das Modell auch ganz gut die Bodenwinde und die Temperaturen vorherberechnet. Konkret gibt es zB in der Ukraine kaum signifikante Vorhersagbarkeit der Temperaturen, was an der großen Wintervariabilität im Osten Europas und dem begrenzten EInfluss der NAO dort liegen mag (Panel d). Allerdings könnten die Westeuropäer prima auf die Windbedingungen auf den britischen Inseln und Norddeutschland bauen (alles signifkant gepunktet, da völlig NAO abhängig, s. panel f) und so abschätzen, ob sie denn nun viel oder wenig bei der Gazprom einkaufen müssen. Längs dieser geographischen Einfallsschneise (GB,Holland, Norddeutschland) der Wintertiefdruckgebiete lassen sich ganz gute Vorhersagen machen und dann kann man flugs entscheiden, ob man die Krim aufgibt oder nicht. Die Klimaforschung macht es möglich!
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