Die erste Technikerin, die sich mit seinen Ideen beschäftigt, muss das vielleicht auch noch, wenn sie ein anwendbares Produkt aus seinen Ideen machen will, aber spätestens in der Serienproduktion wird der komplizierte Sachverhalt entweder ganz unwichtig, weil das Produkt geschickt konstruiert ist oder man bricht ihn in der Anleitung auf ein paar einfache Anwendungsregeln herunter, deren theoretischen Hintergrund der Anwender gar nicht kennen muss.
Techniker neigen außerdem dazu, stärker als andere Berufsgruppen in einer Blase zu leben. Es gibt keine Fernsehserien und nur ganz wenige Filme (Apollo 13!), die sich hauptsächlich mit Ingenieuren und dem, was sie wirklich tun, beschäftigen. Wir bekommen auch nicht so viel Aufmerksamkeit wie die Naturwissenschaftler, wenn sie eine neue bahnbrechende Entdeckung machen, was oft daran liegt, das bahnbrechende technische Entwicklungen eifersüchtig gehütetes Geheimwissen von Unternehmen sind, die damit Geld verdienen wollen.
Deswegen fällt es uns nicht leicht, mit nicht-Experten über unsere Fachgebiete zu sprechen. Ich tu mir wahnsinnig schwer dabei, meine tägliche Arbeit in meiner kleinen Serie über Planung zumindest ein bisschen anschaulich zu machen und habe nicht das Gefühl, dass wirklich etwas davon beim Leser ankommt, weil ich so viele Begriffe und Tätigkeiten recht umständlich erklären muss, die für meine Kollegen und mich zum täglich Brot gehören.
Wenn man sich aber schon über die eigene Arbeit, den bei weitem größten Zeitblock des Alltags, nur in einer kleinen Gruppe austauschen kann, die im Wesentlichen alle einer Meinung sind, dann färbt diese Übereinstimmung auch auf andere Bereiche ab.
Ich merke selbst immer wieder, wie ich den Stab über Experten breche und dann hinterher meinen ersten Eindruck revidieren muss. Aha!-Momente sind in den letzten Jahr nicht seltener geworden, sondern im Gegenteil, kommen immer häufiger vor.
Ich will nicht sagen, dass ich mir immer völlig bewusst bin, dass ich vielleicht grade Blödsinn reden könnte, aber zumindest habe ich ein gewisses Bewusstsein dafür entwickelt, dass ich mich immer auch irren kann. Deswegen bin ich mir in der Regel der Argumente auch wohlbewusst. Mit zunehmendem Alter und zunehmendem beruflichen Erfolg mag sich das ändern – ich hoffe, man wird mich vorher rechtzeitig und regelmäßig wieder erden – und die Tendenz, aus der sicheren Beherrschung meines Fachgebietes darauf zu schließen, dass ich auch auf anderen Gebieten was zu sagen hätte, mag zunehmen. Für mich erklärt das zumindest das zumeist fortgeschrittene Alter der Pseudowissenschaftler unter den Technikern.
Ein anderer Grund sind sicher die besonderen Feinheiten bestimmter Themen. Klimawandel, Kernenergie und die Energiewende berühren nicht nur Naturwissenschaft, sondern auch gesellschaftliche Entscheidungen und sind damit nicht nur rationalen Entscheidungsprozessen unterworfen, sondern auch persönlichen Befindlichkeiten, Wünschen, Träumen und Feindbildern. Wer in 2017 um die 65 ist, war ein junger Mensch als die politisch aufgeladene Waldsterben-Debatte über das Land rollte. Bekanntermaßen haben sich die Horrorszenarien nicht verwirklicht. Warum, hat viele Gründe und ist vielleicht ein Thema für einen späteren Artikel. Wichtig hier ist vor allem: Es ist nicht passiert und die Techniker haben’s schon von Anfang an gewusst. Vermutlich ist der Klimawandel der nächste große Hoax?
Wenn wir auf der grünen Wiese eine Anlage bauen wollen, dann dauert das fünf Jahre. Das ist die Zeit, die von der ersten Idee bis zum ersten Tankzug voll Produkt vergeht. Gemessen an einem Menschenleben sind fünf Jahre nicht kurz, aber überschaubar. Wenn meine Arbeit beginnt, haben andere schon zwei Jahre diskutiert. Ich werde noch viele Anlagen planen und dabei sein, wenn sie gebaut werden. Drei Jahre kann man sich vorstellen, dafür kann man vorsorgen.
Der Klimawandel zwingt zum Denken in Jahrzehnten – und das ist schwer, denn erstens können wir uns solche Zeiträume schlecht vorstellen und zweitens lehrt die Erfahrung, dass es seit Jahrhunderten alle paar Jahrzehnte geradezu revolutionäre technische Entwicklungen gab, an die kein Zukunftsforscher gedacht hatte. Der Computer existiert als Rechenmaschine in der frühen Science-Fiction-Literatur, aber ist dort beileibe nicht das Universalwerkzeug von heute. Das Internet taucht als vage Vorstellung immer mal wieder auf, hat aber nur ganz selten – ich kenne nur ein Beispiel – den massiven Einfluss auf das tägliche Leben so vieler Menschen, wie er heute spürbar ist. Wir wissen nicht, wie die Zukunft der Technik sein wird und neigen vielleicht dazu, daraus zu schließen, wir könnten auch nicht sagen, wie Prozesse wie der Klimawandel weitergehen.
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