Ich liege im Bett, das Zimmer ist dunkel, ich bin allein. Ich höre Schritte auf dem Gang, im Nachbarzimmer. Meine Frau kann es nicht sein, die hat Nachtdienst. Es muss ein Einbrecher sein! Ich will aufstehen und kann es nicht. Ich versuche mich aufzurichten und kann die Arme nicht bewegen. Mein Körper versagt mir den Dienst. Der Einbrecher kommt näher, er muss jetzt neben dem Bett stehen – ich kann ihn atmen hören. Plötzlich ist er über mir, ist katzengleich auf meinen Rücken gesprungen. Ich fühle sein Gewicht auf mir lasten, eine Hand in meinem Nacken. Dann ein dumpfer Schlag auf dem Hinterkopf. Es tut gar nicht weh. Seltsam. Dann wache ich auf.
Ich liege im Bett, das Zimmer ist dunkel, ich bin allein. Auf meinem Telefon sehe ich die Uhrzeit – kurz nach vier. Ich weiss sofort wo ich bin, mache mir nicht die Mühe, aufzustehen – ich drehe mich um und schlafe weiter. Nichts von alldem ist wirklich passiert.
Was ich beschreibe, habe ich nicht erfunden. Es ist mir vor gar nicht langer Zeit so passiert. In der Tat erlebe ich solche oder ähnliche Situationen mehrmals im Jahr, wenn die Zeiten besonders stressig sind, auch mehrmals pro Monat oder gar mehrmals pro Woche. Um zu verstehen, was das ist von dem ich rede und warum das Wörtchen Traum es nur unvollkommen beschreibt, muss ich etwas ausholen.
Schlafparalyse
Wenn wir schlafen und Träumen, dann haben wir oft den Eindruck, uns zu bewegen und mit anderen zu interagieren. Das können dann abenteuerliche oder bizarre Träume sein oder auch solche, bei denen wir auf der Flucht sind. Viele Menschen träumen immer wieder, dass sie Rennen ohne sich fortzubewegen oder, dass sie das Gleichgewicht nicht halten können und ihre Beine sie nicht tragen. Das ist zumeist ein ziemlich unangenehmes Gefühl. Wirklich mit den eigenen Beinen davon zu rennen während man schläft, ist aber unzweckmäßig. Und die Konsequenzen wären noch unangenehmer. Anstatt vor der Gefahr zu fliehen, wird man sich vermutlich mehr oder minder schwer verletzen. Um zu verhindern, dass unser Körper die Bewegungen wirklich ausführt, die unser Traum-Ich zu machen scheint, wird er während des Schlafes gelähmt – man nennt das Schlafparalyse. Das soll so sein und ist ganz natürlich.
Die meisten Menschen nehmen diesen Zustand nie wirklich wahr und wenn es ihnen irgendwann in ihrem Leben doch passiert, vergessen sie ihn sehr schnell. Beim Aufwachen löst sich die Schlafparalyse sofort. Nun gibt es aber Menschen, die mehr oder weniger oft und fast ihr gesamtes Leben lang die Schlafparalyse teilbewusst erleben. Ich sage deswegen teilbewusst, weil sich immer noch eine membrandünne Haut zwischen mir und der Wirklichkeit zu spannen scheint. Ich gehöre zu den etwa 7 % der Bevölkerung, die regelmäßig teilbewusste Paralysephasen erleben. Ich finde erstaunlich, dass es so viele sein sollen, denn ich habe noch nie jemand anderen getroffen, der sie ähnlich oft und ähnlich intensiv erlebt. Im Deutschen bezeichnet das Wort Schlafparalyse sowohl die Lähmung des Körpers während des Schlafes als auch die bewusste Wahrnehmung derselben. Im Englischen steht Sleep Paralysis ausschließlich für die Schlafstörung.
Was ich im ersten Absatz beschrieben habe, war eine besonders eindrucksvolle Paralysephase. In der Regel werden die Phasen von weniger spektakulären Traumbildern begleitet – unangenehm sind sie immer.
Wie fühlt es sich an?
Die erste teilbewusste Paralysephase erlebte ich mit etwa 18 (Plusminus). In dieser Nacht lag ich wie sonst auch halb auf der Seite, die Arme unter dem Kopfkissen verschränkt. Ich konnte mich nicht rühren. Alle versuche fühlten sich an, als würden die Muskeln kontrahieren ohne sich wirklich zu bewegen. Vielleicht fühlt es sich so an, wenn ein schweres Gewicht auf einem lastet. Das Kopfkissen berührte mich an Mund und Nase, ich konnte den Kopf nicht wegdrehen und fürchtete, zu wenig Luft zu bekommen. Tatsächlich war mir in diesem Moment als müsse ich ertrinken. Ich habe mich nie vorher so hilflos gefühlt. Aufgewacht bin ich in jener Nacht nicht. Die Phase dauerte eine gewisse Zeit an – ich kann unmöglich sagen, wie lange – und irgendwann dämmerte ich wieder in tiefen Schlaf hinüber. Am nächsten Morgen blieb mir ein flaues Gefühl, wie nach einem Albtraum. Erst viel später habe ich erfahren, dass man durch die Lähmung seine eigene Atmung nicht spürt und deswegen oft das Gefühl hat, ersticken zu müssen.
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