In der Serie Kinder für MINT begeistern versuche ich, Dinge vorzustellen, bei denen Kinder etwas über Naturwissenschaft & Technik lernen können und dabei idealerweise auch noch Spaß haben.


 

Kurz vor Weihnachten 2016, als wir zu Besuch bei meinen Schwiegereltern waren, habe ich mal wieder was entdeckt, was es seit Jahren gibt und Millionen Menschen vor mir gekannt haben. Beim Stöbern nach Geschenken für meine Neffen fand ich in der Buchhandlung Linnemann ein schmales Buch mit dem einladenden Titel Spiele Programmieren – Super Easy. Darin wird beschrieben, wie man vermittels Scratch einfache Spiele selbst erstellen kann.

Scratch ist eine visuelle Programmiersprache zur Erstellung von einfachen Programmen aus vordefinierten Blöcken. Entwickelt wurde Scratch im Zuge des nichts weniger als genialen Projektes Lifelong Kindergarten unter Federführung von Professor Mitch Resnick am MIT. Scratch verhält sich zum Coden in einer höheren Programmiersprache ungefähr wie das Erstellen von Funktionsplänen vermittels Logik-Gattern: Anstatt die Befehle mit Wörtern zu beschreiben, fügt man das Programm durch Anordnung vordefinierter Blöcke zusamen. Damit richtet es sich an interessierte Laien, Spielkinder meines Alters und vor allem Kinder, die ihre ersten Schritte in die Programmierung machen.

Die Entwicklungsumgebung kennt im Prinzip zwei Arten von Objekten: Hintergründe und Figuren (Sprites), die sich vor diesen bewegen. Ein Spiel in Scratch zu programmieren heißt, den Figuren Scripte zu geben, die beschreiben, wie sie sich bewegen, wie Kollisionen behandelt werden sollen, usw.

Die Baustein-Bibliothek ist übersichtlich strukturiert und bietet alle Grundfunktionen, die man von Einführungskursen ins Programmieren kennt: Schleifen, Verzweigungen, If-Then-Else-Entscheidungen, usw. Die einzelnen Blöcke sind farblich entsprechend einer von zehn Kategorien geordnet: Bewegungen sind z.B. dunkelblau, Schleifen und Abfragen gelb, mathematische Operatoren grün, usw. Dadurch werden die Programme sehr übersichtlich.

Hier findet Ihr ein ganz einfaches Programm, das im Prinzip folgendes tut: Wenn die Grüne Flagge angeklickt wird, erscheint in der Mitte des Bildschirms ein Ball, fliegt in eine zufällige Richtung davon und prallt 10 vom Rand ab. Dann wiederholt sich der Zyklus

Mit solchen einfachen Beispielen beginnt auch Spiele Programmieren – Super Easy. In zwölf Kapiteln werden Spiele aus unterschiedlichen Genres vorgestellt und die Programme in allen Einzelheiten erklärt. Schritt für Schritt werden dabei alle wichtigen Funktionen eingeführt. Am Ende jedes Kapitels gibt es dann noch Vorschläge, wie das Spiel verbessert werden kann.

Mir als Laien erscheint der didaktische Aufbau sehr sinnvoll: In jedem Kapitel wird jede neue Funktion ausführlich erklärt, aber Grundwissen aus den vorgehenden Kapiteln zunehmend vorausgesetzt. Im Anhang findet man Vorschläge, für die man sich die Lösung komplett selbst erarbeiten muss. Dadurch lernt man nicht nur die verschiedenen Strukturen eines Programms kennen, sondern versteht auch immer besser, wie und warum sie genau so funktionieren. Der Leser wird animiert, sich auf der Projektseite anzumelden und Projekte anderer anzusehen bzw. seine eigenen vorzustellen. Die Scratch-Community folgt dabei dem Prinzip der freien Software: Jeder kann den Quellcode jedes Spiels sehen, kopieren, remixen (manipulieren & weiterentwickeln) und damit verbessern oder erweitern. Der Programmierer selbst vermeidet durch Scratchs Aufbau die meisten Fehler, die einen am Anfang bis zur Aufgabe frustrieren können: Langwierige Tipparbeit, Syntaxfehler, umständliches Debugging und Probleme mit den Datentypen entfallen oder zumindest stark vereinfacht. Auch blutige Anfänger können in kurzer Zeit ein funktionierendes Programm auf die Beine stellen.

Zurzeit (Dezember 2016) sind über 15 Millionen individuelle Nutzer auf der Projektseite des MIT registriert, die zusammen rund 19 Millionen Projekte veröffentlicht haben. Das Gros der Nutzer ist zwischen 8 und 16 Jahren alt mit einem Maximum ungefähr bei 13. Neben den Projekten selbst gibt es umfangreiche Informationen für Eltern und Lehrer, die Scratch im Unterricht einsetzen wollen.

Kurz nachdem wir darauf gestoßen sind, haben meine Liebste und ich uns auch angemeldet. Unser erstes veröffentlichtes Projekt ist ein Klon von Pong, eines der Klassiker der Videospielgeschichte (Zugegebenermaßen immer noch mit kleinen Fehlern, aber das ist nur eine Frage der Zeit). Mit der Zeit werden sicher noch mehr dazu kommen.

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Kommentare (3)

  1. #1 Daniela Schulz
    Mannheim
    23. Dezember 2016

    Hallo Oliver, (hoffe, das Du ist ok)

    vor ein paar Tagen bin ich durch Zufall auf Deinen Blog gestoßen und habe ihn direkt abonniert.

    Ich habe eine 9-jährige Tochter, die sich sehr für MINT-Themen interessiert. Vor kurzem war sie in einer Kinder-Vorlesung namens “Affenpuzzle” an der Kinder-Uni Heidelberg. Das hat ihr gut gefallen; da kam Dein Tip mit dem Buch genau richtig (-; Ich habe es gerade bestellt. Wir werden Deinen Blog weiterhin mit großem Interesse verfolgen. Vielen Dank für die Anregungen.

    Viele Grüße und ein frohes Weihnachtsfest

    Daniela + Alina

  2. #2 Christian Berger
    24. Dezember 2016

    Scratch basiert ja auf Smalltalk, und mit Smalltalk hat Xerox früher schon mal Experimente mit “Normalmenschen” und Kindern gemacht:
    https://youtu.be/p2LZLYcu_JY?t=37m8s

  3. #3 Definition
    19. April 2017

    Erinnert mich an den guten alten RPG-maker (wenn das der Name war) mit den man damals so Gamboymäßige Videospiele, wie zB Pokemon gemacht hat. Es hatte damals besonders viel Spaß gemacht, solche fertigen und rechtkomplexen Spiele, wie z.B Vampires Dawn, nicht nur zu Spielen, sondern auch zu editieren (um sie z.B. etwas aufzumotzen oder um zu cheaten). Ich war damals auch so begeistert, mit welchen einfachen tools man solche doch recht simple 2D Spielewelten gleich eine ganze Ecke interessanter gestalten konnte, indem man überall sowas wie “dynamische Lichtquellen” eingefügt hat. Da waren über all Fackeln und Lagerfeuer, die letztendlich einfach nur 3 leicht verschiedene Bilder einer Flamme waren, die in einer Endlosschleife abgespielt wurden.
    So, wie sich der Text liest, ist scratch aber scheinbar didaktisch noch klüger mit all den verschiedenen Farben und so.

    Ja, die tatsache, dass man sich mit all den immer gleichen Befehlen, die man nur dazu braucht um überhaupt erstmal ein Programm zum laufen zu bringen, nicht herum schlagen muss, ist schon wirklich toll. Ich wünschte soetwas gäbe es für mathematische Berechnungen in C++. Einfach nur die mathematischen Formeln reinhauen und berechnen lassen. Aber ich schätze, da es ja schon Matlab gibt…