Eher im Nachhinein, als der eigentliche Plan nicht gelingen wollte, hat der Oberbefehlshaber der deutschen Armee, Falkenhayn, die Schlacht bei Verdun mit dem vermeintlichen Ziel des Weissblutens der Franzosen versehen. An einer einzigen und in Deutschland und Frankreich natürlich emblematischen Schlacht des ersten Weltkriegs, der Schlacht um Verdun, zeigt der Historiker Olaf Jessen, wie vermeintlich essentielle Ziele im Krieg zerbröseln und schliesslich sinnlos werden. Ein lang bedachtes, strategisches Ziel, ein Durchbruch (der Fetisch des ersten Weltkrieges schlechthin, alle träumten stets vom Durchbruch) oder zumindest eine Verlagerung der allierten Kräfte, die einen Durchbruch an anderer Stelle möglich machen würde, gelingt nicht. Statt einzuhalten und zumindest in Verdun das sinnlose Blutvergiessen zu stoppen, werden – wie man es ähnlich in der Ökonomie sagt – den verlorenen Truppen noch weitere Truppen hinterhergeschmissen. Dieses Buch beschreibt am Beispiel Verduns detailliert wie der Krieg seine eigene Dynamik entwickelt und nicht mehr zu bremsen ist, weil administrative Apparate dahinter verzweifelt Rechtfertigung zu produzieren suchen. Müsste man eine einzige typische Geschichte des ersten Weltkrieges erzählen, dann ist es sicher die der Erstürmung des Fort Douaumont. Quasi von den Franzosen “vergessen” und nur noch mit knapp 60 Mann bestückt wurde es von den Deutschen am dritten Tag der Verdun-Offensive quasi en passant erobert ( dazugehörige Fotodokumente wurden erst kürzlich entdeckt und sind bei Jessen veröffentlicht), um danach als Hauptgefechtsziel der französischen Gegenoffensive ein wohl beispielloses Bombardement zu erhalten. 9 Monate und 100.000 Tote später war alles wieder wie zuvor und das einst “vergessene” und vermeintlich nicht so wichtige Douaumont wieder in französischer Hand. Wer Jessens Buch gelesen hat, wird gegenüber all den “chirurgischen Eingriffen” unserer Tage sehr skeptisch, denn Pläne, so Clausewitz, kennt der Krieg nur bis zur ersten Schlacht.

Douaumont

Bild 4: Fort Douaumont vor und nach den 8 Monaten der Schlacht um Verdun. 100.000 Menschen starben allein an diesem Abschnitt der Front, der zu Beginn der Schlacht von französischer Seite nichtmals so besonders wichtig angesehen wurde.

 

 

 

muenkler3) Herfried Münckler “Der große Krieg”

Münckler wird ja als konservativer Historiker an der Humboldt Uni heftig gedisst (siehe die eigenartige Story hier), was das Interesse an seinem Buch sicher steigern mag. Ist es wohl wirklich so schlimm? Ich fand sein detailliertes Panorama “Der große Krieg” der vier Jahre von 1914 bis 1918 jedenfalls sehr interessant und keineswegs apologetisch. Was haben eigentlich damals die Intellektuellen zum Krieg und seinem immer schlimmer werdenden Wahnsinn gesagt? Gab es eigentlich relevante Stimmen in Deutschland und anderswo, um in Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten? Münckler zeigt sehr schön die verschiedenen psychologischen, aber auch ganz konkreten, finanziellen Motive, die irgendwann den Abbruch des Krieg unmöglich machten. So waren alle Beteiligten einfach zu sehr verschuldet, um mit einem Kompromiss oder irgendetwas anderem als der totalen Kapitulation der Gegenseite noch hätten leben können. Neben den militärisch-politischen Abläufen der Zeit liefert Münckler auch ein ideengeschichtliches Buch zum Wandel der Welt vor und nach dem Kriege. Ich kann es jedenfalls nur empfehlen. Und wenn es einem nicht gefällt, kann man es ja immer noch Münckler Watch mitteilen.

PS: Wer sonst noch Bücher empfehlen möchte, soll das gerne hier tun. Einfach ein paar Worte, warum ihr das jeweilige Buch gut fandet und  in die Kommentare posten.

 

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Kommentare (1)

  1. #1 Georg Hoffmann
    Dezember 23, 2015

    test