Beispiele für Steuerungen
Fertige Bewässerungssteuerung
Da automatisierte Gartenbewässerung keine besonders exotische Anwendung ist, gibt es dafür von verschiedenen Herstellern fertige Steuerungen von unterschiedlicher Komplexität und Leistungsfähigkeit. Das geht bei einfachen Zeitschaltuhren für ein paar Euro los, die man direkt zwischen Wasserhahn und Schlauch schaltet. Komplexere Geräte sind schon programmierbar und haben evtl. mehrere Anschlüsse. Dann kommen die “richtigen” Steuerung für die Wandmontage. Diese bieten erweiterte Möglichkeiten zur Parametrierung, z.B. den Anschluss von Regensensoren und können mehrere Wasserlinien ansteuern. Dazu sind sie mit binären Ausgängen ausgerüstet, mit denen z.B. Magnetventile geschaltet werden können.
Bewässerungssteuerungen von der Stange sind für kleine Anwendungen verhältnismäßig günstig und leicht konfigurierbar. Dafür bieten sie nur eingeschränkten Funktionsumfang, sind nur teilweise individuell programmierbar und lassen sich schlecht skalieren. Außerdem können sie nicht mit beliebigen Sensoren und oft nicht mit beliebigen Aktoren gekoppelt werden. Oft ist man gezwungen, beim selben Hersteller zu bleiben. In der Regel ist fast alles aus Kunststoff gebaut, auch die Magnetventile. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern ist evtl. auch empfindlicher gegenüber UV-Strahlung und basischen Böden.
Microcontroller
Eine kostengünstige und energiesparende Mölichkeit, eine Steuerung zu realisieren ist ein Microcontroller[2](µC). Microcontroller steuern heute alles – Kaffeemaschinen, Spülmaschinen, Telefone. Die kleinen, energiesparenden und sehr günstigen Prozessoren werden praktisch überall eingesetzt, ich könnte also damit auch die Bewässurung meines Gartens steuern. Ich könnte sie sogar als Ultra-Low-Power-Anwendung programmieren und den µC zwischen den Bewässerungsphasen schlafen schicken. Mit geeigneten Methoden ließe sich der Energiebedarf so tief drücken, dass ich die Steuerung mit einer Batterie versorgen könnte (größere Leistungen bräuchte ich dann nur für die Aktoren).
Der Nachteil ist, dass ich dann alles, aber auch wirklich alles von der Pike auf selber entwerfen müsste: Auswahl des µC, Auswahl der Peripherie, Signalanpassung für Ein- und Ausgangssignale (E/A), E/A-Schnittstellen, Entwurf der Platinen, Bestücken und Zusammensetzen derselben, Einbau in ein passendes Gehäuse, Entwurf des Anwederprogramms in C oder Assembler, usw. Davon abgesehen, dass ich jede Menge User Guides lesen müsste, die so dick sind, wie die Bibel, würde ich Wochen allein für Entwurf und Bau der Elektronik brauchen. Danach müsste ich alles intensiv testen, um sicher zu gehen, keinen Fehler gemacht zu haben.
Einplatinencomputer
Einplatinencomputer wie der Arduino sind im Prinzip µC mit leistungsfähigen Schnittstellen und deutlich größerem Programmspeicher oder, wie z.B. der Raspberry Pi richtige kleine Computer, auf denen richtige Betriebssysteme (in der Regel Linux) für Anwendungen mit hohem Rechenbedarf laufen können. Sie sind preiswert, kompakt und sehr flexibel. Sie brauchen keine besonders große elektrische Leistung und durch die großen Communities gibt es für viele Projekte passende Lösungen.
Dafür sind das Aufsetzen und die Programmierung mit viel Aufwand verbunden, wenn man davon keine Ahnung hat (Ich programmiere nicht gern frei. Meine letzte C-Praxis hatte ich im Studium). Außerdem muss man wie beim µC die E/A-Schnittstellen mit eigenen Peripheriegeräten aufbauen. So kann das 3,3V-Ausgangssignal des Controllers z.B. kein Ventil direkt schalten, sondern nur ein Relais, durch welches dann das Ventil geschaltet wird. Weil es keine Industriesteuerung, sondern Experimentierplattformen sind, können sie, wie Microcontroller, Industrieübliche Signale nicht direkt verarbeiten. Alle Mess- und Stellgeräte brauchen also ebenfalls eine extra Signalanpassung. Das muss man alles aus separaten Baugruppen zusammensetzen, die Kommunikation zur CPU aufbauen, usw. Viel Aufwand.
Klein-SPSn
In der Industrie wird der Großteil der Steueraufgaben durch SPSn (Speicher-Programmierbare Steuerungen) gelöst. Eine SPS ist auch im Prinzip ein kleiner Computer: Sie besteht häufig aus einer Prozessorbaugruppe, auf der das Anwederprogramm läuft und E/A-Baugruppen, vermittels derer sie Signale mit der zu steuernden Anlage austauschen kann. SPSn gehören zu den Leitsystemen und decken heute ein weites Spektrum ab. Waren sie bis Ende der 1990er Jahre noch vor allem für Maschinensteuerungen im Einsatz, können sie heute auch komplexe Regelaufgaben übernehmen und alle großen Hersteller bieten Möglichkeiten zur Prozessbedienung- und Beobachtung via PC an. SPSn gibt es in allen größen: für Maschinen mit Hunderten von Signalen, für große Chemieanlagen mit Tausenden von Signalen und für ganz kleine Anwendungen mit einigen Zehn Signalen. Für mich interessant ist natürlich der letzte Punkt, eine sogenannte Klein-SPS für das knappe Duzend Signale, das ich haben werde.
Der große Vorteil einer Klein-SPS ist, dass sie in einem Gerät alles kombiniert, was ich brauche: Einfach zu montieren, einfach zu skalieren, einfach zu parametrieren, alle E/A sind schon im Gerät integriert und sie können in der Automation übliche Signale verarbeiten. Für so manche Klein-SPS gibt es auch Communities im Netz, insbesondere in der Gebäudeautomation und in der Tat habe ich sogar einige Kollegen, die z.B. ihre Heizung, Rolläden und Beleuchtung zu Hause auf diese Weise steuern.
Klein-SPSn sind allerdings ein verhältnismäßig teurer Spaß. Auf Kosten von einigen Hundert € sollte man sich gefasst machen. Ich habe mir verschiedene Produkte von allen möglichen Herstellern angesehen (auch die auf dem Raspberry PI und Arduino basierenden Systeme) und preislich schenken sie sich in der Größe, die mir vorschwebt, nichts.
Warum ich mich für eine Klein-SPS enschieden habe
Obwohl sie ausgedrückt in Geldeinheiten die teuerste Lösung ist, habe ich mich für eine Klein-SPS zur Steuerung meiner Gartenbewässerung entschieden. Nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen kam ich zu folgendem Ergebnis:
Hätte mir eine fertige Steuerung das geboten, was ich wollte, wäre das meine erste Wahl gewesen. Es ist nicht immer notwendig oder gar gut, das Rad neu erfinden zu wollen und in der Regel kann man mit einer selbstgestrickten Lösung einen kommerziellen Anbieter, der die Vorteile der größeren Erfahrung und Economy Of Scale hat, preislich nicht schlagen. Schon gar nicht, wenn man die Zeit, die man investieren muss, auch nur mit einem Hungerlohn in den Kalkül zieht. Außerdem ist in der Automatisierungswelt der Standard der Kreativität generell vorzuziehen (darüber werde ich bei Gelegenheit auch mal einen eigenen Artikel schreiben). Leider habe ich in den Angeboten der einschlägigen Hersteller nichts passendes gefunden: Zu unflexibel, zu wenige Wasserlinien, zu kleiner Funktionsumfang, kaum Möglichkeiten zur Einbindung von anderen Systemen, schlecht skalierbar und für meinen Geschmack zu viel Kunststoff. Der letzte Punkt ist natürlich Gefühlssache. Die fertigen Steuerung haben natürlich ihre Berechtigung und passen sicher für das Gros der Anwender. Sonst würden sie sich ja nicht verkaufen. Nur für meine Zwecke sind sie nicht optimal.
Einplatinencomputer oder gar µC kämen mit dem Rechenaufwand für eine Bewässerungssteuerung spielend klar, die Programmiermöglichkeiten schränken mich praktisch überhaupt nicht ein und sie sind ziemlich kostengünstig. Dafür müsste ich mich erst mit viel Aufwand in ihre Funktion und Bedienung einlesen, mit kleineren Programmen Erfahrung sammeln, die ganze Peripherie mit E/A-Schnittstellen und Signalanpassung selbst entwickeln und aufbauen und allgemein eine Menge Zeit dafür aufbringen. Ganz davon abgesehen, dass mir Programmieren in C keinen Spaß macht.
Eine Klein-SPS ist zwar die teuerste Lösung, aber unterm Strich der für mich beste Kompromiss. Ich kenne mich mit SPSn gut aus, kann leicht und schnell Funktionspläne erstellen, kann mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln einen kleinen, sauber verdrahteten Schaltkasten aufbauen und habe alle Schnittstellen, die ich brauche sind schon im Gerät integriert. Außerdem habe ich noch ein paar kleine Ideen, eigentlich mehr Spielereien, die ich über kurz oder lang in meine Bewässerungssteuerung einbinden will und mit einer SPS ist das immer problemlos möglich. Ein weiterer nicht ganz unwichtiger Punkt ist die einfache Dokumentation: Herstellerunabhängige Stromlauf- und Funktionspläne sind auch in ausführlicher Form problemlos auf wenigen Seiten erstellbar. Und letzten Endes sind SPSn auch einfach, wie man in der Pfalz sagt, Was G’scheits, will sagen: Da sie für den industriellen Einsatz entwickelt wurden, sind sie stabil konstruiert, ausgiebig getestet, von benannten Stellen zertifiziert und von vornherein für Hutschienenmontage ausgelegt. Und sollte irgendwann mal was kaputt gehen, kann ich sicher sein, noch viele Jahre lang Ersatzteile direkt vom Hersteller beziehen zu können.
Da jetzt die Steuerung ausgewählt ist, steht Gerätearten für das Leitsystem fest. Der nächste Schritt wir die Auswahl der Gerätearten für Sensoren und Aktoren sein.
[1] In der Industrie sind für binäre Signale 24VDC (selten auch noch 24VAC) und für Analoge Signale 4…20 mA, seltener auch 0…20 mA entsprechend 0…100% üblich. In der Gebäudeautomation findet man für analoge Signale häufiger 0…10 V entsprechend 0…100 %. µC und Computer arbeiten in der Regel mit 5V- oder 3,3V-Pegeln.
[2] Ein Microcontroller ist ein Prozessor, der zusammen mit einem Programmspeicher, Peripheriegeräten und Ein-/Ausgabe-Schnittstellen als einzelnes Bauteil ausgeführt ist.
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