Im letzten Artikel dieser Serie haben wir die EMSR-Basisplanung meiner automatisierten Gartenbewässerung abgeschlossen. In diesem Artikel befassen wir uns mit Auswahl einer Steuerung, die wir anschließend beschaffen wollen. Damit kommen wir zum ersten Mal an den Punkt, an dem unsere Entscheidungen nicht mehr nur auf dem Papier Konsequenzen haben, sondern in der Wirklichkeit.
Der Markt für Klein-SPSn
In der Industrie werden seit vielen Jahren so gut wie alle Steuerungsaufgaben, die die Abarbeitung eines Programmes nötig machen, von digitalen Speicherprogrammierbaren Steuerungen, kurz SPSn, übernommen. Die Vorteile gegenüber der sogenannten Verbindungsprogrammierten oder Hartverdrahteten Steuerung sind größere Flexibilität, kleinerer Platzbedarf, weniger Verdrahtungsaufwand und – sofern sauber aufgebaut – größere Zuverlässigkeit.
Am Markt für SPSn findet man allein in Deutschland etwa 50 Hersteller und etwa 200 Produkte unterschiedlicher Größe und Leistungsfähigkeit. Mit “Größe” meint man in diesem Zusammenhang die Anzahl von E/A(Ein- und Ausgänge), die verarbeitet werden können und unter “Leistungsfähigkeit” sind die Geschwindigkeit der Verarbeitung, die Programmiermöglichkeiten, sowie die Schnittstellen und Kommunikationsmöglichkeiten zu Drittsystemen zusammengefasst. Die größten SPSn können mehrere 10.000 Signale sinnvoll verarbeiten, die kleinsten nur wenige Dutzend.
Den Markt für große SPSn haben de facto zwei Handvoll Hersteller fest im Griff. Jeder, der damit beruflich zu tun hat, kennt die Namen Siemens, Allen-Bradley, ABB, HIMA oder Schneider Electric, um nur die bekanntesten zu nennen. Der Markt für kleine SPSn ist deutlich differenzierter – weltweit gibt es Hunderte von Herstellern, die in der Mehrzahl der Fälle ganz spezielle Anwendungen abdecken: In Mannheim gibt es z.B. die Firma Bihl+Wiedemann, in Ostfildern die Firma Pilz, die unter anderem sicherheitsgerichtete Motorsteuerungen bauen. Außerhalb Deutschlands gibt es, mittlerweile leider nicht mehr als eigenständige Firma, sondern Tochter von General Electric, die Firma Bently-Nevada, die z.B. hochwertige Turbinensteuerungen vertreibt. Diese Beispiele sind als sicherheitsgerichtete Steuerungen leider sehr sehr (sehr!) teuer.
Aber auch außerhalb der Sicherheitstechnik, z.B. in der Gebäudeautomation finden viele kleinere Steuerungen Anwendung. Seit vielen Jahren werden große Neubauten, z.B. Büro- oder modernen Appartementhäuser, standardmäßig nicht mehr mit einer klassischen Elektroinstallation ausgerüstet, sondern das Gebäude teilweise automatisiert. “Klassische” Elektroinstallation heißt, dass z.B. die Deckenleuchte direkt mit dem Lichtschalter verbunden ist – das macht in Privatwohnungen/-häusern eigentlich fast immer Sinn, weil es nicht viele Leuchten gibt und die Leitungswege kurz sind. In der Gebäudeautomation läuft alles etwas anders: Die Deckenleuchte und der Lichtschalter sind an eine Steuerung angeschlossen. Wird der Schalter betätigt, zieht ein Relais der Steuerung an und schaltet die Leuchte ein. Das kann z.B. Sinn machen, wenn das Haus über Nacht leer steht und man vermeiden will, dass überall noch die Lichter brennen (von Notbeleuchtung vielleicht mal abgesehen). Man kann die Steuerung dann so programmieren, dass ab einem gewissen Zeitpunkt, von mir aus 20:00 Uhr, die Normalbeleuchtung ausgeschaltet wird, wenn absehbar ist, dass sich dann niemand mehr in dem Gebäude aufhält. Das klingt zunächst auch nach viel Aufwand, aber für große Gebäude können die Mehrkosten pro Lichtstromkreis mit den entsprechenden Rabatten so tief sinken, dass es sich über die Lebensdauer der Steuerung tatsächlich lohnt. Das gilt auch noch in Zeiten der LED – Gewerbeflächen werden schon seit Jahrzehnten vorwiegend mit Leuchtstofflampen beleuchtet, die in der Praxis auch nicht viel ineffizienter sind als LED. Interessanterweise kann Gebäudeautomation sogar den Verdrahtungsaufwand senken: Ganz moderne Anlagen können im Gebäude via Powerline oder Funk kommunizieren.
In der Industrie finden sich klein-SPSn typischerweise zum Beispiel in HKL(Heizung-Klima-Lüfung)-Anlagen. Die kommen für gewöhnlich en bloc, werden von der Firma aufgebaut, machen nach dem Einschalten im Grunde ihr eigenes Ding und melden sich nur bei Störungen. Ein anderes Beispiel sind komplexe Maschinensteuerungen. Da steckt oft sehr viel Knoff-Hoff des Herstellers drin und wenn ein nicht Eingeweihter daran herumfummelt, macht er unter Umständen schnell was kaputt. Ein dritter typischer Fall sind Stand-Alone-Systeme, wie meine Gartenbewässerung. Die existiert für sich und tauscht weder mit einem übergeordneten Leitsystem, noch mit irgendeiner anderen Anlage, noch mit sonst irgendwem in der großen Weiten Welt Signale aus – sie steht für sich allein. Das hat den Vorteil, dass ich völlige Freiheit bei der Auswahl der Steuerung genieße. Würde ich nicht für mich, sondern für eine Firma arbeiten, müsste ich mich natürlich an deren Vorgaben halten.
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