Ein bisschen Marxismus gefällig? Bestimmt auch das katalanische Sein das katalanische Bewusstsein? Während jahrzehntelang der Unabhängigkeitswunsch der Katalanen eher unterschwellig und wie eine Spielkarte aus dem Ärmel gezogen wurde, um der Regionalregierung bei den Finanzverhandlungen mit den anderen Regionen ein paar Extra-Argumente zu liefern, wurde es ab 2010 so richtig ernst. Alle größeren Regionalparteien Kataloniens schwenkten vollständig auf Unabhängigkeitskurs um. Just zu einem Zeitpunkt, als durch den Zusammenbruch des Bankensektors und des Immobilienmarkts die Schulden der Region Katalonien ins Astronomische schiessen. Tatsächlich ist Katalonien zusammen mit der comunidad Valenciana die meist verschuldete von ganz Spanien. Wie sollte man das den Katalanen erklären? Die Unabhängigkeitsforderung liefert das ideale Deckmäntelchen und eigene Misswirtschaft kann natürlich zuverlässig ausgeschlossen werden.
Natürlich kann eine Abspaltung und Gründung einer neuen Nation nicht nur mit einem schlecht funktionierenden Länderfinanzausgleich begründet werden. Der wichtigste Treibsatz der Nation ist immer Kitsch. Eine völlg andere Mentalität, andere Kultur und am besten gleich andere Rasse macht das Zusammenleben mit den anderen eben unmöglich. Lange Zeit war der Katalane eben arbeitssam, von gesundem Menschenverstand geprägt und vor allem nicht von der spanischen Politkrankheit der Korruption befallen. Lange Zeit. Bis dann jetzt herauskam, dass der langjährige Chef der Regionalregierung (satte 23 Jahre!) und Mentor der Unabhängigkeitsbewegung Jordi Pujol Konten in so ziemlich jedem Steuerparadies der Welt unterhielt. Sein Vermögen wird auf mehr als 100 Millionen Euro geschätzt. Das Geld wurde teils kofferweise von seinen Söhnen nach Andorra und anderswo geschafft. 100 Millionen? Nicht schlecht gespart für das Gehalt eines Ministerpräsidenten einer Region von 8 Millionen Menschen, also ungefähr der Bevölkerung Niedersachsens. Da kann sich der ehemalige Ministerpräsident Niedersachens, Christian Wulff, mit seiner dann doch nicht erfolgten Vorteilsnahme von 750 Euro aber mal ein Beispiel dran nehmen. Soweit also mal zu der Hoffnung, dass man per Nation reale Probleme wie Korruption einfach so lösen kann (hier etwa behauptet der schottische Nationalist, und in Florida (!) wohnhafte Trainspotting Regisseur Irvine Welsh genau den gleichen Käse für Schottland. Sind wir erstmal unter uns gibt es keine Korruption mehr!).
Aber wie sieht es denn mit der kulturellen Autarkie Kataloniens aus? Dürfen Sie denn wenigstens ihre eigene Sprache sprechen oder wird diese etwa durch ein zentralstaatliches Schulsystem unterdrückt und gegängelt? Das Gegenteil ist der Fall. Mittlerweile gibt es schon dutzende Klagen von Eltern, die versuchen ihr verfassungsgemäß garantiertes Recht durchzusetzen, dass wenigstens noch 25% des Unterrichts in Castellano erfolgen sollte. Ansonsten erfolgt der gesamte Schulunterricht in Katalanisch. Wobei man sich eigentlich fragen sollte, warum nicht auch katalanischstämmige Eltern der Meinung sein sollten, dass es für ihre kleinen Racker ganz gut wäre, auch anständig Castellano zu lernen (ca. 350 Millionen native speaker). Aber nein, 100% Katalanisch soll es sein (rund 8 Millionen Muttersprachler) und dafür braucht man halt die Unabhängigkeit.
Die ideologische Basis aller aktuellen Unabhängigkeitsbewegungen ist Kitsch. Ihre Ökonomie ist ein Desaster (siehe etwa hier im Economist die wahrscheinlichen Folgen eines schottischen Ausstritt aus dem UK). Ihr Erfolg ist eine Art “Heim-zu-Uns-Reaktion” auf Globalisierungsängste. Europas Grenzen aber sind gewissermaszen erstarrte Geschichte. Jede einzelne wurden mit Bergen von Leichen zementiert. Wer ohne Not an diesen Grenzen rüttelt, hat nichts aus der Geschichte gelernt.
PS Hier noch eine ZDF Dokumentation zu Pep Guardiola und seinem Unabhängigkeitseifer.
Kommentare (116)